Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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7. Oktober 1920 Erster Karl-May-Film uraufgeführt

Die Karl-May-Filme der 1960er Jahre mit Pierre Brice und Lex Barker sind Kult. Doch die Macher von damals waren keineswegs die ersten, die auf die Idee kamen, Karl Mays Abenteuergeschichten auf die Leinwand zu bringen. 1920 gründete eine glühende Verehrerin Mays daher eigens eine Produktionsfirma. Autor: Frank Halbach

Stand: 07.10.2021 | Archiv

07 Oktober

Donnerstag, 07. Oktober 2021

Autor(in): Frank Halbach

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Bernhard Kastner

Edle Helden, üble Schurken, endlose Weiten, rauchende Colts: Das ist der Stoff aus dem Western gemacht sind – amerikanischere Filme gibt es nicht. Aber weil sie unglaublich erfolgreich waren, wollte man so etwas auch in Deutschland machen. Und so schlossen in den 1960er Jahren im Wilden Westen Kroatiens ein amerikanischer Deutscher und ein französischer Apache Blutsbrüderschaft und ritten, untermalt von den weihevollen Melodien Martin Böttchers, in den Sonnenuntergang. In Serie. Eine Karl-May-Film-Welle spülte durch die deutschen Kinos, die fortan bevölkert waren von Piere-Brice- und Lex-Barker-Verehrern.

Die Karl-May-Verehrerin "Lu" Merhameh

Sie waren freilich ebenso wenig die ersten Fans von Karl May wie die Produktionen der 1960er die ersten Verfilmungen der Abenteuerromane waren. Marie Luise Droop etwa, Tochter eines Zementfabrikanten, war schon als Schülerin eine glühende Anhängerin Karl Mays. Im Jahr 1903 war sie dreizehn, fasste sich ein Herz und schrieb May nach Radebeul. Endlich fand der "echte" Old Shatterhand und "wahre" Kara ben Nemsi jemanden, der ihn so bewunderte wie seine alter Egos in seinen Reiseerzählungen. So wurde nicht nur eine Brieffreundschaft geboren, 1908 lud Karl May Marie Luise persönlich zu sich nach Hause ein, verpasste ihr den Spitznamen "Lu", und sie wurde zur Inspiration für die Titelfigur seiner Novelle Merhameh. Eine wunderschöne junge Prinzessin, die von Kara Ben Nemsi auf einer Reise beschützt wird. Karl ben May wiederum wird fortan beschützt von Lu, die ihm fortan gegen Plagiatsvorwürfe und Rufmordkampagnen zur Seite steht.

"Ein Wandelbild aus fernen Zonen"

Doch damit nicht genug. Marie Luise Droop beginnt selbst, zu schreiben. Ihr Roman "Die Lieblingsfrau des Maharadscha" wird 1917 sogar verfilmt, so erfolgreich, dass er zwei Fortsetzungen nach sich zieht. Dieser eigene Triumph lässt Lu ihr großes Vorbild jedoch nicht vergessen. Wären die Geschichtenihres Idols nicht der Stoff großer Leinwandepen schlechthin? Lu gründet kurzerhand die Ustad-Film, ihre eigene Produktionsfirma. Und so entsteht "Auf den Trümmern des Paradieses", der am siebten Oktober 1920 Premiere hat - die allererste Karl-May-Verfilmung überhaupt.

Die Handlung basiert auf einem Kapitel des Romans "Von Bagdad nach Stambul" aus Karl Mays Orientzyklus. Kara Ben Nemsi eilt hier einer persischen Reisegruppe zu Hilfe. Das ist aber nur die Rahmenhandlung innerhalb derer Kara ben Nemsi durch einen magischen Kristall in die Anfangszeit des Islam zurückblickt, wo er gebannt die Spaltung in Schiiten und Sunniten beobachtet.

Der Film, angekündigt als "ein Wandelbild aus fernen Zonen in 6 Akten" sollte eigentlich den Auftakt einer Karl-May-Filmreihe bilden. Die Mischung aus Abenteuerroman mit Religionsgeschichte und Fantasy-Elementen war ihrer Zeit aber offenbar doch zu weit voraus.

"Auf den Trümmern des Paradieses" wurde ein Riesenflop. Aus der großen Karl-May-Filmreihe wurde nichts – damals. Und auch wenn der erste Karl-May-Film aller Zeiten heute verschollen ist, seine Kinder aus den 60er Jahren wurden Kult und selbst für Blockbuster von heute meist unerreichbare Rekordmarken.


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