Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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18. Dezember 1878 "Blindekuh" von Johann Strauss (Sohn) uraufgeführt

Johann Strauß Sohn, der Walzerkönig war erfolgsverwöhnt. Seine Operette "Blinde Kuh" allerdings war ein Reinfall. "Muh!" Autorin: Isabella Arcucci

Stand: 18.12.2018 | Archiv

18 Dezember

Dienstag, 18. Dezember 2018

Autor(in): Isabella Arcucci

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Wenn sich das alte Jahr dem Ende zuneigt, denken viele mit Bangigkeit an das Neue. Nichts als Krisen– wozu feiern? Manch einer geht an Sylvester deshalb lieber gleich früh und demonstrativ ins Bett – andere gehen in "Die Fledermaus"! Die Operette von Johann Strauss Sohn gehört zum Jahreswechsel wie Bleigießen und Feuerwerk. Wiener Schmäh at its best. Eine herzige Verwechslungskomödie mit viel Walzerwonnigkeit und ein Graus für all jene, die lieber mit Karthäusermönchsmiene fünf Stunden im Nibelungenring sitzen. Wer aber nach "Der Fledermaus" nach mehr lechzt, der wird bei der Fernsehübertragung des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker erneut mit zuckrigen Walzerklängen von Vater und Sohn Strauss ergötzt. Und mit etwas Glück sendet das Erste Programm hernach noch die Verfilmung der K&K-Operette "Die Försterchristel". Darin hält ein unschuldiges Bürgermädel den Kaiser Franz-Joseph für einen Wilderer. Famos! Diesen Sums hat sich zwar kein Strauß ausgedacht, sondern der weniger bekannte Ungar Georg Jarno, aber wurscht! Jetzt ist man schon so schön in Stimmung! Und wenn die Christel sich im Walzerschritt in Kaiser Franz-Josephs Armen wiegt und tiriliert "Herr Kaiser, Herr Kaiser, Du liebe Majestät…", dann ist es da, das alte Wien und das Neue Jahr mit allen Krisen schon vergessen.

Die "goldenen Zeiten" des "goldenen Schani"

Dabei hatte die echte K&K-Zeit nix von heiler Operettenwelt sondern vor allem: Krisen und Skandale. Und der Kaiser? Na, so eine "liebe Majestät" war der auch nicht, sondern ein Monarch alter Schule, der mit Militärmärschen mehr anfangen konnte, als mit Walzerklängen. Und Johann Strauss Sohn, der Komponist von Wiener Blut und dem Kaiserwalzer, der war ihm zunächst auch suspekt. Schließlich hatte der "Schani" 1848 mit den Revolutionären sympathisiert und statt Walzern Barrikadenlieder komponiert! Das war aber Gott sei Dank nur eine Phase. Der Schani wollte schließlich Erfolg haben und dereinst so herrlich vergoldet im Wiener Stadtpark stehen, wie er dort heute zu bewundern ist. Also bemühte er sich schon bald wieder nach Kräften um die Gunst des Kaisers und komponierte fesche Märsche, schwungvolle Walzer und zuckrige Operetten – kurzum: den Soundtrack der K&K-Monarchie. Damit wurde er schon zu Lebzeiten ein internationaler Musikstar und reicher Mann.

Ein Misserfolg für den Walzerkönig

Schwere Schicksalsschläge und Misserfolge gab es für Johann Strauss freilich auch. Privat wie beruflich. Auf den Tod seiner ersten Frau Jetty Treffz folgte ein musikalischer Reinfall. Strauss‘ Operette "Blinde Kuh" wurde am 18. Dezember 1878 im Theater an der Wien uraufgeführt – und nach nur wenigen Vorstellungen schleunigst wieder abgesetzt. Heute wird nur mehr ab und zu die Ouvertüre dieses Werks zu Gehör gebracht. Die "Blinde Kuh", dieser wohl größte Misserfolg des goldenen Schani, endet mit den Worten "Muh, muh, muh", was selbstverständlich Wasser auf die Mühlen sämtlicher Operetten-Verachter ist. Die Operette: naive Realitätsflucht und zuckriger Kitsch? Ja, warum auch nicht? Das findet zumindest kein Geringerer als Star-Dirigent Christian Thielemann. Er erklärte in einem Interview, ab und an bekomme man ja auch Lust auf Cola. Und Operette, das sei eine sehr edle Cola. Na dann: Prosit Neujahr!


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