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Dieter Lattmann

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Schriftsteller und Kulturpolitiker: Dieter Lattmann gestorben

1968 wurde er der erste Vorsitzende des neu gegründeten Schriftstellerverbandes, 1972 Mitglied des Bundestages: Dieter Lattmann. Auf ihn geht die Einführung der Künstlersozialkasse zurück. Nun ist Lattmann im Alter von 92 Jahren gestorben.

Über dieses Thema berichtet: LÖSCHEN Kultur am .

Als sie mit ihm verlobt war, holte die spätere Frau von Dieter Lattmann ein grafologisches Gutachten über ihren Zukünftigen ein. Ergebnis: Hauptkennzeichen seines Charakters seien soziale Einstellung und politisch-kritischer Sinn. Der Gutachter lag zweifellos richtig.

Ein junger Soldat, der Gedichte schreibt

Dieter Lattmann wurde 1926 in Potsdam geboren, sein Vater war Artillerieoberst im Stab des Feldmarschalls Rommel. Nach dem Abitur kam er zum Reichsarbeitsdienst, dann als Offiziersanwärter zur Marine. Er sei kein begeisterter Nazi gewesen, aber ein begeisterter Soldat, erinnerte sich Lattmann später. Das Attentat vom 20. Juli 1944 habe ihm dann aber beigebracht, dass er den falschen Gehorsam leistete: "Für meinen Protest aus vagem Idealismus brachte man mich auf der Kriegsschule hinter Schloss und Riegel. Auf der Pritsche schrieb ich Gedichte."

Schon als Jugendlicher hatte Lattmann begonnen, zu schreiben - "Verse, die ich für Gedichte hielt", wie er es im Rückblick formulierte. Später verstand er sich ausdrücklich als realistischer Autor. 1957 veröffentlichte er sein erstes Buch, "Die gelenkige Generation", einen Band mit Erzählungen und Essays. Zunächst arbeitete Lattmann nach dem Krieg in verschiedenen Verlagen, 1960 verließ er Piper, um als freier Schriftsteller und Kritiker zu leben.

Mitinitiator der Künstlersozialkasse

1968 wurde der "Verband Deutscher Schriftsteller" gegründet, Dieter Lattman zum ersten Vorsitzenden gewählt. Ein Jahr später trat er der SPD bei, kam er in den Bundestag. Zu seinen großen Verdiensten gehört die Einrichtung der Künstlersozialkasse.

 "Die Künstlersozialkasse ist ein gutes Beispiel für Politik. Es ging um eine so kleine Gruppe, dass mir klar war: Ich brauche eine Gesetzesform, die überfraktionell von allen mitgetragen werden kann. Interessanterweise war Willy Brandt, der große Imaginator, der Freund der Schriftsteller, der Günter Grass und Siegfried Lenz mit nach Polen nahm, kein großer Realisator. Als Helmut Schmidt Kanzler wurde, kam für mich mit diesem Gesetz die bessere Zeit." Dieter Lattmann

Im Zusammenhang mit den Antiterrorgesetzen allerdings stellte sich Lattmann gegen die Fraktionsmehrheit seiner Partei - und berichtete davon in seinem vielbeachteten Buch "Die Einsamkeit des Politikers" (1977). In der Folgezeit engagierte er sich in der Friedensbewegung und gegen die NATO-Nachrüstung.

Dieter Lattmann lebte viele Jahre in München, 2011 zog er in die Seniorenresidenz "Augustinum" um – und auch darüber schrieb er noch ein Buch mit dem melancholischen Titel "Es will Abend werden". Am 17. April ist Dieter Lattmann gestorben.