Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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8. Juli 1899 Heinrich-Heine-Denkmal in der Bronx enthüllt

Ein würdiges Denkmal zu seinem 100. Geburtstag hätte Heinrich Heine in Düsseldorf bekommen sollen. Aber der kritische Dichter hatte zu seinen Lebzeiten zu viele geärgert. Am 8. Juli 1899 wurde sein "Loreley-Brunnen" tatsächlich enthüllt - im New Yorker Stadtbezirk Bronx.

Stand: 08.07.2011 | Archiv

08 Juli

Freitag, 08. Juli 2011

Autor(in): Thomas Grasberger

Sprecher(in): Ilse Neubauer

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Der Journalist ist immer ein rückwärts gekehrter Prophet - hat der österreichische Schriftsteller Karl Kraus einmal geschrieben. Einer, "der nachher alles vorher gewusst hat." Allerdings gibt es immer wieder Ausnahmen von dieser ehernen Rückwärts-Regel, die als publizistische A-posteriori-Klugscheißerei gern die Feuilletons und politischen Kommentarspalten füllt. Heinrich Heine ist so eine Ausnahme gewesen, was daran liegen könnte, dass Heine nicht nur Journalist war, sondern auch Dichter. Und vor allem ein deutscher Jude im 19. Jahrhundert, der trotz Konversion zum Christentum oft erfahren musste, was es bedeutet, einer verfemten Minderheit anzugehören. Was wiederum  ein Grund dafür gewesen sein dürfte, dass Heine, der als politischer Autor den preußischen Obrigkeitsstaat und seine Zensur satt hatte, im Jahr 1831 nach Paris auswanderte.

Wie so viele andere damals. Zwischen 1830 und 1848 gingen etwa 30.000 deutsche Sozialisten ins liberalere Nachbarland. Heine jedenfalls kehrte nur noch zweimal kurz nach Deutschland zurück. Eine relativ dünne empirische Basis für eine Zukunftsschau, möchte man meinen. Aber nicht für einen echten Propheten, der seine Deutschen bestens kannte. So hörte Heine 99 Jahre vor der Machtergreifung der Nazis bereits das langsame Heranrollen jenes teutonischen Donners: "... und wenn Ihr es einst krachen hört, wie es noch niemals in der Weltgeschichte gekracht hat, so wißt: Der deutsche Donner hat endlich sein Ziel erreicht. (...) Es wird ein Stück aufgeführt werden in Deutschland, wogegen die französische Revolution nur wie eine harmlose Idylle erscheinen möchte."

Was für eine Prophezeiung! Hundert Jahre vor Hitlers Horden! Ein erstes Wetterleuchten dieses Gewitters war bereits Ende des 19. Jahrhunderts zu sehen. 1887 - der Schriftsteller war schon mehr als drei Jahrzehnte tot - hatte sich in Heines Heimatstadt Düsseldorf ein "Comité für die Errichtung eines Heine-Denkmals" gegründet. Pünktlich zum 100. Geburtstag des Dichters im Jahr 1897 sollte das Denkmal in Düsseldorf aufgestellt werden. Der Aufruf des Comités bezog sich allerdings weniger auf den politischen Heine, als viel mehr auf den "unsterblichen Liederdichter". So konnte auch die österreichisch-ungarische Kaiserin und Heine-Verehrerin Elisabeth das Projekt unterstützen; Sisi wollte das Denkmal anfangs sogar mit 50.000 Mark fördern.

Aber es half alles nichts. Heine polarisierte, wie schon zu Lebzeiten. Jahrelang diskutierte man deswegen im Deutschen Reich, nicht nur die Gestaltung des Monuments, sondern vor allem die Frage, ob der Jude Heinrich-Heine überhaupt ein Denkmal verdiene. Am Ende verhinderte die bösartige antisemitische und nationalistische Propaganda, dass zu Heines 100. Geburtstag irgendein Denkmal irgendwo im Land eingeweiht werden konnte. Allerdings interessierte sich ein deutscher Gesangsverein namens Arion in New York für die Sache. Der Berliner Bildhauer Ernst Herter erhielt also von Auslandsdeutschen in Amerika den Auftrag und schuf einen Loreley-Brunnen aus weißem Tiroler Marmor. Dieser "Loreley Fountain" wurde dann - nach einigem hin und her - am 8. Juli 1899 im New Yorker Stadtbezirk Bronx enthüllt.

Heine war also wieder mal im Exil. Freilich, auch dort kam es bald zu Protesten. Moralischen Protesten! Der nackten Brunnenstatue der Lyrik wurde kurzerhand der Kopf abgeschlagen. Und die amerikanischen Damen vom Christlichen Abstinenzverein beschimpften das Denkmal als "unanständig". Das neue Geschlecht "mit freien Gedanken und freier Lust", das Heine einst herbeigesungen hatte, ließ eben nicht nur in Deutschland noch einige Zeit auf sich warten.


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