Bildrechte: picture-alliance/dpa
Videobeitrag

Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß vor FC-Bayern-Wappen

Bildbeitrag
> Sport >

FC-Bayern-Identitätssuche: "Wer san mia? Und wenn - wieviele?"

FC-Bayern-Identitätssuche: "Wer san mia? Und wenn - wieviele?"

Beim FC Bayern läuft sportlich alles bestens. Aber wie lange schwimmt der Verein auf der Erfolgswelle? Nicht nur bei der Trainersuche agiert der Klub nach außen unglücklich. Viele Fans vermissen eine klare Vision. Muss sich der Verein neu erfinden?

Über dieses Thema berichtet: Blickpunkt Sport.

"Die Frage ist, was ist die Identität? Man spricht immer vom 'Mia san mia'. Man könnte jetzt sagen: 'Wer san mia. Und wenn - wieviele?", sagt Steffen Kirchner, Sportpsychologe, in "Blickpunkt Sport" im BR Fernsehen über den deutschen Rekordmeister. 72 Prozent aller Change Prozesse in Deutschland scheitern, erklärt Kirchner. Dafür gebe es Gründe - und mit diesen müsse sich auch ein Klub im Umbruch wie der FC Bayern auseinandersetzen.

Wieviel Heynckes soll im neuen Trainer stecken?

Ein Teil des Veränderungsprozesses beim FC Bayern ist auch die Suche nach einem neuen Trainer. Dieser hat - egal, wer es wird - ohnehin das Problem, dass er immer mit dem aktuell erneut erfolgreichen Jupp Heynckes verglichen wird. Auch hier sieht Kirchner Gefahren. "Solange man versucht, Persönlichkeiten am Bild von Jupp Heynckes zu bemessen, wird man immer ein Problem kriegen", sagt Kirchner.

Zwar brauche auch der neue Trainer Persönlichkeit, "aber die Persönlichkeit, die Jupp Heynckes hat, ist absolut einzigartig. Es geht darum, eine neue Persönlichkeit zu finden, die vielleicht ganz andere Eigenschaften hat. Die aber zum Identitätsbild, das der Klub in Zukunft haben will, passt. Und das wird vielleicht eine komplett andere Persönlichkeit sein als Jupp Heynckes."

"Der FC Bayern braucht einen Menschenspezialisten"

Ein weiteres Problem bei der aktuellen Trainersuche des FC Bayern? Der neue Trainer soll nach Möglichkeit Deutsch sprechen, so die Idealvorstellung. Auch hier rät Kirchner andere Schwerpunkte zu setzen. "Es ist ganz, ganz wichtig, dass man weggeht von diesen Merkmalen, was muss ein Trainer können", erklärt der Sportpsychologe. Natürlich brauche ein neuer Trainer gewisse Grundfähigkeiten, "aber gerade in diesem Klub, wo es so menschelt, wo auch so spezielle, sensible Persönlichkeiten aufeinandertreffen, wo so sensible Entscheidungen getroffen werden müssen, ist eine menschliche Kompetenz die aller-, allerwichtigste", glaubt Kirchner: "Der FC Bayern ist mit Sicherheit gut beraten, neben einem Fachexperten einen Menschenexperten, einen Menschenspezialisten zu holen."

"Der FC Bayern braucht einen Menschenspezialisten, wie es ein Jupp Heynckes ist, wie es ein Ottmar Hitzfeld war. Das ist das Entscheidende. Und ob der dann Deutsch spricht oder einen österreichischen oder sonst irgendeinen Dialekt oder Akzent hat, ist dann sekundär." Sportpsychologe Steffen Kirchner in Blickpunkt Sport

BR-Experte Hitzlsperger: Auch ein reiner Fußballkenner als Trainer denkbar

Auch BR-Fußballexperte Thomas Hitzlsperger betont die Bedeutung des menschlichen Faktors. Zwar habe es in der jüngeren Vergangenheit mit Pep Guardiola zwar auch Ausnahmen gegeben, aber Guardiola "hatte so eine extreme Fußballkompetenz, dass man darüber hinwegsehen konnte. Also ja, es ist wünschenswert, jemandem vom Schlag Heynckes oder HiItzfeld zu haben - der den Klub kennt, der reinpasst, auch mit Hoeneß und Rummenigge. Aber man kann auch jemanden holen, der sich ausschließlich auf Fußball konzentriert." Das habe Pep Guardiola geschafft, bei der Mannschaft die Ansprache zu finden, "dass die Jungs funktionieren."

"Ich glaube nicht, dass die Bayern innovativ sein müssen bei Trainerauswahl" BR-Fußballexperte Thomas Hitzlsperger

Keine Zukunftsvision, solange Erfolg da ist?

Die ohnehin schon nicht einfache Trainersuche müssen mit Präsident Uli Hoeneß und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zudem noch zwei Alphatiere bewältigen, die nicht immer automatisch einer Meinung sind. Ein weiteres Problem für die Bayern-Zukunft? "Man muss eine gemeinsame Identität finden", sagt Kirchner - und möglicherweise ist der Weg dahin auch schmerzhaft. "Veränderungsprozesse funktionieren dann besonders gut, wenn der Leidensdruck bei einem Klub sehr, sehr hoch ist. Der ist beim FC Bayern nicht sehr hoch, weil sie einfach einen wahnsinnig guten Job machen und sehr erfolgreich sind" erklärt Kirchner.

Die Bayern und das "mental-emotionale Bonding"

Also Variante zwei: "Oder du brauchst eine starke Vision, wohin du willst. Das heißt du brauchst ein klares Bild, wie soll dieser Klub in zwei, drei, vier, fünf Jahren aussehen. Dafür braucht man Vertrauen. Vertrauen in eine gemeinsames Bild - und wenn es da noch ein paar Unterschiede gibt, tue ich mich auch in der Entscheidungsfindung schwer wenn ich von einer Sache, dem Erfolg, abhängig bin." In der Sportpsychologie nennt man diese Abnhängigkeit "mental-emotionales Bonding": Man ist "gefesselt" an eine emotionale Sache, im Falle des FC Bayern der Erfolg. Somit falle es den Verantwortlichen schwer, klare mutige Entscheidungen zu treffen: "Deswegen ist die Erfolgverpflichtung manchmal eher eine Last."