Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. Juli 1887 Erstes Esperanto-Lehrbuch veröffentlicht, auf Russisch

Immer dieses Problem mit der Völkerverständigung… jetzt haben schon alle andere Kulturen, dann nicht auch noch andere Sprachen…, dachte sich Leyzer Zamenhof und überlegte sich eine Sprache für alle.

Stand: 26.07.2018 | Archiv

26 Juli

Donnerstag, 26. Juli 2018

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Man fragt sich schon, wie sie das immer wieder hinkriegen, dass tatsächlich ein stabiles Hochhaus oder eine funktionsfähige Bohrinsel entsteht. Auf Norwegisch meint "venstre" nicht das Fenster, sondern "links", während "die Schaufel" auf Bosnisch lopata oder auf Portugiesisch kurz "pá" heißt, auf Lettisch oder Estnisch aber "kühvel", also ganz anders. Nun kann man auf Baustellen sicher einige Sprachbarrieren mit Gesten und lauten Befehlen überbrücken, nach dem Motto "du mir bringen!" oder "Das da dahin schrauben, und zwar mit 10er!" Und Ausrufe wie "Obacht!" oder "Pause!" versteht eh jeder blitzschnell.

Alles Bahnhof!?!?!

Aber das Problem existiert trotzdem, und zwar schon seit undenklichen Zeiten. Genauer gesagt: seitdem ein paar durchgeknallte Typen bei Babel einen gigantischen Wolkenkratzer errichten wollten. Und Gottvater, der aus nachvollziehbaren Gründen auf einer niedrigen Geschosshöhe bestand, dem Größenwahnsinn ein Ende machte, indem er die Sprachen verwirrte. Wenn von nun an einer nach dem Schraubenzieher rief, musste er damit rechnen, dass ihm der andere einen Hammer zuwarf. Selbstverständlich kann man die Ansicht vertreten, dass die jeweils dominante Kultur den Ton vorgibt und Zugereiste sich durchaus ein paar Vokabeln drauftrimmen können. Um die zwischenmenschliche Kommunikation zu erleichtern, kann man es auch mit einer der Weltsprachen versuchen, etwa mit: Shuō zhōngwén? Wobei es hie und da auf Empfindlichkeiten gibt. Denn der Siegeszug des Chinesischen, Englischen oder Arabischen ging schließlich einher mit politischen und wirtschaftlichen Eroberungen, mit der Unterdrückung und Ausbeutung anderer Völker.

Eine Sprache für alle?

Man muss jetzt zwar nicht gleich von verbaler Kolonialisierung sprechen… Aber wie wäre es stattdessen mit einem neutralen universalen Verständigungsmittel, das allen Erdenbewohnern gerecht wird?

Dachte sich Ludwik Leyzer Zamenhof, seines Zeichens jüdischer Augenarzt in Warschau. Als am 26. Juli 1887 das erste Lehrbuch seiner "Lingvo Internacia" auf Russisch herauskam, trat der Plansprachenerfinder nur mit einem Decknamen in Erscheinung, um auch alle Rechte an dem neuartigen, hoffentlich völkerverbindenden Idiom abzutreten. Doktor Esperanto nannte er sich. Was auf Esperanto, laut Zamenhofs Grammatik, "ein Hoffender" heißt. Leider erfüllte sich seine schöne Idee bisher nicht, dass die künstliche Sprache, indem sie sich über den Erdball verbreitete, das multikulturelle Zusammenleben beförderte und Vorurteile zum Verschwinden brachte. Was weniger am Esperanto liegt… - "Paco pipo" für "Friedenspfeife" oder "Kafo taso" für „Kaffeetasse“ ist schnell gelernt - als am menschlichen Wesen an sich. Dem hapert es offenbar an der rechten Motivation. Und ganz ohne Büffeln geht es eben auch nicht. Deshalb wird es wohl nie passieren, dass sich die Bauarbeiter aller Länder zum Feierabend fröhlich zurufen: "konkludo por hodiaŭ!"


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