Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. März 1978 Charlie Chaplins Sarg wird entführt

Was für ein seltsamer Diebstahl! In der Nacht vom 1. auf den 2. März 1978 verschwand der Sarg von Charlie Chaplin, ein Vierteljahr nach dessen Tod am Genfer See. Die Polizei stand vor einem Rätsel.

Stand: 01.03.2012 | Archiv

01 März

Donnerstag, 01. März 2012

Autor(in): Xaver Frühbeis

Sprecher(in): Johannes Hitzelberger

Redaktion: Thomas Morawetz

Im Jahr 1977, am Weihnachtstag, starb 88jährig der Schauspieler, Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Komponist Charles Spencer Chaplin. Er tat das in seiner Villa am Genfer See. Die Schweiz war seine zweite Wahlheimat geworden, seit ihn seine erste Wahlheimat, die USA, nicht mehr zu sich gelassen hatte, wegen angeblicher kommunistischer Umtriebe. Der berühmte Charlie Chaplin: ein Opfer von McCarthys Verfolgungswahn. Nun also hatte Chaplin sein Leben in der Schweiz beendet, und man trug ihn zu Grabe, wie es sich gehört. Ein Vierteljahr später jedoch, in der Nacht vom 1. zum 2. März 1978, schlichen sich unbekannte Männer auf den Friedhof des Dorfes Corsier-sur-Vevey, öffneten das Grab, hievten den Sarg mit des Filmemachers Leiche heraus und machten sich damit von dannen.

Ein Souvenirjäger?

Der Einbruch wurde alsbald entdeckt, ausführlich berichteten die Zeitungen, und alles rätselte über die Hintergründe. War ein Souvenirjäger durchgedreht? Sollte Chaplin auf einem jüdischen Friedhof in seiner Heimat England begraben werden? Oder war es vielleicht nur ein simpler Erpressungsversuch ... In der Tat dauerte es nicht lang, da gingen bei Chaplins Familie Anrufe ein. Alle möglichen Leute, Trittbrettfahrer, die mit der Sache gar nichts zu tun hatten, meldeten sich und verlangten unmögliche Summen. Ein Anrufer jedoch untermauerte seine Forderung mit einem Foto. Es zeigte den entwendeten Sarg auf offenem Feld, daneben ein Erdloch, gerade so groß, dass man ihn darin verbuddeln konnte. Der Mann war der echte Entführer.

600.000 Dollar wollte er haben. Chaplins Witwe weigerte sich. Zum Schein jedoch verhandelte man weiterhin mit dem Entführer. Während Frau Chaplins Rechtsanwalt so tat, als wolle er das Lösegeld herunterhandeln, verfolgte die Polizei die Gespräche zurück zu einer öffentlichen Telefonzelle in Lausanne. Mehrmals stellte man dem Anrufer eine Falle, mehrmals konnte er entwischen, immer wieder rief er von einer anderen Zelle aus an. Erst als man auf die Idee kam, tagelang jede einzelne der über 200 Lausanner Telefonzellen zu überwachen, ging der Fisch ins Netz. Der Entführer war ein Bulgare: Galtscho Ganev mit Namen, 24 Jahre alt, Automechaniker, derzeit arbeitslos.

Nicht gerade billig

Ganev hatte seiner Meinung nach zu wenig Geld. Eine normale Entführung mit anschließender Lösegeldforderung schien ihm aber nicht grade billig, Entführungsopfer wollen ja andauernd zu essen und zu trinken haben, und wohnen müssen sie auch irgendwo, und so hatte sich Ganev klugerweise dafür entschieden, jemanden zu entführen, der bereits tot war. Den Sarg mit Chaplins Leiche hatte er zusammen mit einem Freund in einem selbstgebuddelten Loch auf einem Acker etwa zehn Kilometer weiter weg versteckt. Als der geschnappte Ganev die Polizei zu dem Sarg führen sollte, stellte sich heraus, dass die beiden sich nur gemerkt hatten, wo der Acker lag, die genaue Stelle wussten sie nicht mehr. Erst durch den Einsatz von Metalldetektoren kam der Sarg wieder zum Vorschein. Ganev und sein Kumpel bekamen viereinhalb Jahre Gefängnis, und Charles Spencer Chaplin fand wieder zurück auf seinen Friedhof. Seine letzte Ruhe genießt er derzeit ungestört unter einer Haube aus Beton. Man weiß ja nie ...


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