Jana Hermann ist 23 Jahre alt, als ihr Kind zu früh zur Welt kommt. Bei der Geburt gibt es Komplikationen. Jana geht es immer schlechter, bis sie schließlich klinisch tot ist. "Dann habe ich diese ganze Szene von oben beobachtet", erinnert sie sich heute. "Ich habe mich gesehen und von dem Kind hat sich eine kleine, kuschelige Wolke gelöst und ist nach oben geschwebt." Später hat sie die Szene gemalt.
Austausch mit anderen Betroffenen hat ihr geholfen
Am nächsten Tag sei sie aufgewacht, erzählt sie. "Mein Bauch war flach und leer. Mir wurde gesagt, dass mein Kind gestorben ist." Körperlich erholt sich Hermann, ihre Nahtoderfahrung verdrängt sie aber lange. 20 Jahre lang kann sie nicht darüber sprechen. Erst eine Therapie hilft ihr – und das Malen. "Bei jedem Malen hat sich ein Stück dieses Traumas in mir gelöst", sagt sie heute. "Jedes Bild hat auch eine Wirkung." Später habe sie gemerkt, dass die Bilder auch bei anderen Menschen etwas auslösen. "Ich habe Leute gehabt, die ein Bild angeschaut haben und angefangen haben, zu weinen."
Über ihr Nahtod-Erlebnis zu reden, ist für viele schwer. Umso wichtiger ist der Kontakt zu denen, die Ähnliches erlebt haben. Hermann kam vor zwölf Jahren zu einer Selbsthilfegruppe in München dazu. "Dort habe ich zum ersten Mal in meinem Leben Leute getroffen, die auch eine Nahtoderfahrung hatten und konnte mit Gleichgesinnten darüber reden." Nach ihrer Therapie hat Hermann ihren Mann kennengelernt. Einen Menschen, der bis dahin mit dem Thema Nahtod keine Berührungspunkte hatte. "Für mich war von Haus aus klar, dass alles stimmt, was sie erzählt", meint er. Das habe er nie infrage gestellt.
Was beim Sterben im Gehirn passiert
In der Selbsthilfegruppe hat Hermann die Erfahrung gemacht, dass die Nahtoderlebnisse gar nicht so ein Tabu in der Gesellschaft sind, wie sie dachte. "Über drei Millionen Menschen in Deutschland haben bewusst oder unbewusst eine Nahtoderfahrung gehabt", meint Hermann. Diese seien so gut wie niemals gleich, aber einige Sachen ähnelten sich. "Zum Beispiel, dass ein Tunnel auftaucht oder dass man verstorbene Verwandte trifft." Ihre eigene Erfahrung sei eher gut gewesen. "Natürlich ist meine Tochter verstorben, aber das, was ich erlebt habe, war eher positiv."
Aber was passiert eigentlich im Gehirn, wenn Menschen sterben oder kurz davor sind? "Durch den Herzstillstand wird ein Sauerstoffmangel hervorgerufen, der wissenschaftlichen Studien zufolge zu einer Veränderung der Hirnaktivität führt", weiß Neurologin Regina Becker vom Neurozentrum München-Schwabing. "Das ist mehr oder weniger ein Feuerwerk an elektrischen Entladungen in dem Moment."
"Ich habe keine Angst mehr vor dem Tod"
Viele Menschen erlebten Gefühle, die sie im Leben positiv wahrgenommen hätten, in dem Moment noch einmal ganz stark. "Offensichtlich versucht das Gehirn, die Informationen und Erlebnisse, die es während des Lebens abgespeichert hat, noch einmal zu synchronisieren und diese Informationen dem Patienten zu liefern." Die Gammawellen im Gehirn, die für Erlebnisse, Erinnerungen und Träume zuständig sind, seien kurz vor dem Tod sehr aktiv. Viele Menschen, die dem Tod nahe waren, erzählten von Licht, Liebe, Geborgenheit, Erlebnissen aus ihrem Leben.
Eine Nahtoderfahrung prägt die Menschen laut Hermann auf ganz unterschiedliche Weise. Eine Veränderung passiere aber mit jedem Betroffenen. "Wir wissen, dass man keine Angst vor dem Tod haben muss", meint sie. "Vor dem Sterben vielleicht schon, das ist eine andere Sache. Aber kein Mensch, der eine Nahtoderfahrung erlebt hat, hat noch Angst vor dem Tod."
Mehr zum Thema "Kontakte ins Jenseits – Wahrheit oder Wunschdenken?" in der Sendung STATIONEN in der ARD Mediathek.
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