Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. April 1935 "Black Sunday" - Staubsturm in den USA

In den 1930er Jahren waren in Nordamerika große Teile der Great Plains, der Großen Ebenen von Dürren und verheerenden Staubstürmen betroffen. Die Rodung des Präriegrases zur Urbarmachung, die Ausrottung der Bisons und die Vertreibungen der Urbevölkerung mit ihrer nomadischen Lebensweise hatten fatale Auswirkungen. Autorin: Ulrike Rückert

Stand: 14.04.2023 | Archiv

14 April

Freitag, 14. April 2023

Autor(in): Ulrike Rückert

Sprecher(in): Irina Wanka

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Dr. Frank Halbach

Am Palmsonntag ging die Sonne an einem wolkenlosen Himmel auf. Die Luft über den Great Plains, den Großen Ebenen Nordamerikas, war klar und mild.
North Dakota allerdings fröstelte unter einem Schub kalter Luft aus Kanada. Heftiger Wind wirbelte trockene Erde von den Feldern auf und trieb sie nach Süden. Die Staubwolke fegte über South Dakota und Nebraska und wurde dabei immer größer und dichter.

Staubiges Armageddon

In Kansas war es am frühen Nachmittag sommerlich warm, alle Welt tummelte sich im Freien. Plötzlich flohen die Vögel kreischend nach Süden, und dann erschien eine kohleschwarze Wand am Horizont und raste heran, eine brodelnde Masse, himmelhoch. Wie eine Monsterwelle überschlug sie sich und schäumte gleich neu auf. Minuten später hüllte Finsternis alles ein, man sah buchstäblich die Hand vor den Augen nicht. Wer es nicht ins Haus geschafft hatte, den warf der Wind zu Boden. Blind und halb erstickt krochen Menschen in ihrem eigenen Hof herum und fanden die Türschwelle nicht.

Im "schwarzen Blizzard" am 14. April 1935 glaubten viele, das Ende der Welt sei gekommen. Eine Frau war nahe daran, ihr Baby umzubringen, um es vor den Schrecken von Armageddon zu bewahren. Und dabei waren Sandstürme für die Menschen der Great Plains schon zum Alltag geworden.
In zwei Jahrzehnten hatten sie die Prärie in Weizenfelder verwandelt. Aber das Grasland hatte den wiederkehrenden Dürren in diesem Landstrich widerstanden, der Weizen dagegen hatte keine Chance, als Anfang der Dreißigerjahre der Regen ausblieb. Die ausgetrocknete Erde lag bloß, die Sandstürme begannen und nahmen von Jahr zu Jahr zu.

Im Frühjahr 1935 folgte einer dem andern, und auch zwischen den Stürmen blies der Wind Sand herum. Kansas, Oklahoma und Texas sahen sechs Wochen lang keinen klaren Tag.
Die Menschen lebten in einem beständigen Halbdunkel. Sand war überall, er brannte in den Augen, nahm den Atem und knirschte beim Essen zwischen den Zähnen. Kinder starben an Staublunge.

"Dustbowl"

Palmsonntag war seit langem der erste windstille, sonnige Tag – und endete als "Black Sunday". Als die Staubwalze mit ungebremster Wucht nach Oklahoma und Texas hineinrollte, war sie tausend Meilen breit, ihre Ausläufer reichten bis zu den Rocky Mountains im Westen und dem Mississippi im Osten. Sie ermüdete erst, als sie sich gegen Morgen dem Rio Grande näherte.

"Black Sunday" war ein traumatischer Höhepunkt, aber längst nicht das Ende dieser menschengemachten Katastrophe. Sie dauerte elf Jahre und war doppelt verheerend im Zusammentreffen mit der Weltwirtschaftskrise. Zweieinhalb Millionen Menschen verließen ihre Heimat. Die obdachlosen Wanderarbeiter aus der "Dustbowl", der "Staubschüssel", mit ihren überladenen Autos und zerlumpten Kindern prägten das Bild dieser Ära in Amerika.

Um die Landwirtschaft vom Regen unabhängig zu machen, begann man, die Felder aus einem gewaltigen Grundwasser-Reservoir zu bewässern. Nach Jahrzehnten intensiver Nutzung ist es bedrohlich geschrumpft, und der Klimawandel brachte Dauerdürre und Staubstürme zurück. Die "Dustbowl" ist nicht nur Vergangenheit.


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