Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. Dezember 1876 Erstes Rohrpostnetz Deutschlands

Vernetzt! Das klappte schon vor dem digitalen Zeitalter. Nicht nur durch Schnüre spannen, sondern mit der Rohrpost. In Berlin wuchs ein solches Netz auf 300 Kilometer Länge. Autor: Herbert Becker

Stand: 01.12.2015 | Archiv

01 Dezember

Dienstag, 01. Dezember 2015

Autor(in): Herbert Becker

Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl

Illustration: Tobias Kubald

Redaktion: Frank Halbach

Von Karl Valentin stammt die nette kleine Geschichte von den zwei Buben, die sich ein Telefon basteln. Die beiden leben in zwei verschiedenen Wohnungen, die aber auf denselben Hinterhof hinaus schauen. Über diesen Hof spannen sie eine Schnur, die auf jeder Seite in einer Schuhschachtel endet. Als sie ihr Patent ausprobieren wollen, schreit der eine aus dem Fenster zu seinem Spezl hinüber: "Jetzt sog amoi wos!" Woraufhin der andere zurückschreit: "Mir foid nix ei'!"

Die Evolution der Rauchzeichen

Die Geschichte gibt haargenau ein Problem wider, dem auch mancher Nutzer moderner Kommunikationsmittel gegenüber steht: Er besäße die Technik - aber er hat nichts zu sagen. Für Nicht-Besitzer von Mobiltelefonen ist das immer wieder Anlass, über die Besitzer solchen Geräts zu spotten. Zum Beispiel, wenn sie hören, wie einer im Biergarten in sein Handy säuselt: "Ja, gut. Ich nehm' jetzt 'n Weißbier und ruf dich dann noch mal zurück." Ah, egal. Wirklich egal. Was nämlich die Nicht-Besitzer total verkennen, ist der wahre Charakter solcher Gespräche. Da geht es einfach nicht vorrangig um die Übermittlung von Informationen, da geht es vielmehr um das Abgeben so genannter Stimmfühlungslaute. Also, das ist so wie ... sagen wir: bei Schafen. Da macht das Junge "määh!" Und die Mutter antwortet "määh!" Darauf wieder das Lämmlein: "Määh!" und so weiter. Übersetzt heißt das ungefähr: "Du-u, ich bin da!"- "Ja, du bist da."- "Und da ist Gras und das fress' ich jetzt!"- "Ja, Gras. Das frisst du.", und so weiter. Wenn es das im Tierreich gibt, warum soll's das dann bei den Menschen nicht geben, und wenn's das schon gibt, warum soll man sich dann dazu nicht der modernen Kommunikationstechnik bedienen? Bitte sehr!? Wir leben nun einmal nicht mehr in der Welt von dem Sioux-Indianer, der seinem Blutsbruder zwei Täler weiter vermittels Rauchzeichen bekannt gibt, dass er jetzt dann auf den Kriegspfad geht.

Wobei man die moderne Technik auch wieder nicht überschätzen darf. In mancher Hinsicht leisten herkömmliche Medien wirklich genau das gleiche. Nehmen wir das Internet.

Das, so heißt es wenigstens immer, sei ein Ort, an dem jeder gleichzeitig privat und öffentlich mit anderen in Verbindung treten könne. Als ob das nicht mit jeder beliebigen Klowand genau so gut ginge! Oder: Wer heute Erfolg haben will, muss flexibel sein und mobil. Er muss zur rechten Zeit am richtigen Ort sein, und dazu braucht er die Telekommunikation. Ah ja? Und die heiligen drei Könige? Waren die vielleicht nicht rechtzeitig da wo sie hinwollten?

Praktisch, zuverlässig, schnell - Rohrpost

Oder nehmen wir irgendeinen größeren Betrieb. Da steht ja heute wirklich alles, was man zur Text- und Datenübermittlung haben muss. Aber wenn ein Beleg, ein Dokument - oder auch bloß ein Schraubenzieher - von einer Abteilung in die andere soll, dann hapert es. Dann muss ein Bote her, und wenn der grad beim Brotzeitholen ist, bleibt alles liegen. Dabei gäb's da so eine praktische Erfindung: Die Rohrpost. Das städtische Rohrpostnetz von Berlin zum Beispiel, das am 1. Dezember 1876 - als erstes in Deutschland! - in Betrieb ging, ist im Laufe seines Bestehens auf eine Länge von 300 Kilometern angewachsen!

Ob da heute noch etwas davon übrig ist, wissen wir momentan auch nicht. Hoffen tun wir jedenfalls, dass man dort in den wichtigen Ämtern und Ministerien nicht auf Boten angewiesen ist - Sie wissen schon, auf solche wie den Aloysius Hingerl, der auf seiner Wolke sitzt, und die Regierung auf die göttliche Eingebung warten lässt.

Obwohl: Wo diese Eingebung fehlt, da nutzt wahrscheinlich auch eine Rohrpost nichts.


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