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6teilige Lesung/Podcast Shakespeares ruhelose Welt

Der berühmteste Museumsdirektor unserer Tage präsentiert historische Einblicke in die Welt des bis heute berühmtesten Dramatikers. Anhand musealer Objekte erzählt Neil MacGregor fesselnde Theatergeschichte. Nach dem Erfolg der Reihe "Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten" produzierte das radioTexte-Team den nächsten Genie-Streich des ehemaligen Direktors des British Museum in London: "Shakespeares ruhelose Welt" ist eine inszenierte Lesung mit acht Schauspielern und viel Musik.

Von: Kirsten Böttcher

Stand: 31.03.2022 |Bildnachweis

Shakespeares Globe Theatre als Filmkulisse | Bild: picture-alliance/dpa

Er ist eine mächtige Marke, ein britisches Markenzeichen, der große Garant für begeistertes Theaterpublikum - global und epochenübergreifend. Vor über vier Jahrhunderten, am 23. April 1616, starb der berühmte Dramatiker, Lyriker und Schauspieler im Alter von 52 Jahren im beschaulichen Stratford-upon-Avon. Doch bis heute zählen seine Komödien und Tragödien zu den meist aufgeführten und verfilmten Bühnenstücken der Weltliteratur. Im April spielt Ex-007-Star Daniel Craig als Macbeth am New Yorker Broadway, für dieselbe Rolle war bei der diesjährigen Oscar-Nacht Denzel Washington als bester Schauspieler nominiert: An den Klassikern des britischen Dramatikers erproben sich die größten Schauspieler*innen und Regisseur*innen auch im 21. Jahrhundert. Shakespeare bleibt omnipräsent. Doch wie präsent ist uns Shakespeares Ära, das Theater des 16. und 17. Jahrhunderts? Es gibt wohl keinen geeigneteren historischen Brückenbauer zwischen unserem Zeitalter und Shakespeares London als Neil MacGregor, ehemaliger Direktor des British Museum!

Neil MacGregor entstaubt die Welt des 16. Jahrhunderts

"Es liegt eine merkwürdige Kraft in Dingen: Sie können, einmal von uns hergestellt, unser Leben verändern. Heilige Reliquien und geweihte Orte haben diese Kraft. Wir glauben dann neben dem Propheten und dem Heiligen zu stehen, ihr Menschsein zu teilen, für einen kurzen Augenblick auch ihre Welt zu bewohnen."

Neil MacGregor

Neil MacGregor, hier im British Museum, das er von 2002 bis 2015 leitete.

Neil MacGregor, der als berühmtester Museumsdirektor der Welt gilt und 2008 zum "Briten des Jahres" gekürt worden war, war von 2002 bis Ende 2015 Direktor des British Museum in London und entwickelte dort in Kooperation mit der BBC seine globalen Objektsammlungen, mit denen er Weltgeschichte hörbar machte. Daraus entstanden nicht nur BBC-Radioserien, sondern auch Buchbestseller und - im Bayerischen Rundfunk produzierte - Hörbücher: Im Jahr 2011 kam die "Geschichte der Welt in 100 Objekten" heraus, zwei Jahre später folgte "Shakespeares ruhelose Welt".

Kurz darauf eröffnete MacGregor im British Museum die Ausstellung Germany - Memories of a Nation, zu deren Gästen auch die damalige deutsche Kanzlerin Angela Merkel zählte. Ab 2016 war der nun 75-jährige Schotte in Berlin tätig als Leiter der Gründungsintendanz des Humboldt-Forums in Berlin. Anschließend war er Direktor des Museums Chhatrapati Shivaji Maharaj Vastu Sangrahalaya in Mumbai. Seit 2021 ist der vielfach ausgezeichnete Kunsthistoriker Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Louvre in Paris, hält Vorträge und arbeitet weiterhin für die BBC.

Shakespeare zwischen Glaubenskriegen und Globalisierung

William Shakespeare (1564-1616)

Ein Weltkulturzentrum war das Südufer der Themse in Shakespeares Zeitalter sicherlich nicht. Allerdings verfasste Shakespeare seine Werke für ein neues Medium, für das "Globe", ein öffentliches Theater im elisabethanischen London. Ein Gang ins "Globe" konnte ein überregionaler Treffpunkt, ein Spiegel aktueller politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskurse sein und die Wünsche, Sehnsüchte und Ängste der Bevölkerung aufnehmen und thematisieren. Noch heute, so erzählt der fließend Deutsch sprechende Kunsthistoriker MacGregor, seien Shakespeares Verse besonders für diejenigen, die die dunklen oder süßesten Augenblicke ihrer Existenz durchleben, Quelle der Inspiration, der Erleuchtung und des Trostes. "Sie fangen für uns die Quintessenz dessen ein, was es heißt, ruhelos zu sein in einer unentwegt ruhelosen Welt".

Mit musealen Objekten durch Shakespeares Welt

Von Londons "Globe" einmal rund um den Globus

Denzel Washington und Frances McDormand in "Macbeth" (2021)

"Vom Charisma der Dinge bewegt", so schreibt MacGregor, unternimmt er in seinem Buch insgesamt zwanzig Reisen in eine vergangene Welt, um anhand musealer Objekte die Erfahrungen von Shakespeares Zeitgenossen zu schildern, die zu den Uraufführungen seiner Stücke im elisabethanischen und jakobinischen London scharenweise strömten. Wie sah die Welt damals aus? Was verraten das Schwert eines Edelmannes, die Wollmütze eines Handwerksburschen oder die teure Gabel, die im Rose Theatre verloren ging und die 300 Jahre später unter einem Schutthaufen gefunden wurde? Solche Accessoires können uns nicht nur Auskünfte geben über zeitgenössische Weltbilder oder den Status quo der Forschung, sondern auch über politische und wirtschaftliche Allianzen sowie zeitgenössische Verarbeitungstechniken. Ganz konkret verweisen die Gegenstände auf Status und Stil der jeweiligen Besitzer, die schon für einen Penny beispielsweise "Viel Lärm um nichts" sehen konnten, um sich so kurzerhand hineinzuversetzen in die feine Gesellschaft in Florenz und Padua. "Ein Gang ins Theater war ein Ausflug ins Traumland", betont Neil MacGregor.

Jede Generation, jede Nation findet aktuelle Fragestellungen in den politischen Dramen Shakespeares. "Das Paradoxon besteht darin, dass Shakespeare, nicht seinem Zeitalter, sondern allen Zeitaltern angehört; aber er ist gerade deshalb so zeitlos, weil er so sehr ein Kind seiner Zeit war“, schwärmt Autor Neil MacGregor über den bis heute aufregendsten Dichter der Weltliteratur.

Ab 5. April auf Bayern2 in den radiotexten und als Podcastreihe

Thomas Loibl liest Neil MacGregor

Lesung mit den Schauspielern Thomas Loibl, Eva Gosciejewicz, Helmut Stange, Laura Maire, Heiko Ruprecht, Christian Baumann, Friedrich Schloffer, Stefan Wilkening
Regie und Redaktion: Antonio Pellegrino
Komposition: Winfried Meßmer
Regieassistenz: Kirsten Böttcher
Produktion: Bayerischer Rundfunk / Der Hörverlag 2013

Das Buch "Shakespeares ruhelose Welt", aus dem Englischen übertragen von Klaus Binder, ist im C.H. Beck Verlag erschienen, die Hörbuchausgabe (6 CDs) beim Hörverlag.
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Podcast "Lesungen".







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