Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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13. August 1999 Die Sonnenscheibenflagge wird endlich Nationalflagge Japans

Am 13. August 1999 wurde die Sonnenscheiben-Flagge zur offiziellen Nationalflagge Japans. Ein Triumph für rechtskonservative Nostalgiker, die von Japan als "Götterland" träumten – und träumen! Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 13.08.2020 | Archiv

13 August

Donnerstag, 13. August 2020

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Das hohe Himmelsgefilde war in tiefe Nacht getaucht. Amaterasu, die Sonnengöttin, hielt sich in ihrem himmlischen Felsenhaus verborgen. Susa-no-o, ihr eigener Bruder hatte in seiner rasenden Zerstörungswut die Dämme der Reisfelder durchbrochen, ein himmlisches Pferd gehäutet und die himmlische Weberin zu Tode erschreckt. Zu guter Letzt besudelte er auch noch die Halle des Großen Kostens des Neuen Reises mit seinem stinkenden Kot. Zu viel! Amaterasu schloss sich im Felsenhaus ein – zornig und zutiefst verletzt – und ließ die Welt in Dunkelheit zurück.

Das Land der aufgehenden Sonne

So erzählen es die offiziellen Geschichtschroniken, die Anfang des 8. Jahrhunderts im Auftrag des japanischen Kaiserhauses niedergeschrieben wurden. Damals brauchte der Kaiser eine gute Geschichte, das richtige "Story-Telling", um den Machtanspruch seiner Dynastie zu sichern und sich zugleich in den Nachbarländern Respekt zu verschaffen. Denn am Ende gelingt es den "800 Myriaden Göttern", Amaterasu aus ihrem Felsenhaus zu locken. Die Welt erstrahlt wieder im Sonnenlicht und Amaterasu schickt ihren himmlischen Enkel auf die Erde hinab, damit er "das Land der frischen Ähren der tausendfünfhundert Herbste der Schilfgebiete" regiere – das heutige Japan.

Nihon oder Nippon, "Land der aufgehenden Sonne", so nennen die Japaner bis heute ihr Inselreich.

Der Tennô[iv], der japanische Kaiser, galt lange als direkter Nachkomme von Amaterasu und damit selbst als Gott. Ein Gott, für den die japanischen Soldaten während des Zweiten Weltkriegs bereit waren, grausamste Kriegsverbrechen zu begehen und als Kamikaze-Piloten sich selbst in die Luft zu sprengen. Symbol für diesen Ultranationalismus war das Sonnenbanner: Eine rote Scheibe auf weißem Grund, manchmal auch mit weitausladenden roten Strahlen versehen. Das Sonnenbanner wehte über den Ländern, welche die japanische Armee unterwarf und Kamikaze-Piloten trugen sie als Stirnband, bei ihrem letzten Flug in den Tod.

Zur offiziellen Staatsflagge erklärte Nippons Regierung die Sonnenscheiben-Flagge mit dem roten Kreis auf weißem Grund aber erst am 13. August 1999. Also zu einer Zeit, als der Ultranationalismus längst vorbei und der Tennô nur noch ein ganz normaler Mensch war.

Götterland Japan?

Aber einige Politiker waren nostalgisch geworden... Bei Schulabschlussfeiern beispielsweise, sollte von nun an wieder das Sonnenbanner gehisst werden. Viele Lehrer und Schüler weigerten sich. Für sie war das Sonnenbanner nach wie vor ein Symbol des Ultranationalismus. Als Premierminister Mori kurz darauf auch noch von Japan, dem "Land der Götter mit dem Kaiser als Zentrum" schwärmte, kam es zu einem Skandal und die Regierung musste aufgelöst werden.

Doch bis heute liebäugeln rechtskonservative japanische Politiker mit der Vorstellung vom "Götterland Japan".

Aber was, wenn es Amaterasu tatsächlich gäbe und sie all die rasende Zerstörungswut, die während des Krieges unter ihrem Sonnenbanner verübt wurde, mitangesehen hätte? Sie wäre mit Sicherheit, zornig und zutiefst verletzt, für immer in ihr himmlisches Felsenhaus geflohen und hätte die Welt bis in alle Ewigkeit in tiefe Nacht getaucht.


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