Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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4. Oktober 1797 Jeremias Gotthelf geboren, Schweizer Erzähler

Ein Pakt mit dem Teufel hat sich noch nie ausgezahlt. Besonders widerlich sind allerdings die Folgen, die Jeremias Gotthelf in seiner Novelle "Die Schwarze Spinne" beschreibt. Am 4. Oktober 1797 wurde der Schweizer Erzähler geboren.

Stand: 04.10.2011 | Archiv

04 Oktober

Dienstag, 04. Oktober 2011

Autor(in): Carola Zinner

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz / Wissenschaft und Bildung

Am Anfang ist da nicht mehr als ein kleiner schwarzer Punkt auf der Wange. Eine Art Leberfleck, mehr nicht. Doch dann beginnt er zu wachsen. Wird größer und größer, bis er eines Tages platzt. Und heraus krabbelt eine Unzahl kleiner schwarzer Spinnen.

Diese unerfreuliche Geschichte ist ein besonders schönes Beispiel für eine "Wandersage". Wandersagen werden gerne weitererzählt. Sie schildern unerhörte Ereignisse, die angeblich wirklich geschehen sind. Um das zu belegen, verweist der Erzähler gern auf einen Freund der Schwägerin des Onkels, der jemanden kenne, dem die Sache wirklich passiert sei. Und damit verliert sich die Spur im Nebel.

So gesehen ist die Wandersage von der Spinnenbrut im Leberfleck ein Glücksfall. Denn bei ihr lässt sich der Urheber dingfest machen. Es ist der Schweizer Schriftsteller Jeremias Gotthelf. In seiner Novelle "Die schwarze Spinne" geraten Kleinbauern im Emmental so sehr in Not, dass eine Frau aus ihrer Mitte schließlich einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Um die Vereinbarung zu besiegeln, küsst Satan sie auf die Wange - und brennt ihr damit jenes Mal auf die Haut, aus dem sich später die schwarzen Spinnen ergießen, die Pest und Tod bringen über das ganze Land. Erst die Opferbereitschaft eines mutigen Pfarrers setzt dem schrecklichen Treiben schließlich ein Ende.

So weit, so gut - die Geschichte ist wirklich rabenschwarz und hochdramatisch; Thomas Mann bewunderte sie als eines der größten Werke der Weltliteratur. Das Schreckensszenario wirkt doppelt düster, weil Gotthelf es in eine freundliche Rahmenhandlung verpackt hat: Da findet eine Taufe statt in einer intakten bäuerlichen Gesellschaft. Zwischen den vielen Mahlzeiten erzählt der Großvater dann die Geschichte von der schwarzen Spinne. Das Ganze ist im Grunde ein Lehrstück über die schrecklichen Folgen von fehlendem Verantwortungsgefühl und egoistischem Verhalten.

Der Schweizer Pfarrerssohn und Pfarrer Albert Bitzius, bekannt als Jeremias Gotthelf, war ein tief moralischer und konservativer Mann. Geboren am 4. Oktober 1797, hat er in seiner Jugend die Folgen des neuen Liberalismus miterlebt, der aus Frankreich in seine Heimat herüberschwappte. Einen "fürchterlichen Materialismus" bringe er mit sich, klagte er, jeder handle nur noch zu seinem eigenen Nutzen. Gotthelf hat auf seine eigene Art Widerstand geleistet: Er begann zu schreiben. In vielen seiner Geschichten geht es um die Regeln eines guten Zusammenlebens und darum, wie das gesamtes Gefüge aus dem Gleichgewicht gerät, wenn Einzelne aus Hochmut, Übermut und Gier jede Rücksicht fallen lassen.

Bei Gotthelf geht die Sache noch gut aus: Die schwarze Spinne sitzt eingesperrt in einem Loch im Balken des Bauernhauses. Nur ein kleiner Holzpflock verschließt ihr den Weg nach draußen. Für die Menschen ist die Verlockung immer wieder groß, den Pflock herauszuziehen und nachzusehen, ob das Tier noch das ist und die alte Kraft besitzt. Gotthelfs Botschaft: Das Böse ist nur für einige Zeit gebannt - es lebt mitten unter uns.


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