Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. Dezember 1967 Geheimnis von Newgrange entdeckt

Der Grabhügel von Newgrange aus der Jungsteinzeit hat einen fast 20 Meter langen niedrigen Gang, der zu einer Grabkammer führt. Im Morgengrauen des 21. Dezembers 1967 erlebte der Archäologe Michael O`Kelly dort eine Überraschung. Autorin: Julia Devlin

Stand: 21.12.2017 | Archiv

21 Dezember

Donnerstag, 21. Dezember 2017

Autor(in): Julia Devlin

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Da stand doch in Newgrange in Irland seit Menschengedenken ein seltsamer Hügel, mit Bäumen bestanden und von Brombeeren überwuchert. Und wie so oft bei Hügeln, von denen man ahnte, dass sie nicht auf natürlichem Wege entstanden waren, rankten sich Legenden darum. Man raunte, es sei der Begräbnisplatz der Könige von Tara. Oder das Volk der Göttin Danu habe hier seinen Sitz gehabt.

Älter als die Pyramiden

Im 18. Jahrhundert entdeckte man hinter einem verschütteten Eingang einen schmalen, dunklen Gang, der in eine Kammer führte. Dort fand man Skelette, Tierknochen, Scherben. Auch schöne Ornamente in den Stein gemeißelt, Spiralen, Kreise, Dreiecke. Wohl ein Hügelgrab. Doch wer hatte es errichtet, und warum? 1962 machte man sich daran, das geheimnisvolle Monument systematisch zu erforschen, unter der Leitung des irischen Archäologen Michael O`Kelly. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode wurde das exakte Alter der Anlage ermittelt. Das sensationelle Ergebnis: Newgrange wurde mehr als 3.000 Jahre vor Christus gebaut, in der Jungsteinzeit. Mindestens so alt wie Stonehenge, älter gar als die Pyramiden.

Aber sein größtes Geheimnis gab der Hügel erst 1967 preis. Etwas hatte O'Kelly keine Ruhe gelassen. Eine Geschichte, die ihm die Bauern aus der Umgebung immer wieder erzählt hatten: Dass nämlich die aufgehende Sonne gelegentlich ihr Licht auf die drei Spiralen werfen würde, die in die Wand der unterirdischen Kammer gemeißelt waren. Niemand hatte das je mit eigenen Augen gesehen, doch O'Kelly kam ins Grübeln. Immerhin lag die Öffnung nach Südosten, wo im Winter die Sonne aufgeht. War am Ende etwas dran an dem Gerede? Und so begab sich O'Kelly im Morgengrauen des 21. Dezember 1967, zur Wintersonnwende, in den unterirdischen Raum.

Archäologie und Ehekrise

Er stand dort frierend im Dunkeln und fragte sich, ob sich dieses Unternehmen wirklich gelohnt hatte. Immerhin hatte er eine Ehekrise riskiert - einfach weggefahren, drei Tage vor Weihnachten. Doch da wurde er Zeuge eines wunderbaren Schauspiels. Um zwei Minuten vor neun fielen die Strahlen der aufgehenden Wintersonne in den Eingang, erst schmal wie ein Bleistift, dann immer breiter, und wanderten weiter den Gang hinunter, bis sie schließlich den Boden der Kammer erreichten, den Raum mit hellem Licht füllten und die drei Spiralen an der Wand erleuchteten. Schon wenige Minuten später wurde der Lichtstrahl wieder schmäler und zog sich zurück, und um viertel nach neun war alles wieder in tiefste Dunkelheit gehüllt wie zuvor. Kaum siebzehn Minuten hatte alles gedauert. Mit zitternden Knien tastete O'Kelly sich nach draußen.

Die Entdeckung heizte die Diskussionen um Newgrange noch mehr an, seine kalendarischen, kultischen und astronomischen Funktionen. Doch zwei Dinge können als gewiss gelten: Dass die Welt staunenden Respekt empfand vor den Erbauern. Menschen, die vor fünftausend Jahren mit einer solchen Präzision das Licht der wiedererstarkten Sonne einzufangen verstanden. Und dass dem Archäologieprofessor Michael O'Kelly der Plumpudding noch nie so gut geschmeckt hat, wie am Weihnachtsabend 1967.


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