Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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22. März 1997 Der Komet Hale-Bopp erreicht seinen erdnächsten Punkt

Unabhängig voneinander, doch zeitgleich, entdeckten Alan Hale und Thomas Bopp den Kometen Hale-Bopp. Er wurde der am meisten beobachtete Komet des 20. Jahrhunderts. Autor: Hellmuth Nordwig

Stand: 22.03.2021 | Archiv

22 März

Montag, 22. März 2021

Autor(in): Hellmuth Nordwig

Sprecher(in): Caroline Ebner

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Männer sind manchmal einsame, Beute suchende Wölfe. Die einen stehen jeden Tag an der Bahnstrecke und schauen, wie viel Verspätung der Regionalexpress heute wieder hat. Die anderen schauen Nacht für Nacht ins Firmament. Da tut sich zwar, streng genommen, noch weniger als auf den Schienen, könnte man meinen - aber so redet eben nur daher, wer keine Ahnung hat.

Hales Komet

Denn Sterne folgen zwar strengeren Gesetzen als der Zugverkehr, aber dass der Himmel jede Nacht gleich wäre, das stimmt einfach nicht. Manchmal tauchen plötzlich Objekte auf, die vorher nicht zu sehen waren. Wer sich nur genau genug auskennt, bemerkt die Veränderung sofort. Zum Beispiel in der zweiten Julihälfte 1995 im Sternbild Schütze: einen schwachen Lichttupfer, der langsam weiterzieht. Sterne tun das nicht, nur Himmelskörper in unserem Sonnensystem. Kometen zum Beispiel.

In jener Nacht sitzt Alan Hale, 39, wie immer in seinem "Observatorium". So nennt er großspurig einen Schuppen neben seiner Garageneinfahrt in Cloudcroft, New Mexico. Auf den hat er "Southwest Institute for Space Research" gepinselt - Institut für Weltraumforschung, das klingt eindeutig besser als: Astronom ohne Job, was die Wahrheit wäre. (Männer halt.) Als Hale nach einer Stunde sicher ist, dass der Fleck im Schützen sich wirklich bewegt, schickt er eine Mail mit den Koordinaten des neu entdeckten Gestirns an die Internationale Astronomie-Union. So ist es üblich bei den Sternenguckern. Auch seine Frau weckt er: "Eva, willst du mal den Kometen Hale sehen?" Evas Reaktion hat er lieber nicht überliefert.

Bopps Komet

In derselben Nacht nimmt auch Thomas Bopp, 47, in der Wüste von Arizona das Sternbild Schütze ins Visier. Ein Institut zu erfinden, das hat er nicht nötig. "Ich mache nicht viel", sagt er über sich selbst. Tagsüber leitet er ein Ersatzteillager für Teermaschinen und Betonmischer, und abends schaut er in den Himmel. Was der wandernde Fleck bedeutet, ist ihm sofort klar. Auch Bopp will ihn der Fachgesellschaft melden, sein Telefon findet aber in der Wüste kein Netz. Nicht mal am Truckstop, 20 Meilen weiter. Dort könnte man zwar ein Telegramm wegschicken, aber - es ist zum Haareraufen! - keiner bekommt die Adresse raus. Erst zu Hause kann Thomas Bopp endlich die Nachricht absetzen. Stunden nach der Mail von Alan Hale.

Er hat Glück. Am nächsten Tag stellt die Astronomie-Union an Hand der gemeldeten Uhrzeiten fest: Beide haben den Kometen gleichzeitig entdeckt. Der nähert sich jetzt rasch der Sonne und ist bald auf der ganzen Nordhalbkugel der Erde sichtbar. 18 Monate lang können so viele Menschen wie nie zuvor einen Kometen bewundern, seinen gleißend hellen Schweif und einen etwas schwächeren blauen. Der Höhepunkt ist am 22. März 1997. Da kommt "Hale-Bopp", wie er längst genannt wird, der Erde auf seiner Bahn am nächsten. Heute ist er schon lange wieder auf der Reise ins Äußere des Sonnensystems. Zurück kommt er übrigens erst wieder im Jahr 4419. Bestimmt fahrplanmäßig - Gestirne haben keine Verspätung.


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