Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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14. September 1993 Berlin erwirbt den Nachlass von Marlene Dietrich

Glamourös, einzigartig, hochgelobt und dann wieder wild kritisiert: Marlene Dietrich rief jede Reaktion bei ihrem Publikum hervor, aber so gut wie nie gar keine. Als sie nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, war nicht klar, wie sie die Menschen hier aufnehmen würden. Autorin: Justina Schreiber

Stand: 14.09.2022 | Archiv

14 September

Mittwoch, 14. September 2022

Autor(in): Justina Schreiber

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Sie fürchtete nicht viel. Aber was Marlene Dietrich angeblich fürchtete, war, dass die Deutschen ihren kostbaren Schwanenmantel mit Eiern oder Tomaten bewerfen könnten. Denn mit ihren Sachen trieb sie Kult. Und der Empfang, den man der Chansonsängerin bereitete, als sie 1960 erstmals nach ihrer Emigration in die USA wieder in Deutschland auftrat, erwies sich als durchwachsen. Nahm man ihr doch tatsächlich übel, dass sie während des Zweiten Weltkriegs als Alleinunterhalterin die amerikanische Truppenmoral gestützt hatte. Im Kampf gegen die Nationalsozialisten, zu denen jetzt niemand mehr gehört haben wollte!

Nicht wirklich welcome back

Insofern kam es auch einer Wiedergutmachung gleich, als die Stadt Berlin am 14. September 1993, ein gutes Jahr nach Marlene Dietrichs Tod, große Teile ihres Nachlasses erwarb: Kleider, Drehbücher, Briefe, Kostümentwürfe, Schmuckstücke, Möbel, Reisegepäck, Korrespondenzen, Verträge, Autogrammkarten, darunter ein Foto vom Schriftsteller Ernest Hemingway mit der Widmung: "for my deariest kraut with all my love". Mehrere Millionen Euro (und noch mehr Mark) kostete das umfangreiche Material, das nun bis in ferne Zeiten vom Ruhm und Glanz der Hollywood-Diva erzählt.  Zur "Marlene Dietrich Collection", die sich heute im Berliner Filmmuseum befindet, gehören allein 400 Hüte und 430 Paar Schuhe!

Jede Menge Zeug

Äußerlichkeiten schienen fast alles im Leben der androgynen Stilikone gewesen zu sein. Aber der Eindruck trügt. Um wie die Dietrich zum Mythos zu werden, brauchte es mehr als - logisch:
Talent und Klamotten von Dior oder Givenchy ... Geschäftssinn sicherlich, aber vor allem eine klare innere Haltung. Ein Star, der sein Fähnchen nach der öffentlichen Meinung richtet, kann auf lange Sicht nämlich nur verlieren. Was wäre wohl aus der unbekannten Filmschauspielerin geworden, wenn sie darauf verzichtet hätte, 1930 als "Blauer Engel" Lola Lola sehr viel Bein zu zeigen? Moralaposteln konnte es die Frau mit der verführerisch tiefen Stimme eh nie recht machen.

Zeigte sie mehr Haut als "erlaubt", war die Empörung groß. Ließ ihr Outfit überhaupt keine weiblichen Konturen mehr erahnen, fiel die Reaktion auch nicht besser aus. Egal!! Hauptsache, sie setzte Trends, etwa mit der burschikosen Marlene-Hose. Ihre maßgeschneiderten Herrenanzüge, die verruchten Federboas: all das wird also mittlerweile hochoffiziell vor dem Verfall bewahrt. Sogar die anrüchigen Fast-Nacktkleider, nur mit Pailletten und Perlen besetzte "Nichtse". Und darüber kam dann als Bühnenmantel dieser irre Schwanenpelz. Das - wie es heißt - "glamouröseste Kleidungsstück der Welt" aus Brustdaunen von Schwänen mit einer drei Meter langen Schleppe, zählt heute zu den "nationalen Kulturgütern Deutschlands". Als wollte sich die ehemalige Heimat des internationalen Stars auch ein wenig mit fremden Federn schmücken. Aber mal ehrlich, ohne Marlene sind ihre Hüllen letztlich nichts Anderes als ziemlich teure Klamotten.


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