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Bettgeschichten Ein Möbelstück fürs Leben

Wenn wir von Bettgeschichten sprechen, meinen wir meist pikante Geschichten. Dabei steht das Bett für das ganze Lebensspektrum des Menschen. Hier wird gezeugt und geboren, geschlafen, gekränkelt, gesundet und gestorben. Eine Exkursion durch die Geschichte der Betten und die Betten der Geschichte.

Von: Petra Nacke

Stand: 10.02.2023 | Archiv

"Da ich nun seit drei Tagen zu Bett liege, so denke ich an mein Bett und selbst im Schlafe verläßt mich der Gedanke nicht. (…) Das Bett, lieber Freund, bedeutet unser ganzes Leben. Da kommt man zur Welt, da liebt man, da geht man wieder von hinnen."

Aus der Novelle 'Das Bett' von Guy de Maupassant

Die Novelle "Das Bett" von Guy de Maupassant erscheint erstmals im März 1882. In dem kurzen Text geschieht fast nichts anderes als dass eine namenlose Dame in einem Brief an den Geliebten über den engen Zusammenhang zwischen Bett und Mensch nachdenkt.

Tatsächlich ist das Sich-Betten selbst ein existenzieller Akt, dessen Entwicklungsgeschichte untrennbar mit der des Menschen verwoben ist und dessen möglichen Beginn Kurt Morek in der "Sittengeschichte des Bettes" von 1926 so beschreibt:

"Der Urmensch, der von der Jagd ermüdet war, empfand das Bedürfnis nach einer Lagerstatt, auf der er seine ermatteten Glieder ausruhen konnte, und er riß Zweige ab und häufte sie in einer Höhle zu einem kleinen Hügel, oder er stieg aus Furcht vor wilden Tieren in das Gezweig eines Baumriesen und legte sich in einem Astwinkel nieder. Gras, Moos und Zweige bleiben das Bett des Menschen, solange er wandernd und unstet seine Nahrung sucht und selbst als er zum Hüttenbau übergeht, dienen sie ihm als Unterlage für den ruhenden Körper."

Aus der 'Sittengeschichte des Bettes' von Kurt Morek

Kurt Morek alias Konrad Haemmerling war Schriftsteller und auf sogenannte Sittengeschichten spezialisiert. Vieles in diesen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, überaus populären leicht anrüchigen Kompendien, war frei erfunden und eher dem Sensationsbedürfnis der Leserschaft als wissenschaftlicher Expertise verpflichtet. Mit seiner Ur-Bett-Beschreibung lag Morek aber immerhin sehr nah dran.

Eine kurze Geschichte des Bettes

"Betten, Schlafstätten, die gibt es natürlich schon seit der Frühgeschichte. Man hat eine Unterlage, die ist meistens dann mit Laub, mit Stroh und mit anderen Materialien dann noch ein bisschen weich ausgepolstert. Wichtig war, dass man von der Feuchtigkeit und von der Kälte des Bodens ein bisschen abgekoppelt war, also ein bisschen isoliert war. Und ursprünglich bedeutet das Wort 'Bett' auch 'weiche Unterlage'. Wir denken heute in erster Linie an das Möbelstück, aber tatsächlich ist dieses isolierende Moment das Zentrale, was ein Bett ausmacht."

Dr. Marcus Rodenberg, Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim

Marcus Rodenberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Leiter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim. Er ist spezialisiert auf das Thema Haus- und Bauforschung und interessiert sich vor allem für die Wohnkultur – also auch für die Schlafkultur. Zusammen mit ihm werden wir einen kleinen Ausschnitt aus der großen und nicht immer sehr bequemen Geschichte des Sich-Bettens entdecken.

Wir beginnen in einem kleinen Gehöft im Fränkischen Freilandmuseum, das nach archäologischen Funden rekonstruiert wurde. Hier, sagt Dr. Rodenberg, kann man sich vorstellen, wie die Menschen in der Zeit um 1000 nach Christus gelebt haben.

"Was man hier schon sieht: Diese Häuser sind ziemlich klein und es gibt hier drin auch nur zwei Räume, das Dach ist mit Stroh gesteckt, also mit Materialien, die vor Ort verfügbar waren. Und insgesamt sind das auch Gebäude, die jetzt nicht für mehrere Generationen gebaut waren, die also nur eine geringere Haltbarkeit haben, und hier in diesen zwei Räumen hat sich eigentlich das ganze Alltagsleben abgespielt. Menschen haben sich und ihre Habe vor Regen, Witterung geschützt und hier wurde natürlich auch geschlafen. Also was wir hier jetzt vor uns haben, ist ein ziemlich großer Kasten, sieht eigentlich fast aus wie ein Podest, wie eine Bühne, und auf so einem Kasten haben dann, ausgebreitet auf Laub, auf Fellen oder anderen Unterlagen mehrere Personen, die ganze Familie vielleicht plus weitere Personen geschlafen."

Dr. Marcus Rodenberg, Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim

Mit Familie und Fremden im Bett – früher völlig normal

Auf solchen Podesbetten schliefen alle Hausbewohner gemeinsam.

Das gemeinsame Schlafen mit der ganzen Familie, mit Bediensteten, mit Gästen aber auch nicht selten mit vollkommen Fremden erscheint uns heute als etwas Seltsames. Im überwiegenden Teil der Geschichte des menschlichen Nachtlagers war dies allerdings der Normalzustand. Viel später wurde das Teilen des Bettes, zum Beispiel in einem Gasthaus, auch aus finanziellen Gründen geschätzt. Im England des ausgehenden 16. Jahrhunderts brachte es ein Bett für besonders viele Schläfer sogar zu internationaler Berühmtheit:

Im Jahre 1596 weilte Ludwig I. von Anhalt-Köthen während einer Englandreise in der Kleinstadt Ware in Hertfordshire nördlich von London. Und dort begegnete ihm dieses Bett der Superlative, das der Wirt des "White Hart" in Auftrag gegeben hatte, um die Konkurrenz auszustechen und möglichst viele Reisende in sein Wirtshaus zu locken. Das Himmelbett hatte eine Schlaffläche von über 9 Quadratmetern, war zweieinhalb Meter hoch, wog 640 Kilogramm und bot laut Werbetafel genügend Platz für 12 Reisende. Schwer beeindruckt reimt Ludwig von Anhalt-Köthen in sein Reisetagebuch:

"Es war in Wahr ein bett`
An weitem Raume
Das auch vier par leute hett`
In sich geruhiglich beysammen lassen liegen
Das keines sich genau ans andre durfte schmiegen."

Ludwig von Anhalt-Köthen war Mitbegründer der "Fruchtbringenden Gesellschaft", der ersten Deutschen Sprachgesellschaft, und schrieb schon deshalb in Versform, wenn auch in etwas wackliger. Sechs Jahre später, nämlich 1602, taucht das Große Bett von Ware, in den Versen des großen William Shakespeare auf. In der Komödie "Was ihr wollt" erhält Sir Andrew folgenden Rat von Sir Toby: " (…) schreibt so viele Lügen, wie sie auf deinem Blatt Papier Platz haben, auch, wenn es so groß wäre wie das Betttuch im Bett von Ware in England."

Allerding gab es auch in den Zeiten des allgemeinen Bettenteilens Menschen, denen diese Sitte ganz und gar nicht zusagte. So zum Beispiel dem Protagonisten und Erzähler Ismael in Herman Melvilles Moby Dick: "Niemand schläft gern zu zweit in einem Bett, ja nicht einmal mit dem eigenen Bruder. Ich weiß nicht, warum, aber im Schlaf ist man am liebsten allein. Tritt nun aber der Fall ein, dass man in einem fremden Gasthaus in einer fremden Stadt mit einem fremden Menschen, noch dazu mit einem Harpunier, zusammen übernachten soll, so wachsen die Einwände dagegen ins Ungeheure."

Co-Sleeping – gut für den Mann, schlecht für die Frau

Dem dürften sich die meisten Menschen im gegenwärtigen westlichen Kulturkreis sicherlich anschließen. Das Teilen des Bettes mit dem oder der Liebsten gilt bei uns hingegen als fester Bestandteil der Partnerschaft, getrennte Betten als Zeichen, dass irgendetwas nicht stimmt. 

"Co-Sleeping, also das gemeinsame Schlafen mit Partner oder Partnerin im gemeinsamen Bett, bedeutet für viele Menschen eine wichtige Geschichte für die Beziehung, für die Emotionalität, also e fördert die Bindung zwischen zwei Menschen."

Dr. Kneginja Richter, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Schlafmedizin

Doktor Kneginja Richter ist Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Schlafmedizin. Außerdem leitet sie die Kompetenzgruppe Schlaf an der TH Nürnberg. Sie weiß als Spezialistin, dass der gemeinsame Schlaf zwar die Partnerbindung fördert, den erholsamen Schlaf allerdings nicht zwangsläufig

"Männer schlafen besser, wenn die Frau nebenan liegt, das Umgekehrte ist der Fall für die Frauen. Die Frauen schlafen objektiv schlechter, wenn der Mann nebenan schläft. Die Ursache dafür ist, dass sich die Männer viel mehr bewegen und Männer schlafen in der Regel unruhiger als die Frauen. In der Regel schnarchen Männer mehr, sie haben mehr motorische Bewegungen, zappeln mehr mit den Füßen oder stehen auf, gehen auf Toilette und so weiter. Und diese Bewegungen der Männer machen den Schlaf der Frau unruhiger. Aber, wenn man die Frau fragt, was wollen sie lieber oder wie schlafen sie besser, dann behauptet die Frau, sie schläft eben auch besser, wenn der Mann nebenan ist. Das heißt, wir haben hier eine kontradiktorische Aussage zwischen dem, was gemessen wird bei der Frau und dem, was die Frau aussagt. Bei den Frauen spielt eine große Rolle die emotionale Bindung zum Partner und wie gesagt dieses Gefühl der Geborgenheit und sich sicher fühlen. Und deshalb ziehen sie vor, mit dem Partner zu schlafen, obwohl sie vielleicht objektiv nicht so gut schlafen. Bei den Männern ist es so, dass von der Evolution her die Männer eher zum Gruppenschlaf tendieren. Die haben schon früher als Jäger sich sicherer gefühlt, wenn sie draußen mit anderen Menschen geschlafen haben, und das erklärt die Tatsache, dass die Männer fast immer besser schlafen, wenn die Partnerin nebenan liegt."

Dr. Kneginja Richter, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Schlafmedizin

Sicherheit war einer der Hauptgründe für das Teilen des Bettes. Dafür nahm man die akustischen und oft sicher auch olfaktorischen Herausforderungen, die so etwas mit sich brachte, notgedrungen in Kauf. Und noch ein gewichtiges Argument sprach für das Teilen des Nachtlagers, wie wir von der verwitweten Zofe aus Molières Komödie Sganarell erfahren:

"In jener seligen Zeit – ach, sie verging so bald!-
Braucht ich doch nie, war auch der Winter noch so kalt,
Mein Bett zu wärmen. Leg ich jetzt mich abends nieder,
fährt mir im Juli selbst ein Schauder durch die Glieder.
Glauben Sie mir Madame, die aus Erfahrung spricht:
Ein Mann bei Nacht im Bett ist gar so übel nicht."

Das Bett – vom Schlafkasten zum Möbelstück

Wie wichtig menschliche Wärme in einer Zeit ohne Zentralheizung und Isolierglasscheiben gewesen sein muss, wird einem in Bad Windsheim, vor allem bei winterlichem Schietwetter, recht eindringlich klar. Marcus Rodenberg ist auf dem Weg vom archäologischen Dorf zum ehemaligen Badhaus von Wendelstein und macht damit gleichzeitig einen riesigen Zeitsprung von rund 500 Jahren. Das Bett hat sich zwischenzeitlich vom großen, grob gezimmerten Schlafkasten zu einem echten Möbelstück gemausert.

Das kommunale Badhaus stammt aus dem Spätmittelalter. Darin untergebracht waren nicht nur die Badestube mit allem, was dazu gehört, sondern auch drei Wohnungen – einschließlich der des Baders.

"Die Schlafkammer ist an sich ein bisschen ungewöhnlich, weil hier ein Kachelofen drinsteht, normalerweise waren Schlafkammern nicht beheizt. Hier hat die Schlafkammer auch einen Ofen und hier steht ein Bett, das im spätgotischen Stil rekonstruiert ist, so sahen Betten im 16. Jahrhundert aus. Relativ kurz, das hängt aber nicht damit zusammen, dass die Menschen damals so viel kleiner waren – sie waren zwar kleiner, im Schnitt vielleicht 10 Zentimeter, aber es hält sich in Grenzen – sondern es hängt damit zusammen, dass man eher so eine halb sitzende, halb liegende Schlafhaltung hat. Man sieht es auch an diesen großen Kissen, die relativ weit hochkommen, und da lag man nicht komplett voll ausgestreckt flach drinnen, sondern eher in so einer sitzenden Haltung."

Dr. Marcus Rodenberg, Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim

Dafür gibt es viele Erklärungen – Platzmangel etwa oder die weite Verbreitung chronischer Atemwegserkrankungen, die das Liegen zur Qual werden ließen. Der Sachbuchautor Bernd Brunner führt in seinem Kompendium über "Die Kunst des Liegens" einen weiteren Grund für das Sitzschlafen an: Tradition.

"Die liegende Schlafstellung scheint alles andere als gottgegeben zu sein. Vermutlich war der frühe Mensch gewohnt, im Hocken zu schlafen. (…) In hockender Stellung dürften sie Gefahren leichter wahrgenommen haben. Wenn man die Dinge unter diesem Blickwinkel betrachtet, ist das Schlafen in liegender Position schon ein zivilisatorischer Fortschritt."

Aus 'Die Kunst des Liegens' von Bernd Brunner

"Und oben über dem Kopfteil haben wir jetzt noch so eine Überdachung, ein sogenannter Baldachin, der sorgt natürlich dafür, dass etwaiger Dreck oder Tiere von der Decke nicht ins Kopfkissen rieseln. Sieht also einerseits schön aus, hat auch was Repräsentatives, hat aber auch eine ganz einfache Schutzfunktion. Und hier außen rum ums Bett haben wir dann noch ein Gestänge mit Vorhängen dran, die kann man zuziehen. Das sorgt auch für eine gewisse Behaglichkeit, sicherlich auch für eine gewisse Intimität, hatte eben aber auch wieder eine Schutzfunktion."

Dr. Marcus Rodenberg, Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim

Schutz und Wärme – darauf kommt es beim Nachtlager an

In modernen Schlafzimmern sind Himmelbetten heute kaum mehr anzutreffen – allenfalls finden sie sich noch, mit Plüscheinhörnern und Plastikprinzessinnen dekoriert, in Mädchenkinderzimmern, wo sie das frühkindliche Kitschbedürfnis stillen. Dass es beim Himmelbett ursprünglich um Schutz und Wärme ging, ist heutzutage in Vergessenheit geraten. Doch genau das waren die zwei wichtigsten Punkte beim Nachtlager, und sie sind es auch heute noch, sagt die Schlafmedizinerin Dr. Richter.

"Ein gutes Bett macht viel aus, auch ein gutes Schlafzimmer macht viel aus, weil die Tatsache ist, wir können nur dann gut schlafen, wenn wir gedanklich loslassen. Jetzt müssen wir uns überlegen, wann können wir gedanklich loslassen? Wir können nur dann gedanklich loslassen, wenn wir uns geborgen und sicher fühlen. Das bedeutet, dass uns das Bett, in dem wir schlafen, auch die Umgebung, die mitschlafenden Menschen, das Schlafzimmer, dieses Gefühl vermitteln sollten, ich bin sicher und ich fühle mich geborgen."

Dr. Kneginja Richter, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Schlafmedizin

Und wie schläft eine Forscherin des Schlafens selbst?

"Mein eigenes Bett hat eine Doppelmatratze, ist ein sogenanntes Boxspring-Bett. Die Matratze ist ziemlich hart, weil zum Beispiel mir gefallen keine weichen Matratzen. Das Schlafzimmer ist geräumig, sehr groß mit wenig Möbeln innen drinnen."

Dr. Kneginja Richter, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Schlafmedizin

Boxspring- also Doppelmatratzenbetten liegen schwer im Trend – so wie in den 1980er Jahren der aus Japan stammende, pickelharte Futon. Der Matratzen-, der ganze Bettenkauf ist mittlerweile eine Wissenschaft und gerät nicht selten zur Philosophie. Hart oder weich, hoch oder tief, Kaltschaum, Latex, Visco, Rosshaar oder Federkern. Sag mir worauf und worin du schläfst und ich sag dir, wer du bist. Vor derartigen Entscheidungen standen unsere Vorfahren nicht. Die Auswahl war recht überschaubar.

"Der Klassiker ist natürlich der Strohsack, also die mit Stroh gefüllt Matratze, auf die kam dann noch eine zweite Bettenauflage drauf und dann da das eigentliche Bettzeug, also Kopfkissen und Decke mit Bezügen. Das heißt, es lag normalerweise relativ viel drin in dem Bett und das Interessante daran ist, dass das, was da drin war, insbesondere die Textilbezüge, viel teurer war als das Möbelstück selbst. Also während ein durchschnittliches Bett im 19. Jahrhundert etwa zwei/drei Gulden gekostet hat, konnte die Ausstattung des Betts bis zu 20 Gulden kosten. Das ist natürlich ein Haufen Geld. Und ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert sind dann Matratzeneinlagen zunehmend auch industriell gefertigt worden – das ist dann natürlich günstiger geworden. Und was wir jetzt hier zum Beispiel haben, das ist so eine dreiteilige Matratze, der Klassiker, der eigentlich bis weit ins 20. Jahrhundert hinein üblich geblieben ist. Da muss man sich eben auch bewusstmachen, es hatte ja wirklich nicht jeder Bewohner im Haus ein Möbelstück-Bett, sondern viele eigentlich nur einen Schlafplatz und das konnte dann eben auch mal der ausgebreitete Strohsack sein, der neben dem Ofen, im Bereich von anderen Räumen, im Flur, auf dem Dachboden lag."

Dr. Marcus Rodenberg, Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim

Doch selbst, wenn es ein Bettmöbel gab, garantierte dies noch lange keinen Schlafkomfort. Der Arbeiterschriftsteller Franz Rehbein bezeichnete 1911 in "Das Leben eines Landarbeiters" den Schlafplatz für die Mägde auf dem Hof, auf dem auch er arbeitete, als "ein Verließ für die Deerns": "Kaum so groß, dass eine Bettstelle drin stehen konnte, schien auch weder Sonne noch Mond dort hinein. Es war eine Abbucht der Küche, ohne Fenster, ohne Bequemlichkeit, dunkel, niedrig, undicht, schmutzig: ein Hundeloch, ein Sarg, eine wahre Chinesenkiste; im Winter kalt wie ein Eiskeller."

Bettwanzen und Flöhe – gängige Gäste

Andere nächtliche Unbilden unterschieden nicht zwischen Magd und Prinzessin, zwischen arm und reich. Solange die Menschen auf Stroh, Moos, gehäckseltem Schilf oder ähnlichem schliefen, teilten sie ihr Lager mit vielen ungebetenen Gästen. Schlafen ohne Ungeziefer gab es eigentlich nicht. Die gängigen Gäste waren Bettwanzen, Flöhe und natürlich alles, was fliegt und sticht. Je nach hygienischen Verhältnissen konnte das mehr oder weniger sein. Es gibt Physikatsberichte aus dem 19. Jahrhundert, also amtsärztliche Berichte über die Wohnverhältnisse und hygienischen Verhältnisse, die das Landleben teilweise in düstersten Szenarien beschreiben. Einer davon stammt vom berühmten Rudolf Virchow, der im Auftrag der Bayerischen Staatsregierung eine Reihe von sogenannten "medizinisch geographisch-historischen Skizzen" anfertigte. In "Die Noth im Spessart" von 1852 schrieb er über das Lager einer Kranken:

"Die Mutter lag in einem schmutzigen, höchst widerwärtigen Bett, dessen ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen war und in dem selbst das Stroh schon ein ganz schwärzliches Aussehen angenommen hatte (…) Wenn man das Deckbett der Frau aufhob, sprangen die Flöhe so dicht umher, dass man im ersten Augenblick nur die Wahrnehmung des Flimmerns vor Augen hatte."

  

Virchow war nicht nur Mediziner, sondern auch ein engagierter Sozialpolitiker, und seine drastischen Schilderungen der Zustände bei den Ärmsten der Armen waren immer auch Appelle, das Elend zu beheben. In diesem Fall demonstriert ein Bett das ganze Elend einer menschlichen Existenz. Betten können aber auch das genaue Gegenteil demonstrieren, so wie die zwei Prachtbetten, die Dr. Rodenberg im Freilandmuseum noch zeigen möchte.

"Die sind aber mit Sicherheit nur selten genutzt worden. Dieser ganze Raum hier ist ein Phänomen, das uns aus heutiger Perspektive ein bisschen eigenartig anmutet, vor allem, weil wir immer so das Bild haben, im Bauernhaus ging es eng zu, da wurde jeder Platz genutzt. Das hier ist die sogenannte 'Schöne Kammer'. Die 'Schöne Kammer' gab es bei wohlhabenderen Bauern, normalerweise im Obergeschoss, und da sind die hochwertigsten Möbel und auch sonst der wertvollste Besitz, also Textilien, auch Keramik in die Vitrine reingekommen, und das war eigentlich ein reiner Repräsentationsraum, manchmal gab es hier dann auch noch einen Tisch, an Feiertagen hat man den genutzt, wenn höherer Besuch da war, durfte der hier übernachten, und ansonsten ist dieser Raum nicht wirklich genutzt worden, sondern diente eigentlich nur der Repräsentation. Man zeigte hier, wer man war und was man hatte."

Dr. Marcus Rodenberg, Fränkisches Freilandmuseum Bad Windsheim

Das Bett zum Repräsentieren, das Bett als Symbol, als Protestplattform, als horizontaler Arbeitsplatz und auch als Quelle für jede Menge Bettgeschichten. Das Bett als Anfang und Ende der menschlichen Existenz – und für rund ein Drittel unseres Lebens als Ort des Rückzugs, der Intimität, der Geborgenheit, der Träume.


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