Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. November 1798 John Fearn entdeckt das glückliche Nauru

Es gibt böse Märchen und wahre böse Märchen. Das Schicksal der Insel Nauru im Pazifik ist ein solcher wahr gewordener Albtraum. Begonnen hat er am 8. November 1798, als der britische Kapitän John Fearn die Insel entdeckte.

Stand: 08.11.2011 | Archiv

08 November

Dienstag, 08. November 2011

Autor(in): Thomas Morawetz

Sprecher(in): Krista Posch

Redaktion: Nicole Ruchlak

Der Pazifik. Unendliche Weiten. Die Morgensonne erwärmt das Deck des Walfangschiffs, da ruft der Ausguck: „Land in Sicht! Alle Mann an Deck!“ Niemand an Bord kann ahnen, was für eine verrückte Geschichte an diesem 8. November 1798 beginnt. An diesem Morgen entdeckt Kapitän John Fearn die Insel Nauru. Nauru: winzig, gerade mal 21 Quadratkilometer groß. Damals leben vielleicht 1.000 Nauruer auf dem Atoll, nette Menschen, findet Kapitän Fearn und tauft den winzigen Flecken Hoffnung in der blauen Ewigkeit - Pleasant Island, Angenehme Insel. Einst wird die angenehme Insel das reichste Land der Welt sein mit den übergewichtigsten Einwohnern. Aber das hat noch etwas Zeit.

Sündhaft teurer Vogelmist

Zuerst bekommen die netten Menschen von den Europäern nämlich Alkohol und Waffen und bringen sich damit gegenseitig um. Nur ein paar Jahrzehnte lang, dann wollen sie ihre Ruhe auf der Insel haben, die Europäer. Gerade teilen sie sich nämlich die Welt auf, und wie das so ist, wenn man erst mal was Eigenes hat, dann soll es ja ein bisschen schön sein… Nauru jedenfalls wird zunächst dem Deutschen Reich zugeschlagen, 1888, kolossal!, sagt der Kaiser.

So ein Mist! - finden dagegen die Briten, denn die haben inzwischen Wind bekommen von einer unglaublichen Entdeckung: Ein paar Jahre vorher hatte ein Australier am Strand von Nauru einen merkwürdigen Stein gefunden, wie versteinertes Holz. Den nahm er mit nach Sydney, wo er als Türstopper in einem Büro lag, bis er doch noch einem Angestellten auffiel. Der ließ ihn untersuchen, und - die Sensation! Der Stein war fast reines Phosphat. Jetzt war es raus: Ganz Nauru hat eine meterhohe Kruste aus Phosphat. Die hatten vor Jahrmillionen Seevögel - vornehm gesagt: angelegt, oder direkter: draufgekackt; über endlose Zeiten hin, immer im Anflug auf die Raststätte Nauru. Das Phosphat auf Nauru ist also nichts anderes als versteinerter Vogelmist und sündhaft teuer, denn er ist der in aller Welt heiß begehrte Guano-Dünger.

Vom Paradies zur Mondlandschaft

Den Deutschen selbst bleibt kaum noch Zeit, am großen Glücksrad in Nauru zu drehen. Ab dem Ersten Weltkrieg lassen dafür Briten, Australier und Japaner kräftig die Förderbänder rattern. Nur die Nauruer selbst haben vom ganzen Segen natürlich nichts.

Bis 1968, da wird die Insel endlich unabhängig und das Märchen vom glücklichen Nauru beginnt. Gemessen an der Bevölkerungszahl wird Nauru zum reichsten Land der Erde: keine Steuern, medizinische Behandlung gratis, herrliche Villen auf der Mini-Insel. Jeder Nauruer besitzt: mindestens ein Motorboot und 3-5 dicke Autos. Die fahren auf den rund 30 Kilometern Straße der Insel ständig im Kreis. Arbeitslosenquote? Gibt es nicht, wo sowieso keiner arbeitet, ist auch keiner arbeitslos.

Doch Ende der 1990er-Jahre passiert etwas Schlimmes auf der glücklichen Insel: Das Phosphat geht zu Ende. Freilich, gewusst hat man das schon lange, nur vorgesorgt hat man eben nicht. Stattdessen hat man das ganze Geld auf den Kopf gehaut, jetzt ist es weg, die Party ist aus.

Die Insel sieht dafür aus wie eine Mondlandschaft, und die Insulaner sind fett geworden und krank. 1997 schließen sie einen Vertrag mit dem Internationalen Diabetesinstitut ab. 20 Jahre lang wollen sie sich für Untersuchungen zur Verfügung halten. Der Vertrag soll ein bisschen Geld abwerfen, die Insel ist pleite. Und heute? Heute geht es eher wieder Richtung Fischfang für die inzwischen rund 14.000 Einwohner. Genauso wie damals, ganz am Anfang, als die Stimme vom Ausguck rief - Land in Sicht! Alle Mann an Deck!


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