Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. Dezember 1946 Don Camillo und Peppone starten ihren Dauerzank

Weihnachten 1946 erscheinen erstmals Geschichten um Don Camillo und Peppone aus der Feder von Giovannino Guareschi. Es geht um den Zwiespalt zwischen tradierten Werten und gesellschaftlicher Aufbruchsstimmung und um einen Appell an die Moral der politischen Lager nach der faschistischen Diktatur Mussolinis.

Stand: 23.12.2022 | Archiv

23 Dezember

Freitag, 23. Dezember 2022

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Der Krieg ist aus. Partisanen und Alliierte haben die deutschen Besatzer vertrieben. Mussolini ist tot, seine Fluchtburg geschleift, die Waffen schweigen. Aber Italien findet keinen Frieden. Nach dem Zusammenbruch sind zu viele Rechnungen offen, zu viele Verbrechen ungesühnt. Dass Katholiken, Königstreue, Konservative, Sozialisten und Kommunisten zusammen im Widerstand kämpften - vergessen, vorbei! Die Linken feiern Stalin, die Rechten den Papst, manche wünschen den König, nicht wenige den Duce zurück. Bloß eins sind sie alle: verbittert, verstockt, mit Herzen hart wie Beton.

Giovannino und der Dreschflegel Gottes

Nein, der Krieg ist nicht aus, er war kurz auf Urlaub. Nun reißt er wieder alte Gräben auf, streut Gerüchte, schürt Argwohn, schreit Verrat. So wird das nichts mit dem Neubeginn, und mit dem Frieden gleich gar nicht! Doch was Italien braucht, ist nicht noch mehr Gewalt. Italien braucht Vergebung und Vertrauen. Weniger Ideologie und mehr Zusammenhalt. Vielleicht, wer weiß, wenn man die verbissenen Kiefer durch ein Lächeln lockert, vielleicht könnte das ein Brückenschlag sein? Wenn man den Italienern erzählt, wie vernagelt und verbohrt sie sich gerade gebärden, wenn man ihnen zeigt, wie nah und vertraut sich vermeintliche Feinde in Wirklichkeit sind, vielleicht kann das die Wunden heilen?

Einen Versucht ist es wert. Und Giovannino Guareschi ist genau der Richtige, ihn zu wagen. 1945 hat der Humorist und Schriftsteller die Zeitschrift Candido gegründet, um darin Woche für Woche jede Dummheit, jede Schurkerei, jeden Winkelzug der politischen Akteure satirisch aufzuspießen.

Am 23. Dezember 1946 bringt der Candido erstmals eine Geschichte, die alles, was Italien umtreibt, aufwühlt und spaltet, in zwei wuchtige Gegenspieler packt. Darin tragen ein Landpfarrer mit Dampfhammerfäusten, ein wahrer Dreschlegel Gottes, und ein nicht minder brachialer kommunistischer Bürgermeister in einer Kleinstadt am Po stellvertretend für ganz Italien einen lustvoll grimmigen Dauerzwist aus.

Unsterbliche Hoffnung auf Menschlichkeit

Hitzig, aufbrausend, stur wie die Esel sind beide, Don Camillo so gut wie Guiseppe Botazzi, genannt Peppone. In ihnen krachen die politischen Gegensätze hart aufeinander, es hagelt Kopfnüsse, Fußtritte, Ohrfeigen, man spinnt Intrigen, erbrütet derbe Streiche. Am Ende aber ziehen die Streithähne an einem Strang, in der Not steht einer für den anderen ein. Denn tief in ihren Herzen wollen beide dasselbe: dass es allen besser geht und Frieden möglich ist.

Dem Weihnachtsgeschenk des ersten Auftritts von Don Camillo und Peppone folgen nach und nach weitere 346 Geschichten, in denen gezankt und geprügelt, aber auch verziehen und gemeinsam angepackt wird. In Büchern gesammelt und Fleisch geworden in fünf unsterblichen Filmen mit Fernandel und Gino Cervi, halten sie bis heute die Hoffnung wach, dass der Hass verliert, wo die Menschlichkeit siegt.

Ein Traum, gewiss, aber ein schöner. Und allein darum wert, die Geschichten der kleinen Stadt am großen Strom wieder und wieder neu zu erzählen.


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