Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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15. Juli 1854 Industrieausstellung im Münchener Glaspalast

Glaspalast und Lokomotiven: Am 15. Juli 1854 eröffnete die Erste Allgemeine Deutsche Industrieausstellung in München. Doch dass zu einer modernen Stadt auch eine Kanalisation gehörte, bedachte man noch nicht. Prompt kam die Quittung.

Stand: 15.07.2011 | Archiv

15 Juli

Freitag, 15. Juli 2011

Autor(in): Yvonne Maier

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

König Max II. von Bayern hatte große Pläne. Er wollte eine Industrieausstellung haben. Gut, die Idee war nicht ganz neu. Schon die großen Weltstädte Paris, London oder New York hatten eine gehabt. Und auch im deutschen Sprachraum hatte es in Mainz, Berlin, Wien und Leipzig schon welche gegeben. Doch Mitte des 19. Jahrhunderts schien noch Platz für eine weitere, noch größere Industrieausstellung zu sein, für die "Erste Allgemeine Deutsche Industrieausstellung", um genau zu sein. Wichtig für Wirtschaft und König und nebenbei wollte Max II. München als Wirtschafts- und Messestandort etablieren.

Der König hatte auch genaue Vorstellungen zum Ausstellungsgebäude. Ein Glaspalast sollte es sein, ein spektakulärer Bau ganz aus Glas und Stahl. Zugegeben, auch diese Idee war nicht ganz neu. Die Londoner hatten sich 1851 für ihre Industrieausstellung auch schon mal einen "Crystal Palace" von einem Gartenarchitekten in den Hyde Park stellen lassen. Abgeschaut oder nicht - so einen wollte König Max II. jedenfalls auch. Nach sechs Monaten stand der Glaspalast im Norden des Alten Botanischen Gartens nahe dem Stachus. Mitten drin im Grün.

Und dann - am 15. Juli 1854 öffnete die Erste Allgemeine Deutsche Industrieausstellung ihre Pforten. Und was für eine Ausstellung das war! Über 6.500 Aussteller - beinahe so viele wie bei der New Yorker Schau! - zehntausende Besucher angekündigt, darunter gekrönte Häupter! Zu sehen gab es fast alles: Klaviere, Webmaschinen, Schnellzuglokomotiven. Der Glaspalast öffnete den Blick auf ein modernes Bayern, wie man es in so konzentrierter Form vorher noch nie gesehen hatte - und auch nur kurz zu sehen bekam. Denn die Schau fand ein abruptes Ende.

Drei Tage nach dem furiosen Ausstellungsbeginn: Im Rahmen des begleitenden Kulturprogramms spielt das Münchner Hoftheater "Faust". Während des Spiels bricht plötzlich ein Schweizer Besucher zusammen. Cholera. Die Seuche ist in der Stadt. Und das im herausgeputzten München auf dem Weg in die Moderne, voller Gäste, voller neuer Technik und Architektur und - ohne funktionierendes Abwassersystem, von einer Kanalisation ganz zu schweigen. Erbarmungslos griff die Cholera um sich. Bis zu einem Temperatursturz Ende August starben knapp 3.000 Menschen. München ist blamiert.Max II. ist blamiert.

Zum Glück hatte der König schon Jahre vorher einen der besten Köpfe seiner Zeit an die Ludwig-Maximilans-Universität gelockt: Max Pettenkofer, seines Zeichens Chemiker. Auch er erkrankte an der Seuche und wurde nach seiner glücklichen Genesung Mitglied in der "Commission für wissenschaftliche Erforschung indischer Cholera". Sein Ergebnis: Es liegt an der Ernährung, dem Trinkwasser, der Kleidung und Körperpflege, an der Luft und am Boden. 800 Kleinschlachtereien der Stadt, die das Grundwasser verunreinigten, wurden geschlossen und durch einen zentralen Schlachthof ersetzt. Neue Trinkwasserquellen wurden erschlossen. Pettenkofer bestand auf eine Kanalisation - doch der Stadtverwaltung war das zu teuer. Es brauchte eine weitere Cholera-Epidemie im Jahr 1873, diesmal starben 362 Münchner, erst dann konnte sich Max Pettenkofer mit dieser entscheidenden Maßnahme zur Sicherung der Trinkwasserqualität durchsetzen.

Der Ersten Allgemeinen Deutschen Industrieausstellung halfen diese Maßnahmen freilich nicht mehr. Mit dem Ausbruch der Cholera verließen die Messegäste fluchtartig die Stadt. Die Straßen waren wie ausgestorben, der Glaspalast stand einsam und verlassen. Ihn gibt es schon lange nicht mehr - 1931 fiel er einem Brand zum Opfer. Sein Vorbild, der Londoner Crystal Palace, brannte übrigens nur fünf Jahre später ab.


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