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Ausstellungskatalog

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Ins Blaue - Ausstellung im Münchner Literaturhaus

Das Verhältnis von Literatur und Natur beleuchtet eine Ausstellung im Münchner Literaturhaus, die heute Abend eröffnet wird und bis zum 7. Oktober zu sehen ist. Hochaktuell gerade in Zeiten, da das nature writing populär ist. Von Knut Cordsen

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

„Die Natur ist gut zum Drumherumliegen, das Buch ist die Hauptsache“, hat Robert Walser in „Der Spaziergang“ geschrieben. Zu einem solchen Spaziergang durch die vielen Assoziationsräume des Themas „Natur in der Literatur“ lädt die Münchner Ausstellung ein. Sie folgt dem Prinzip der Kunst- und Wunderkammer. Ihre Kuratorin Heike Gfrereis hat ihr ganz bewusst den Titel „Ins Blaue“ gegeben.

"Gottfried Benn sagte einmal, das Blaue ist ‚das Südwort schlechthin‘, Gottfried Benn hat auch auf blaues Briefpapier geschrieben, also auch das wäre ein ganzes Ausstellungsthema gewesen, die Farbe Blau, uns war es aber wichtig, ins Freie zu gehen, was im Blau eben auch drin steckt. Zu wissen: Ich gehe jetzt wohin, bei der Redensart ‚Fahren wir ins Blaue‘ und weiß gar nicht wohin. Ich schaue einfach mal, wo führen mich die Wege hin und bin nicht auf ein Ziel fixiert. Ich kann auch im Grünen rauskommen, wenn ich ins Blaue gehe, und gerade diese große kosmische, universale Bedeutung, die im Blauen steckt, genauso wie die Redensart die da drin steckt, und der Diskurs war quasi für uns dann auch das Faszinierende an diesem Titel." Heike Gfrereis

Natur als Kraft- und Inspirationsquell

Was sieht man also? Z.B. ein 1908 aufgenommenes Foto, das Hugo von Hofmannsthal zeigt, wie er Wasser aus der Kastalischen Quelle bei Delphi trinkt: die Natur als Kraft- und Inspirationsquell. Oder talismanartige Gebilde: ein Stück Torf, das der Naturlyriker Jan Wagner auflas im Irischen Moor. Beifuß, in Kunstharz gebettet – Marion Poschmann hatte dieses „Brachenpräparat“ auf ihrem Schreibtisch stehen, als sie an ihrer „Hundenovelle“ schrieb. Man ahnt, dass der Name der Pflanze „Beifuß“, da es doch um Hunde geht, wie ein Befehl „bei Fuß!“ gelesen werden darf. Judith Schalansky, die Herausgeberin der schönen Naturkunden-Reihe im Verlag Matthes & Seitz, steuert eine Kette aus roter Edelkoralle bei, die ihr ihr Verleger schenkte. Sie ist ebenso in Vitrinen zu bewundern wie Reise-Mitbringsel Christoph Ransmayrs oder Ausführungen zur Kunst des Gärtnerns – von Schriftstellern.

"Ich würde sagen, man kann sogar Typen finden. Also Autoren, die selber auch dem Gärtnern zugeneigt waren, Erde machen, einhegen, wie Hermann Hesse und Rudolf Borchardt, das sind zwei sehr berühmte Gärtner-Autoren, die auch beides tun wie Goethe: einen Garten anlegen und Dinge pflanzen, aber auch immer wieder in die Natur gehen, auch die damals noch unerforschte Natur, um zu schauen, wie entsteht eigentlich überhaupt jeglicher Natureindruck, den wir haben, wie kommen die Farben in die Welt, was macht das Licht mit dem Grünen, welche Töne von Blau und Himmelsfarben gibt es überhaupt. Da würde ich schon sagen, gibt es unterschiedliche Typen. So ähnlich, wie es unter den Autoren Fußgänger gibt, Wanderer, am berühmtesten sicherlich Peter Handke, als Läufer, wo man sieht: Die Fußerfahrung ist ungeheuer wichtig oder auch ‚die Sensibilität der Fußsohle‘, wie Alexander Kluge das nennt, und dann gibt’s Autoren, für die Finger-Erfahrung sehr wichtig ist, also das Begreifen und Anfassen und andere, die, würde ich sagen, Reisen im Geiste und im Kopf machen." Heike Gfrereis

Welchem Typus auch immer sie im Einzelnen angehören: naturverbunden sind sie alle, die im Münchner Literaturhaus ausstellen. Iljja Trojanow hat einen Stein beigesteuert, Anita Albus ein Schneckengehäuse und im Nachlass von Sarah Kirsch fand sich ein "Naturpapierheft", in das sie ihre "Waldgedichte" und "Wildsonette" schrieb. Das alles ist näherer Betrachtung wert und animiert - zum Gang in die Natur.