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Martin Beyer "Tante Helene und das Buch der Kreise"

Der Bamberger Autor Martin Beyer erzählt in seinem neuesten Roman das außergewöhnliche Leben einer Künstlerin. "Tante Helene und das Buch der Kreise" vereint Familien- mit Zeitgeschichte und thematisiert auf gelungene Weise Geschlechterrollen.

Von: Julia Hofmann

Stand: 13.04.2022 | Archiv

Buchcover Martin Beyer "Tante Helene und das Buch der Kreise" | Bild: BR / Julia Hofmann

Autor Martin Beyer bezeichnet sich selbst als "hängengebliebener Bamberger" – er ist eigentlich in Frankfurt geboren und aufgewachsen – kam zum Studium nach Bamberg und blieb. Der promovierte Germanist hat schon etliche Bücher veröffentlicht, nun ist sein neuester Roman erschienen: "Tante Helene und das Buch der Kreise“.

Und dieses Buch war für den Schriftsteller ein außergewöhlich langer und mühsamer Weg: voller Zweifel und dem immer wiederkehrenden Verirren in der ein oder anderen Sackgasse. Es hat einfach viel Zeit gebraucht – bis er den Überblick oder Durchblick hatte. Bis ihm klar wurde, wie er diesen Stoff anpacken kann. Denn die Grundlage von Martin Beyers neuem Roman sind Lebenserinnerungen einer Frau. Die Berliner Künstlerin Irene Wedell, hatte sie ihm vor langer Zeit selbst erzählt – und ihm frei gestellt, was er daraus macht, so der Autor.

"Ich wusste nur nicht wie kann ich dieses Leben erzählen, und wie kann ich dieser Verantwortung gerecht werden. Und wie kann ich einen Weg finden, so ein großes Leben mit so vielen Wendungen und Begegnungen und Schmerz wie kann ich das erzählen , bin ich auch schon alt genug - Ich war damals Anfang 30 -  um das zu erzählen."

Martin Beyer, Autor

Erst nach zehn Jahren ist ein Roman daraus geworden "Tante Helen und das Buch der Kreise" – der inzwischen dritte Roman von Martin Beyer.

Aus der Berliner Künstlerin Wedell macht der 44-jährige Autor die Frankfurter Malerin und Modeschöpferin Helene Klasing, die als junge Frau zufällig erfährt, dass sie die Tochter zweier Mütter ist: Sie wurde adoptiert und ist das leibliche Kind einer Adeligen, die nach Amerika ausgewandert ist. Das wäre ein Steilvorlage für eine Schmonzette – bei Martin Beyer allerdings ist es ein Roman über ein außergewöhnliches Leben, aber auch über Zeitgeschichte und Geschlechterrollen geworden.

"Das Primäre, was ich erzählen wollte, ist eine Familiengeschichte, über mehrere Generationen. Dass dann aber im Hintergrund und gerade in den 60er-Jahren sehr viel passiert. Zeitgeschichtlich ist immer die Frage: Wie bettet man das ein? Und ich fand es schöner, das über das Persönliche, Intime einer Familiengeschichte, zu vermitteln."

Martin Beyer, Autor

Über eine Familiengeschichte die Zeitgeschichte erfahrbar machen, das gelingt Martin Bayer ausgezeichnet. Das ein oder andere Detail hat er allerdings dazu erfunden – um die Zeit damals besser darstellen zu können. Das gilt auch für den Neffen "Alexander" – der in Amerika lebt – und dem seine Tante Helene zur wertvollen Begleitung und Ratgeberin wird. Ihre Erscheinung beeindruckt den jungen Mann sofort, wie man aus der Beschreibung ihrer ersten Begegnung in dem Roman herauslesen kann.

Sonst aber schreibt Martin Beyer den Roman überwiegend aus der Perspektive von Helene – also aus einer weiblichen Perspektive. Eine mutige Entscheidung des Autors, aber auch eine gelungene. Sehr einfühlsam und auch poetisch begleiten wir beim Lesen Helene Klasing: vom jungen Mädchen bis zur älteren Frau, in deren Leben wahrlich nicht alles rund läuft – für die sich im Laufe der Zeit aber doch der eine oder andere Kreis schließt.

"Eigentlich geht es in diesem Roman ja sehr stark um Geschlechterrollen. Und da wäre es zu wenig gewesen, das nur aus der Perspektive eines Mannes zu erzählen – und ich hatte ja das Geschenk von Irene Wedell."

Martin Beyer, Autor

Info & Bewertung

Wertung: 5 Frankenrechen von 5 | Bild: BR

Martin Beyer: "Tante Helene und das Buch der Kreise", Berlin 2022, Ullstein Verlag, 415 Seiten, 23,00 Euro, ISBN 978-3-550-20135-6

Eine Lebensgeschichte als Geschenk – und als Auslöser für diesen Roman. Martin Beyer will das Buch keinesfalls als Biografie verstanden wissen, sondern als Hommage an das Leben der Künstlerin Irene Wedell. Sie ist 2017 verstorben – ihr Leben als Roman hätte bestimmt auch sie begeistert.

Jetzt ist erstmal eine Lesung zusammen mit einer Ausstellung ihrer Bilder geplant. Der Roman von Martin Beyer "Tante Helene und das Buch der Kreise“ ist im Berliner Ullstein-Verlag erschienen.


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