Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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26. Februar 1948 Augsburger Puppenkiste eröffnet

Untergebracht im historischen Heilig-Geist-Spital in der Augsburger Altstadt ist sie wohl das berühmteste Marionettentheater Deutschlands: Die Augsburger Puppenkiste. Autorin: Anja Mösing

Stand: 26.02.2021 | Archiv

26 Februar

Freitag, 26. Februar 2021

Autor(in): Anja Mösing

Sprecher(in): Krista Posch

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Die Fäden? Na klar haben wir die gesehen! Zumindest am Anfang. Denn die Fäden, die glitzerten ja manchmal so ein bisschen im Licht…

Doppelt verpackt!

Am Anfang, das heißt: nachdem wir gespannt zugeschaut hatten, wie sich im Fernsehen ganz langsam diese beiden großen, hölzernen Klappen geöffnet haben. Klappen wie von einer schweren Transportkiste. Die ganze Mattscheibe füllten die aus.

Und schräg über beide Klappen hinweg waren zwei Wörter gedruckt, in dicken Buchstaben. Aber da stand nicht: Vorsicht zerbrechlich! oder: Hier oben! Die beiden Wörter auf der Holzkiste im Fernsehen hießen: Augsburger Puppenkiste. Das konnten wir damals schon lesen, mit sieben oder so.

Und das Tolle war: dann kam noch eine Verpackung: Ein kleiner, samtener Vorhang. Und erst wenn der sich geteilt hatte, dann konnten wir sie sehen, die bunten Marionetten an ihren vielen Fäden.

Da gab es Tiere, die sprechen konnten, wie das Hausschwein Wutz, das sich immer sorgte, um sein Urrrrrrrmellliiiiiii, so ein frecher, kleiner Baby-Drache, der seinen Schnuller an einer Kette um den Hals trug. Er war noch im Ei zu den anderen Tieren gekommen, gefroren in einem Eisberg! Wenn Urmel mitgespielt hat, müssen sogar 22 Fäden geglitzert haben. An denen wurde diese Figur bewegt. Aber das haben wir gar nicht beachtet. Wir waren im Nu gebannt von ihm und seinen sprechenden Tier-Freunden. Das Beste war, alle hatten Sprachfehler: Wie Ping Pinguin, der dringend eine eigene "Mupfel" haben wollte. Jahrelang haben wir noch Sätze aus der Puppenkiste gerufen, wann immer es passte: "Geh sofort aus meiner Mupfel", wenn jemand auf dem eigenen Platz saß, oder:"Öch bön so trauröch" wenn jemand schlecht drauf war.

Aber egal, ob Urmel, Jim Knopf, Kater Mikesch oder Don Blech, unsere Lieblingshelden waren. Für alle Fans gleich wichtig war: das Puppenkisten-Meer! Zarte, schimmernde Plastikfolie, die sich bauschend auf und ab plusterte. Das waren die schönsten Wellen überhaupt!

Altehrwürdige Puppenkiste

Und all das fand im Inneren dieser großen Augsburger Puppenkiste statt! Dachten wir. Da hatten die Fernseh-Produzenten des Hessischen Rundfunks ganze Arbeit geleistet. Dass Augsburg der Name einer richtig echten Stadt in Schwaben ist, das haben ARD-Fernsehkinder aus anderen Bundesländern oft erst Jahre später erfahren. Und gestaunt.

Und wer sich später, als Erwachsener, in Augsburg auf die Suche nach der Puppenkiste gemacht hat, musste oft wieder staunen: Da steht kein cooler Betonbau aus den 1960ern, wie er für uns zur pfiffigen Kinderunterhaltung von damals gepasst hätte. Das Haus der Puppenkiste stammt aus dem 17. Jahrhundert und ist eigentlich das Heilig-Geist-Spital. Es hat dicke Mauern und einen großen Saal, überspannt von mächtigen Kreuzgewölben auf dicken Pfeilern. Genau diese Wuchtigkeit hat das uralte Gebäude wohl durch den Zweiten Weltkrieg gerettet. Ein Glück für Walter Oemichen. Er durfte hier am 26. Februar 1948 seine Augsburger Puppenkiste eröffnen. Gespielt wurde "Der gestiefelte Kater". Und tatsächlich verschließen hier heute noch zwei riesengroße Kistendeckel den Guckkasten seiner weltberühmten Marionettenbühne.


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