Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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9. August 1940 Bagdadbahn eröffnet

Mit einer Eisenbahnlinie von Berlin nach Bagdad wollte das Deutsche Reich nach Asien vordringen, mitten ins Herz der Machtinteressen der großen Kolonialmächte. Nach langen Mühen und nach einem Weltkrieg wurde am 9. August 1940 doch noch die Bagdadbahn eröffnet.

Stand: 09.08.2011 | Archiv

09 August

Dienstag, 09. August 2011

Autor(in): Hans-Werner Gille

Sprecher(in): Andreas Wimberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

"... ich bin in Gefahr gewesen, Gefahr durch Flüsse, Gefahr durch Mörder, Gefahr unter Juden, Gefahr unter Heiden, Gefahr in den Städten, Gefahr in der Wüste ..."

Diese Zeilen aus dem Korintherbrief wären ein treffender Ausdruck für den Bau einer Bahnstrecke, die von vielen verspottet, gehasst, bekämpft und von ebenso vielen gefördert, geliebt, verteidigt wurde. Ein treffender Ausdruck auch für die Arbeit der Menschen, die an der Bahnlinie in Bergen und Schluchten, gegen Überfälle und Krankheit kämpfend, sich von einem Land ins andere voranmühend, Grenze um Grenze überwindend und allen klimatischen, geografischen und technischen Schwierigkeiten zum Trotz einem Traum Gestalt gaben, der etwas Märchenhaftes hatte und doch zugleich der Griff nach Macht und Beute war: der Bau der Bagdadbahn. Der Bau der Bahnstationen in Steppen, Dörfern und Städten, der Silos und Wasserbehälter, der Werkstätten und Signalanlagen und der endlos langen Schienenwege des Nahostexpress Berlin-Bagdad.

Mit der Bagdadbahn wollte das Deutsche Kaiserreich am internationalen Machtkampf um Erdöl und Einfluss im Nahen Osten teilnehmen. Russland hatte sich die Jahrhundertwende mit dem Bau des Transsibirien-Express den Weg nach Asien gebahnt; Frankreich hatte Indochina unterworfen, die englische Königin Viktoria schon Jahrzehnte zuvor den Titel "Kaiserin von Indien" angenommen - nun pochte Berlin auf gleiche Rechte beim Zugang zu den Schätzen Asiens.

Der Schienenweg führte über den Balkan bis nach Istanbul. Von der türkischen Hauptstadt ging es nach Konia und von dort durch das wild zerklüftete Kurdengebiet Diarbakir über Adana nach Aleppo. Von der syrischen Handelsmetropole wurden die Gleise weiter nach Mossul verlegt und erreichten schließlich in Bagdad ihr Ziel.

Bagdad, die heimliche Königin des Orients, seit alters her der Treffpunkt der Karawanen. Die Brücken über den Tigris führten Orient und Okzident zusammen. War Bagdad erreicht, sollte der Schienenweg noch bis tief in den Süden führen. Basra, die Hafenstadt Sindbad des Seefahrers am Persischen Golf, war als deutscher Flotten- und Handelsstützpunkt vorgesehen. Keiner machte sich richtig klar, was es bedeutete, wenn da ein verhältnismäßig kleines Reich sich anschickte, in die Interessengebiete der Riesen unter den Kolonialmächten einzudringen. Mit allen Mitteln wurde der Bahnbau vorangetrieben - und mit allen Mitteln bekämpften Engländer, Franzosen und Russen dieses "deutsche Nahostprojekt". Die Deutschen in der Nähe der Ölquellen am Persischen Golf, die Deutschen auf der Route, die nach Indien und in den Fernen Osten führte - das sollte unter allen Umständen verhindert werden, denn sonst wäre die gesamte Orientpolitik der Alliierten durchkreuzt worden.

Berlin nahm Warnungen auf die leichte Schulter. Berlin sprach vom guten Gewissen, von gleichen Rechten, von Geschäften und Arbeit und Fortschritt für zurückgebliebene Regionen. Keiner ahnte, dass der erste Spatenstich für diesen Bahnbau ein großer Schritt auf dem Weg zum Ersten Weltkrieg war. Als er 1914 ausbrach, war die Strecke fast fertig - nur ein paar Hundert Kilometer fehlten noch. Danach - in den 20er- und 30er-Jahren - wurde die Arbeit wieder aufgenommen, und am 9. August 1940 war es so weit:
Die Signale der Bagdadbahn wurden auf freie Fahrt geschaltet. Doch wieder zerstörte ein Krieg, was mit unendlichen Mühen und riesigen Kosten geschaffen worden war. 


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