16. Mai 1937 Die "Breslau-Elf" der deutschen Fußballnationalmannschaft gewinnt 8:0
Die deutsche Fußballnationalmannschaft geht bei den Olympischen Spielen in Berlin unter und Adolf Hitler sitzt im Fanblock. Der will nun alles anders. Die anderen aber nicht. Das Gerangel um den Trainerpost gewinnt schließlich Sepp Herberger. Seine "Breslau-Elf" wird legendär. Autorin: Susi Weichselbaumer
16. Mai
Donnerstag, 16. Mai 2024
Autor(in): Susi Weichselbaumer
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Redaktion: Frank Halbach
"Ich frage mich, was ich eigentlich zu tun habe!" - das fragt sich mancher mal. In diesem Fall war es Fußballlegende Sepp Herberger, 1936, legendär war er noch nicht. Aber neuer Reichstrainer. Denn: Der sogenannte Führer tobte. Desaströs war die deutsche Nationalmannschaft untergegangen bei den Olympischen Spielen in Berlin. Ein Propagandafest sollte es werden. Hitler ging zum ersten Mal zu einem Fußballspiel. Prompt fegten die Norweger die "Deutsche 11" in der Vorrunde vom Platz.
Alles anders, aber Chaos
Das „Fachamt Fußball im Reichsbund für Leibesübungen“ ist in Aufruhr: Man könnte Trainer Otto Nerz die Schuld zuschieben und öffentlichkeitswirksam seinen Assistenten befördern, eben Herberger. Auf gar keinen Fall opponiert Nerz. Doch, findet der genauso ehrgeizige Herberger. Das Reichsamt beschließt: Nerz soll - in Absprache mit uns - die Aufstellung machen und Trainingspläne erstellen, die setzt Herberger mit den Männern auf dem Platz um, quasi als Übungsleiter. Und dafür nennt sich Herberger fortan "Reichstrainer". "Ich frage mich, was ich eigentlich zu tun habe!", poltert der und sucht die nächste Gelegenheit, Nerz in die Schranken zu weisen. Der hat das gleiche mit Herberger vor. Bei einer gemeinsamen Banketteinladung schiebt Nerz dem Reichstrainer unter dem Tisch einen Zettel zu: Seine Aufstellung für das Länderspiel am 16. Mai 1937 in Breslau gegen Dänemark. Herberger streicht - unterm Tisch - Namen durch, ergänzt, schickt das Briefchen zurück. Nerz bessert nach, bis die stille Post der Politprominenz im Raum auffällt. Nerz knickt ein.
Auf nach Breslau
Herberger trommelt sein Team zusammen. Fußball ist Amateursport. Das "Fachamt Fußball" übernimmt keinen Verdienstausfall, nur Reisespesen. Jeder Spieler erhält ein Ticket mit Zugbindung. Für Anfahrten zum jeweiligen Bahnhof sind öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen. Und, so heißt es: "Von Ihnen sind mitzubringen: Strümpfe, Turnschuhe, Trainingsanzug und 2 in gutem Zustand befindliche Fußballstiefel."
Das Pflichtprogramm am Austragungsort: mittags zwei Stunden Bettruhe. Mit dem Bus ins Café Vaterland auf Einladung der Stadt Breslau. Zum Freundschaftsspiel zwischen Breslau 02 und Fortuna Düsseldorf. Anschließend kurz ins Varieté. Baldige Bettruhe. Am nächsten Tag Stadtrundfahrt mit den dänischen Gegnern und Anpfiff um 16 Uhr auf dem Hermann-Göring-Sportfeld. Vor 40.000 Zuschauern läuft Herbergers "Breslau-Elf" auf. Über dem Eingangstor steht als Veranstaltungsmotto: "Deutsche Jugend werde einig treu stark und hart."
Herberger arrangiert sich notgedrungen mit dem Nationalsozialismus. Hauptsache Fußball. Seine Strategie - „Angriffsspiel fließend, kurz und weit, in allen Variationen... festgefügter Abwehrblock! Jeder immer dabei!“ - geht auf. 8:0. Die Dänen sind am Abend vorher spät mit der Bahn gekommen und waren reichlich lange in der Oper.
In folgenden Länderspielen ist die "Breslau-Elf" abonniert auf Sieg. Doch nach dem Anschluss Österreichs 1938 will Hitler persönlich plötzlich eine entsprechend gemischte Aufstellung. "Ich frage mich, was ich eigentlich zu tun habe! ", tobt Herberger wieder. Die WM in Frankreich ist dahin. Auf sein "Wunder von Bern" muss der Trainer deshalb bis nach dem Nationalsozialismus warten.