Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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21. Januar 1980 Chinesische Mauer unter Denkmalschutz

Fast 2.000 Jahre lang bauten ungezählte Menschen an die Chinesische Mauer hin. Als sie fertig war, fing sie längst schon wieder an zu verfallen. Höchste Zeit, sie endlich unter Denkmalschutz zu stellen - am 21. Januar 1980 war es so weit.

Stand: 21.01.2011 | Archiv

21 Januar

Freitag, 21. Januar 2011

Autor: Herbert Becker

Sprecher: Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Mit Neuschwanstein ist es so ähnlich wie mit der Chinesischen Mauer: Die Errichtung des Bauwerks war für die Bevölkerung zuerst einmal eine enorme Belastung; später erwies es sich als Sehenswürdigkeit ersten Ranges und somit als äußerst willkommene Einnahmequelle.

Damit sind die Gemeinsamkeiten zwischen dem Schloss und der Mauer aber auch schon so ziemlich erschöpft. Die chinesische Mauer ist - bei aller Liebe zu Neuschwanstein - einfach ein paar Nummern größer. Freilich: Dass man sie als einziges Bauwerk der Erde vom Weltall aus sehen könne, ist eine Mähr. In den Badaling-Hügeln, also auf dem häufig fotografierten Abschnitt, in dem sie sich so imposant bergauf, bergab windet, ist sie zwischen sieben und acht Metern breit, das ist vom Weltall aus betrachtet nicht einmal ein Seidenfaden. Da sähe man, wenn schon, noch eher Neuschwanstein. Oder die Autobahn München - Nürnberg.

Aber bitte: wo fängt das Weltall an und wo hört es auf? Man weiß es nicht. - Das ist jetzt wieder eine gewisse Gemeinsamkeit des Alls mit der Chinesischen Mauer; bei der kann man auch nicht genau sagen, wo sie anfängt und aufhört. Früher hieß es, sie sei 4.247 Kilometer lang, heute ist offiziell von 8.851,8 Kilometern die Rede, und ihr chinesischer Name Wan Li Changcheng legt noch einmal andere Ausmaße nahe. Ein Li nämlich ist ein Längenmaß, das 575 1/2 Metern entspricht, "Wan" heißt zehntausend, "Chang-cheng" Mauer. Demnach zöge sie sich über 5.755 Kilometer hin. Allerdings ist "Wan" auch ein Wort, das - etwa so wie unsere Myriade - "unzählbare viele" bedeutet. Mit anderen Worten: Die Mauer ist unvorstellbar lang - so, wie das All unvorstellbar groß ist.

Wie viele Menschen daran mitgewirkt haben, das gigantische Werk zu errichten, wie viele dabei zu Tode gekommen sind, wie viel Geld es gekostet hat, all das kann niemand sagen. Fest steht, dass sich die Arbeiten über nahezu zwei Jahrtausende hingezogen haben. Der erste Kaiser, Qin Shihuangdi, ließ ältere Mauern, die Kleinstaaten voneinander trennten, abreißen, aber auch Teile von ihnen in eine größere - seine - Mauer einbeziehen. Diese sollte dazu dienen, die weiter nördlich ansässigen Völkerschaften vom Eindringen in sein Reich abzuhalten. Spätere Dynastien bauten an ihr weiter, besserten sie aus, verstärkten und veränderten sie. Oder ließen sie verfallen. Große Abschnitte gingen verloren, weil man sie als Steinbruch benutzte, und inzwischen befinden sich nur noch gut fünfhundert Kilometer in vorzeigbarem Zustand. Um ihrer weiteren Zerstörung Einhalt zu gebieten, wurde die Chinesische Mauer am 21. Januar 1980 unter Denkmalschutz gestellt. 1987 erklärte die UNESCO sie zum Welterbe - und 2007 wurde sie im Rahmen einer privaten Initiative in die Liste der neuen sieben Weltwunder gewählt.

Neuschwanstein fiel bei diesem Wettbewerb durch. Trotzdem, eine Parallele gibt es noch zwischen der chinesischen Mauer und dem bayerischen Schloss. Ebenso wie Kaiser Qin Shihuangdi fremde Völkerscharen fernzuhalten hoffte, wollte König Ludwig II niemandem Zutritt zu seinem Schloss erlauben. Beider Wünsche blieben unerfüllt. Vor Neuschwanstein bilden sich alljährlich in der Saison die vielleicht längsten Menschenschlangen Bayerns - so lang, dass man sie möglicherweise sogar vom Weltall aus sieht.


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