Bildrechte: Anna Baghiguian/Museum für Moderne Salzburg

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Die Kunst der Anna Boghiguian in Salzburg

Machtvolle Installationen auf den Spuren des Kolonialismus: Im Museum der Moderne in Salzburg kann man die ungewöhnlichen Arbeiten der ägyptisch-armenisch-kanadischen Künstlerin Anna Boghiguian entdecken. Von Barbara Bogen

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Sie ist, das dürfte kaum übertrieben sein, derzeit vielleicht die ungewöhnlichste Künstlerin der Welt. Ein anarchisch-archaischer Künstlertypus, so wild und wundersam unangepasst, wie es ihn in der gepflegten Kunstwelt des 21. Jahrhunderts mit Sicherheit so leicht nicht noch einmal gibt. Manche bezeichnen die 1946 in Kairo geborene Anna Boghiguian mit den ägyptisch-armenisch-kanadischen Wurzeln als Schamanin oder Hippie, andere nennen sie schlicht eine Kosmopolitin, sie selbst nennt sich eine Nomadin. Denn Anna Boghiguian, 72 Jahre alt, ist seit Jahrzehnten unterwegs auf diesem Globus als dauerreisende Beobachterin einer Welt, die im Begriff ist, sich selbst abzuschaffen. Sie wird auch in Salzburg nicht lange verweilen, sagt die Künstlerin:

"Ich bin zum Beispiel aus Kairo nach Salzburg gekommen. Danach fahre ich sofort nach London, weil dort eine neue Arbeit auf mich wartet. Aber glauben Sie nicht, dass ich das alles zu meinem Vergnügen tue. Das Reisen ist für mich schwere Arbeit. Es ist immer ein großer Druck damit verbunden, etwa jetzt der, mit der Arbeit für Salzburg nicht rechtzeitig fertig zu werden."

 Natürlich ist sie doch fertig geworden und hat im Atrium des Salzburger Rupertinums ein uraltes haushohes Segel gespannt, das sie selbst auf einem Markt in Kairo kaufte und bemalte, naiv gehaltene Szenen von Vögeln und Landkarten, die alte Handelswege nachvollziehen.

Auf den Spuren alter Handelswege und des Kolonialismus

Die postkolonialen Erzählungen der Anna Boghiguian kreisen kontinuierlich um die Themen Kolonialismus, Sklaverei und Gier. Es interessiert sie, welche Nachwirkungen die Geschichte des Kolonialismus in der Gegenwart besitzt. "Trade and Birds", „Handel und Vögel“ hat die Künstlerin ihre Arbeit mit dem Segel, die eigens für die aktuelle Ausstellung in Salzburg entstanden ist, genannt. Dieses Segel ist ein wichtiges Symbol in den Werken, wie die Künstlerin erklärt:

"Das Material ist Baumwolle, heute nutzt man andere Materialien. Dieses Segel steht für eine uralte Form des Reisens. In vormaligen Zeiten gelangte man mit Hilfe dieser Segel von einem Ort an den anderen. Man betrieb Handel und Sklavenhandel auf diesem Wege.“

 Auch in ihrer raumfüllenden Installation mit dem Titel "The Salttraders", die Salzhändler ist das Motiv des Segels wieder da. Diesmal ist das Segel deutlich durchtränkt von Blut. Den Raum durchziehen Berge von Salz, und ein von der Naturgewalt des Meeres in drei Teile zerschmettertes Boot lässt keinen Zweifel zu an der vorangegangenen Tragödie. 

Intuition und Spiritualität

Die Installation "Spaziergang in das Unbewusste", eine Reminiszenz an den Psychoanalytiker C.G. Jung, zeigt eine magische Prozession mit gemalten Köpfen auf 28 indischen Papierschnitten. Es ist die Verbindung zu unseren intuitiven Ursprüngen, die uns abhanden gekommen ist, sagt Anna Boghiguian. Daneben zeigt die reiche, vielfältige Ausstellung Boghiguians Künstlerbücher, die seit den achtziger Jahren entstanden oder ihre jüngste Serie von Collagen "An incident in the life of a philosopher", ein "Ereignis im Leben eines Philosophen", in der die Künstlerin den Augenblick festhält, als der vermeintliche Wahnsinn Friedrich Nietzsches ausbrach.

Auf dem falschen Weg

Angesichts solcher vielschichtigen Werke verblüfft Boghiguian aber immer wieder auch mit ihrer scheinbaren Naivität. "Angela Merkel ist eine nette Person", sagt sie dann etwa oder Ich glaube, dass Trump gern an Merkels Stelle wäre". Ihre Arbeiten aber sind von großer poetisch-magischer Kraft. Man kann sie, zumal, wenn man den in der Ausstellung gezeigten Film über den indischen Dichter Rabindranath Tagore sieht, mit dem sich Boghiguian intensiv beschäftigt hat, sogar als spirituell verstehen und wird, wenn man die Ausstellung verlässt, das sichere Gefühl gewinnen, dass der Mensch in der westlich-kapitalistischen Kultur einen Weg gegangen ist, wie er falscher nicht hätte sein können.