Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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3. November 1956 Erster Fernsehspot in Deutschland ausgestrahlt

Heute gerne weggezappt oder für Kühlschrankpausen genommen, wenn nicht eh schon ohne, weil DVD oder Festplattenrekorder sowas möglich machen… Früher war das mit der Fernsehwerbung noch ganz anders. Autorin: Regina Fanderl

Stand: 03.11.2020 | Archiv

03 November

Dienstag, 03. November 2020

Autor(in): Regina Fanderl

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Meister Proper, das HB-Männchen, Frau Antje und nicht zu vergessen: die lila Kuh! Die guten, alten Figuren aus der Werbung des Deutschen Fernsehens haben mittlerweile ihre eigene Kulturhistorie und sitzen tief drin in unseren Herzen und Hirnen, gleich neben Clementine und dem Bärenmarke-Bären.

Liesl Karlstadt und Beppo Brehm sitzen vielleicht auch drin – aber garantiert nicht in der Abteilung Werbung, sondern da, wo die anderen wunderbaren bayerischen Kabarettisten und Volksschauspieler ihr Platzerl haben.

Liesl und Beppo erste Markenbotschafter

Dabei hat mit der Liesl und dem Beppo die Fernseh-Werbung überhaupt erst angefangen! Jawohl! 1956 war das. Am 3. November. Zum ersten Mal in der noch jungen Geschichte des Mediums wird ein Werbespot gesendet und das nicht irgendwo, sondern hier, bei uns, im Bayerischen Rundfunk, der seit 1954 täglich drei Stunden Fernsehbeiträge für das ARD-Gemeinschaftsprogramm liefert.

Beworben wird in dem 56 Sekunden langen Spot – nein, nicht etwa die neueste Isetta, das angesagte Arzberger Kaffeeservice "Gretsch Pastell" oder sonst ein Produkt aus Bayern. Es geht, schlicht und schnörkellos, um das Waschmittel Persil. Aus Düsseldorf. Und warum?

Der Henkelkonzern besitzt zu dieser Zeit ein Grundstück ganz oben droben auf dem 1838 Meter hohen Wendelstein. Der Bayerische Rundfunk hat schon lange ein Auge drauf. Will dort einen Sendemasten bauen, mit dem man mehr als 25 Prozent der Bevölkerung Bayerns erreichen kann. Die Düsseldorfer pokern frech: wir verpachten Euch das Grundstück, dafür muss die Persil-Werbung die erste im Fernsehen sein! Der BR schlägt ein, rechnet ohnehin so schnell nicht mit eigenen Reklamesendungen. Von wegen! Schon zwei Jahre später geht der erste TV-Spot on air.

Spot on!

Obwohl … Spot ist das falsche Wort. Bei einer Länge von fast einer Minute, heutzutage dauert‘s maximal halb so lang, passt besser der Begriff "Kurzfilm". Ein Vorspann, eingeblendeter Titel – "Mahlzeit", dann Musik, dann die Handlung: In einem Wirtshaus sitzt ein Ehepaar und speist. Der Mann, Beppo Brem, rutscht beim Bratenschneiden ab, Soße spritzt auf die weiße Tischdecke. Seine Frau, Liesl Karlstadt, ohnehin eher hantig, schimpft ausgiebig! Doch gelassen tritt der Wirt herbei und sagt: „Das kann doch vorkommen. Dafür gibt’s doch, Gott sei Dank, Persil.“ Der Mann daraufhin zur kleinlauten Gattin: "Du machst immer so ein Trara. Der gebildete Mensch sagt nix anderes als "Persil"!" Schlussakkord. Ende.

Der damalige Intendant des BR, Franz Stadelmayer, hatte die Werbepremiere in einer Ansprache am Tag zuvor extra angekündigt.

Auch wenn die Fernseh-Neuheit mangels privater Fernsehapparate damals noch nicht viel abwarf – die Bedingungen im Wirtschaftswunderland waren ideal. Nur zu gern ließen sich die Zuschauer einreden, dass ihr Kind nur mit Sanostol kräftig wird oder der Mann von Welt rollelastische Elefantenschuhe tragen muss. Der Siegeszug der deutschen TV-Werbung, angestoßen von zwei bayerischen Volksschauspielern in schwarz-weiß, ließ sich nicht mehr aufhalten.


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