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Flunkyball Interview mit den Darstellenden

Stand: 01.09.2023 14:39 Uhr

Von links: Zoe (Lena Klenke) und Milli (Clara Vogt) sitzen auf der Couch, während Caro (Silke Bodenbender) und Martin (Fabian Hinrichs) tanzen. | Bild: BR/Hager Moss Film GmbH/Luis Zeno Kuhn

Caro, Martin, Franz: eine ganz normale Familie?

Silke Bodenbender: Äußerlich entspricht die Familie mit Mutter, Vater und zwei Kindern sicher der traditionellen Idee einer "normalen" Familie, nur sagt das über die Menschen und die zwischenmenschlichen Beziehungen sehr wenig aus. Diese sind in dieser Familie sicher zumindest originell, wodurch der Film ja erst interessant wird.

Fabian Hinrichs: Sowenig, wie es Objektivität gibt in der Welt, sowenig gibt es Normalität. Denn für mich ist es vielleicht normal, einen neonorangen Bart zu tragen, der nachts fluoreszierend glimmt, für Andere scheint es eine normale Handlung zu sein, die AfD zu wählen. Und wenn die Frage lauten würde, ob unsere Familie dem bundesdeutschen Durchschnitt entspricht, müsste die Antwort lauten: nein, das tut sie nicht. Aber vielleicht dem Münchner, Hamburger, Kölner, Leipziger Durchschnitt? Ja, eher. Ich glaube, unsere Filmfamilie kann man einer Schicht zuordnen, die man städtisch-bürgerlich nennen kann. Sie ist äußerlich angepasst, will mithalten können im Konkurrenzmilieu von Jungsein, Wohlhabendsein, Wichtigsein, aber innen herrschen unstete Zustände von Sehnsucht, von Träumen, von Freiheit, die 'mal mehr, 'mal weniger erfolgreich verleugnet werden, aber nie ausgelöscht werden können.

Laurids Schürmann: Jeder in der Familie sieht das, was er oder sie sehen will. Alle haben ihre eigenen Bedürfnisse, Vorstellungen und Wünsche. Aber niemand hört sich wirklich zu. Trotzdem funktioniert ihre "problemlose" Familienwelt, in der man alle Probleme, die nicht ins Weltbild passen, von sich wegschiebt. Das kann natürlich jeder Familie zum Verhängnis werden, wenn plötzlich jemand kommt, der scheinbar in ihre Welt passt und ihnen alles erzählt, was sie hören wollen. 

Macht Liebe blind? Zumindest auf einem Auge?

Laurids Schürmann: Ja, Liebe macht definitiv blind. Gerade wenn man so feinfühlig ist wie der Franz, denkt man vielleicht noch mehr zu sehen, als eigentlich da ist.

Lena Klenke: Liebe kann einem auf jeden Fall jegliche Art von Instinkten nehmen und einen wie ferngesteuert machen. Das Bauchgefühl, auf das wir uns sonst vielleicht verlassen können, wird außer Kraft gesetzt, weil wir nur noch Schmetterlinge im Bauch haben.

Fabian Hinrichs: Liebe schafft Klarheit, wie ein Blitz in der Nacht, der für einen kurzen Moment alles erhellt, bevor alles und jeder wieder in nächtliche Dunkelheit sinkt. Eine rätselhafte, dunkle Klarheit, eine Kraft, die außerhalb der Steuerungsmöglichkeit der Subjekte liegt, sie ist, zumindest größtenteils, vor-subjektiv. Franz erfährt eine Wahrheit, die nicht durch die Unwahrheiten Zoes berührt werden kann.

Erziehung wird gerade wieder viel diskutiert. Was bedeutet heutzutage das Verhältnis von Nähe und Distanz in Familien?

Silke Bodenbender: Ich weiß nicht, ob man so allgemein sagen kann, was in Familien gerade passiert. Sicherlich gibt es aber immer neue Facetten im Spannungsfeld von Nähe und Distanz ganz konkret zum Beispiel durch die permanente Erreichbarkeit aller Beteiligten oder das Bedürfnis vieler Eltern, immer länger jung zu bleiben oder immer perfektere Lebensentwürfe zu verfolgen. Die größte Herausforderung der bedürfnisorientierten Erziehung im heutigen Sinn, ist vermutlich, zwischen wirklichem Bedürfnis und Wunsch zu differenzieren.

Fabian Hinrichs: Meine Frau ist (angehende) Psychoanalytikerin und von ihr habe ich einen tollen Begriff über Mütter beigebracht bekommen- die "good enough mother". Und ich denke, dass man dies auch ausweiten kann auf Familie insgesamt, die "good enough family" also. Ist die Grundvoraussetzung für dieses "good enough" nicht die Erkenntnis, dass Kinder nicht darum gebeten haben, geboren zu werden? Diese moralische Grundschuld der Eltern bleibt ein Leben lang. Und dennoch sind sie, die Eltern, ja Menschen, keine Lehrbücher, und die Welt außerhalb des Eigenheims ist, wie sie ist. Gut genug sein, mit allem Miesen und Kleinen und Ungerechtem, zu Nahem, zu Fernem - das wäre schon sehr viel.

Wie würdest Du den Kern Deiner Rolle beschreiben?

Silke Bodenbender: Caro möchte unbedingt, dass ihre Familie funktioniert und dass es allen gut geht. Sie leidet am meisten darunter, dass ihr Sohn womöglich nicht "normal" ist, weil er noch keine Freundin hat, übersieht dabei aber seine wirklichen Probleme.

Fabian Hinrichs: Martin will es richtig machen, das Leben. Er will Verantwortung für die Familie und auch sein eigenes Leben übernehmen, indem er eben nicht freier Schriftsteller oder freier Journalist geworden ist, sondern dieses ambitionierte und finanziell gut aufgestelltes Journal für eine Versicherung gestaltet, ein sicherer, ungefährlicher Job, ein Reservoir auch für in Martin verbliebene Reste schöpferischer Ambitionen. Er will ganz viel sich Widersprechendes und weiß nicht, wie er das alles zusammenbekommen soll: ernst sein, lustig sein, gelassen sein, dennoch Ziele verfolgen, cool und lässig sein, aber im Eigenheim wohnen und für eine Versicherung arbeiten, Träumen, aber nicht zu viel, Wohlstand kritisch sehen, ihn aber gleichzeitig anstreben. Martin ist sentimental, und Erschütterungen von außen, ganz besonders das Erscheinen von Zoe, machen ihm zu schaffen - lebt er das richtige Leben, ist alles richtig so, ist er wirklich der, der er dachte, der er ist? Er versucht es ja, das richtige Leben zu leben, aber könnte nicht auch alles falsch sein, so wie er es lebt?  Lebt er sein Leben überhaupt, zusammen mit Caro und Milli und Franz? Das fragt er sich schon, der Martin. Manchmal. Er hat sozusagen keinen Durchblick und sieht dabei durch seine Frau und seine Kinder hindurch, insbesondere durch Franz, natürlich auch durch Zoe. Er sieht sie nicht, oder kaum. Oder besser: er versieht sich..

Laurids Schürmann: Franz will helfen, wo er kann und erhofft sich somit die Anerkennung und Liebe zu bekommen, die er sonst nicht bekommt. Er ist sehr sensibel und feinfühlig. Das ist seine Superkraft, sie wird ihm aber auch zum Verhängnis.

Lena Klenke: Zoe ist sehr schwierig zu beschreiben. Zoe ist verloren, verletzt, von außen hat sie eine unfassbare harte Schale aufgebaut, weil sie sonst nicht überleben würde. Innerlich ist sie ein kleines Mädchen, auf der Suche nach Geborgenheit und Vertrauen, aber sie weiß selbst nicht mehr, wie man vertraut. 

Was war für Dich das Besondere in der Zusammenarbeit mit Alexander Adolph?

Laurids Schürmann: Die Arbeit mit Alexander hat viel Spaß gemacht. Obwohl er selbst das Drehbuch geschrieben hatte, hing er überhaupt nicht am Text fest, und wir konnten frei mit den Texten arbeiten, Anmerkungen machen. Auch wenn das selten nötig war, denn beim Lesen, aus der Sicht von Franz, wurde mir sofort klar, wie die Figuren ticken. Womit sie zu kämpfen haben oder was sie versuchen zu verstecken. Wir hatten auch viel Glück mit unserem Kameramann Patrick Orth. Alexander und er haben gut zusammengepasst und aus den Bildern im Kopf schöne und stimmungsvolle Bilder mit der Kamera eingefangen. 

Fabian Hinrichs: Alexander ist einer der wenigen Künstler im deutschen Film. Die Bücher, die er häufig zusammen mit Eva schreibt, besitzen eine sinnliche Kraft, die aus dem Dunkel, aus dem Experiment heraus entstehen, getragen von einem Mitgefühl für Menschen, die sich in einem Körper befinden, der sich fremd anfühlt, einem Leben, das sie nicht kontrollieren können, in einer Welt befinden, die sich verschließt. Und auch die Verwirklichung der Bücher beim Filmen selbst ist einzigartig. Ich habe noch nie Angst und Enge empfunden in Alexanders Gegenwart. Er lässt sich ein auf den Augenblick und misstraut im richtigen Moment Plänen und Absichten. Ich vertraue ihm vollkommen und würde sogar ein Gemüse oder ein Stück Bienenstich für Alexander und auch Eva spielen.

Lena Klenke: Alexander ist sehr eigen, sehr fein. Er sieht alles, ich hatte nie das Gefühl ihm etwas erklären zu müssen. Er hat ein unglaublich gutes Auge und Gefühl für Rollen und Geschichte und ich konnte mich immer auf ihn verlassen, das war sehr besonders.

Silke Bodenbender: Mir gefällt es sehr, dass die Arbeit mit Alexander bei absoluter Professionalität immer auch großen Spaß macht. Er ist offen für Ideen, schaut mit einfühlsamem Interesse zu und schafft so eine Atmosphäre, in der ich im Spiel eine große Leichtigkeit empfinde.


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