Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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17. Mai 1861 Präsentation des ersten Farbfotos

Der Schotte James Clerk Maxwell präsentierte das erste Farbfoto und bewies damit zugleich die Theorie der additiven Farbmischung. Sein erstes Fotomotiv in Farbe: schottischer Tartan-Stoff. Fortan musste man also achtgeben darauf, wer wie bunt gemustert aufs Familienfoto sollte. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 17.05.2023 | Archiv

17 Mai

Mittwoch, 17. Mai 2023

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wir machen es Ihnen heute wirklich nicht leicht, aber - stellen Sie sich trotzdem mal vor, es gibt nur Schwarzweiß-Fotos. Heutzutage muss man dafür auf dem Handy schon einen Spezialeffekt bemühen. Aber die Älteren von uns kennen das noch: Farbig zu fotografieren, das war möglich, aber Luxus. Schwarzweiß war Standard bis weit in die 1960er-Jahre. Der Familienausflug in die Berge, der geschmückte Christbaum: alles schwarzweiß, und die Runzeln der Großeltern auch. Und dann gab es auf einmal Farbfilme. Statt in dunkel- und hellgrau ließ sich die Welt plötzlich so bunt abbilden, wie sie ist. Und wer sozusagen in Schwarzweiß aufgewachsen ist, stellte sich damals die Frage: Welchem Motiv soll ich mein erstes Farbfoto widmen?

Die Welt der Farben

James Clerk Maxwell ist 29, als er vor dieser Entscheidung steht. Wir sind im Vereinigten Königreich und mitten im Viktorianischen Zeitalter, im Jahr 1861. So alt ist die Farbfotografie nämlich schon. Königin Victoria hat den Thron eine Woche nach James' sechstem Geburtstag bestiegen. Der Junge wächst im Süden Schottlands auf dem Landgut Glenlair bei Dumfries auf. Ein besonders wissbegieriges Kind, das den Menschen in seiner Umgebung die berühmten Löcher in den Bauch frägt. Warum ist das so? Ja schon, aber warum genau? Und woher weißt du das? Schon mit zweieinhalb Jahren entdeckt er, wie er seine Eltern mit einer Zinnplatte blenden kann, auf die die Sonne scheint. Er experimentiert mit Kreiseln und ist in der Schule ein Mathegenie. Theorie und Praxis verbindet er auch später als Forscher. Eindruck macht zum Beispiel eine Vorlesung, bei der er einem Studenten die Haare zu Berge stehen lässt, indem er ihn "mit Elektrizität vollpumpt", wie ein Zuhörer sagt.

Und dann sind da noch die Farben. Auch die haben James von klein auf interessiert. Ein frühes Foto zeigt ihn - natürlich in Schwarzweiß - mit einem Farbkreisel, einer zweifarbig bemalten Scheibe. Die muss man nur schnell genug drehen, dann mischen sich die Farben. Schon um 1850 behauptet der deutsche Physiker Hermann von Helmholtz: Auch unser Auge nimmt eigentlich eine Farbmischung wahr.
Drei Sorten Nervenzellen, spezialisiert auf Rot, Grün und Blau, müssten ausreichen, um jede beliebige Farbe entstehen zu lassen. Nur beweisen kann er das nicht.

Scotland the Brave

Das gelingt zehn Jahre später James Clerk Maxwell. Am 17. Mai 1861 projiziert er bei einem Vortrag an der Royal Institution in London drei Schwarzweißfotos direkt übereinander. Dasselbe Motiv, aber jeweils durch Farbfilter aufgenommen und durch sie wieder an die Wand geworfen - durch einen roten, einen grünen und einen blauen. Die Zuschauer im verdunkelten Raum sind verblüfft: Die drei Grundfarben haben sich zu einem farbigen Bild addiert. Ziemlich blaustichig, aber immerhin.

Maxwell ist zwar seit einem Jahr Professor in London, doch im Herzen Schotte geblieben. Was er da abgelichtet hat, ist nämlich ein Band aus einem jener farbenfrohen Tartan-Stoffe, aus denen Schotten ihre Kilts nähen. Nur Nichtschotten sagen Schottenkaro dazu. Ein Eindruck aus der Heimat also - und das ist wohl bei vielen ersten Farbfotos so gewesen.


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