Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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10. Juni 1190 Friedrich Barbarossa ertrinkt im Fluss Saleph

Nicht schön, wenn man in heiliger Mission ertrinkt. Wenn man zersägt und gekocht wird. Und wenn dann jede Spur von den Einzelteilen fehlt? Dann macht man das Beste draus und ist gar nicht tot - zumindest wenn man mal legendärer Kaiser war. Autorin: Julia Devlin

Stand: 10.06.2015 | Archiv

10 Juni

Mittwoch, 10. Juni 2015

Autor(in): Julia Devlin

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Angela Smets

Redaktion: Farnk Halbach

Ein Kreuzzug ist keine Vergnügungsfahrt. Das wusste auch Kaiser Friedrich Barbarossa. Denn er hatte als junger Mann schon einen mitgemacht. Trotzdem entschloss er sich, im vorgerückten Alter von siebzig Jahren noch einmal gen Jerusalem zu ziehen. Er führte ein Heer von 15.000 Kreuzfahrern von Regensburg über Wien ins Byzantinische Reich. Über ein Jahr waren sie schon unterwegs, als sie im Frühsommer 1190 Kleinasien erreichten. Einige Tage zog das Heer den Fluss Saleph entlang und quälte sich durch die schwüle Hitze.
Dann, am 10. Juni 1190, passierte die Katastrophe. Der greise Kaiser ertrank im Fluss.

Rätsel und Legenden

Wie sich das Unglück tatsächlich abspielte, weiß man nicht genau. Nahm Barbarossa ein Bad, um sich abzukühlen? Hatte er versucht, den Fluss zu überqueren? Trieb ihn die Strömung fort? Starb er sofort oder erst einige Stunden später? Schon kurz nach Barbarossas Tod kursierten die verschiedensten Versionen, wie der greise Kaiser ums Leben kam.

Und Legenden begannen sich auch um seine sterblichen Überreste zu ranken. Denn die nahmen einen wahrlich seltsamen Fortgang. Barbarossas Leichnam wurde im nächsten Ort ausgenommen und mit Salz eingerieben, um in der Hitze transportfähig zu sein. Drei Wochen später wurde er in Antiochia in Stücke zerschnitten und in Essigwasser gekocht, um das Fleisch vom Knochen zu lösen. Das Fleisch wurde in der Kathedrale beigesetzt. Die Knochen hingegen wurden mit dem Kreuzfahrerheer weiter bis Tyrus im Libanon geführt. Dort verliert sich ihre Spur. Und so wurden weiter Legenden gesponnen. Beispielsweise, dass Barbarossa gar nicht tot wäre, sondern im Inneren eines Berges schliefe.

Bergentrückung

Diese Legenden hielten sich munter bis in die Neuzeit. Im neugegründeten Deutschen Reich avancierte der Staufer mit dem roten Bart zur Heilsgestalt.
Denn:

Er war ein Vorfahr der Hohenzollern. Er hatte ein zersplittertes Reich zusammengeführt und mit eiserner Hand regiert. Er hatte den Päpsten Paroli geboten und siegreich Kriege geführt. Fürwahr ein würdiger Vorläufer von Bismarck und Kaiser Wilhelm. Deshalb entsandte der Eiserne Kanzler 1874 eine Expedition in den Libanon, um Barbarossas sterbliche Überreste zu finden und in den Kölner Dom zu überführen, als nationale Reliquien. Tatsächlich befand sich in Tyrus die Ruine einer alten Kathedrale, von der man vermutete, dass dort Barbarossas Knochen beigesetzt worden waren. Aber man fand das Grab nicht.

Des Kaisers Knochen blieben verschollen. Das tat seiner Wirkung als Sehnsuchtsfigur aber gar keinen Abbruch - im Gegenteil. So konnte man ihn um so mehr in einem unterirdischen Schloss vermuten, nicht tot, sondern nur schlafend, auf den passenden Augenblick wartend, hervorzukommen und nach dem Rechten zu sehen. Nur der respektlose Heinrich Heine durchschaute diese vaterländischen Sentimentalitäten und dichtete über Herrn Rotbart: "Das beste wäre, du bliebest zu Haus, hier in dem alten Kyffhäuser. Bedenk ich die Sache ganz genau, so brauchen wir gar keinen Kaiser."


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