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Hunde So beruhigen Sie einen nervösen Hund

Haben Sie auch einen Vierbeiner, der nicht zur Ruhe kommen will? Der zuhause ständig den Schlafplatz wechselt, stark hechelt und hin und her wandert? Der beim Spaziergang viel rennt, unkonzentriert ist und an der Leine zieht? Was die Gründe für dieses überaktive Verhalten sind und welche Wege es gibt, dagegen anzukommen, erklärt "Wir in Bayern"-Hundetrainerin Anja Petrick.

Stand: 10.11.2022 16:53 Uhr

Gestresst aussehender Chihuaha | Bild: BR / stock.adobe.com / Iulia

Wenn Hunde extrem hibbelig und unruhig sind, kann dies viele Gründe haben. Bevor Sie mit dem Training starten, sollten Sie beim Tierarzt abklären lassen, ob Ihr Hund wirklich gesund ist. Mögliche Gründe für unruhiges Verhalten können Schmerzen sein oder auch eine Schilddrüsenunterfunktion. Sobald dies abgeklärt ist, folgt als erstes der Alltagscheck.

Alltagsstress checken: wieviel ist Ihr Hund unterwegs, wieviel schläft er?

Ein erwachsener Hund braucht bis zu 16 Stunden Schlaf am Tag. Viele unserer Hunde bekommen gar nicht die Chance, so viel zu schlafen, da wir sie in unseren Alltag einbinden. Die Redewendung "nach müde kommt blöd" gilt auch für Hunde.
Sobald ein Hund zu wenig Schlaf bekommt, ist er nicht mehr so ausgeglichen und kann zu unruhigem oder hibbeligem Verhalten tendieren. Das wird von einigen Menschen fehlgedeutet und vielleicht denken Sie, Ihr Hund ist noch nicht ausgelastet genug und machen noch mehr mit ihm. Daher bräuchte Ihr Hund einfach mehr Schlaf und weniger Auslastung.
Machen Sie deshalb den "Alltagscheck": Schreiben Sie mindestens drei bis vier Tage lang auf, wie oft Ihr Hund aktiv ist, wie lange Sie mit ihm spazieren gehen und was er alles erlebt. Dazu gehört auch:

  • Die Kinder mit zur Schule bringen
  • Besuch bei Freunden
  • Freunde kommen zu Besuch nach Hause
  • Die Kinder spielen mit ihm oder sprechen ihn an, wenn er schlafen möchte, so dass keine ungestörte Ruhephase möglich ist
  • Er geht mit ins Café, Restaurant oder in die Stadt, weil Sie das Gefühl haben, er ist gerne mit dabei
  • Er ist mit Ihnen bei der Arbeit, wo öfter Kollegen reinkommen und ihn beschäftigen
  • Auf dem Spaziergang haben Sie drei Hunde getroffen, mit denen er gespielt hat

Sie werden sehen, dass Ihr Hund ganz schön viel am Tag erlebt und in vielen Fällen nicht die Chance bekommt, das Erlebte zu verarbeiten und sich auszuruhen. Wenn Sie hier Stressoren erkennen, können Sie Management betreiben und dafür sorgen, dass Ihr Hund mehr Ruhe bekommt.
Nehmen Sie ihn zum Beispiel nicht mit, wenn Sie die Kinder zur Schule bringen, sondern gehen Sie danach eine kurze, aber entspannte Runde mit ihm spazieren. Oder Sie lassen ihn zu Hause, wenn Sie in die Stadt gehen, um sich mit Freunden zu treffen. So kann Ihr Hund daheim die Ruhe genießen und sich entspannen (natürlich nur, wenn er gut alleine bleiben kann).

Training für drinnen: Konditionierte Entspannung aufbauen und nutzen

Wenn Ihr Hund in der Wohnung schlecht zur Ruhe kommt, können Sie ihm mit der sogenannten "konditionierten Entspannung" helfen. Wählen Sie dafür einen Duft oder eine Musik, die für Entspannung bei Ihrem Hund sorgt.

"Ich selbst mache mir immer denselben Tee, wenn ich mich auf die Couch setze, um ein gutes Buch zu lesen. Wenn ich nun diesen Tee nur rieche, entspannt sich mein Körper, obwohl ich noch gar nicht auf der Couch angekommen bin – der Tee-Geruch ist bei mir mit Entspannung verknüpft. Und dieses Prinzip können wir auch bei unseren Hunden anwenden."

Anja Petrick

Ich empfehle entweder einen Lavendelduft oder klassische Musik. Sie können beispielsweise im Internet nach spezieller Entspannungsmusik für Hunde schauen. Wenn Sie sich für Lavendelduft entscheiden, geben Sie bitte nur einen Tropfen Lavendelöl (oder einen anderen Geruch) auf ein Tuch, es sollte nicht zu stark riechen, denn die Nase der Hunde ist deutlich besser als unsere.
Wenn Ihr Hund zur Ruhe kommt, legen Sie das Tuch in seine Nähe oder machen die Musik an. Sobald Ihr Hund wieder aktiv wird – am besten schon vorher – legen Sie das Tuch weg oder schalten die Musik aus. Am besten bewahren Sie das Tuch in einem Schraubglas auf, damit Ihr Hund den Duft wirklich nur riecht, wenn er entspannt.
Dies wiederholen Sie drei bis vier Wochen lang, dann ist die Musik oder der Duft gut mit Entspannung verknüpft und Sie können anfangen, Ihrem Hund diese Hilfsmittel auch in Zeiten anzubieten, in denen er unruhiger ist. Viele Hunde nehmen das gerne an und schaffen es so besser, sich zu entspannen. 

Spaziergänge gestalten: so schafft es Ihr Hund, draußen besser ruhig zu bleiben

Wenn Ihr Hund auf dem Spaziergang sehr hochdreht, können folgende Dinge helfen:

  • Entschleunigen Sie Ihren Spaziergang: Die meisten Menschen sind viel zu schnell unterwegs und rennen quasi spazieren. Versuchen Sie stattdessen Folgendes: Immer, wenn Ihr Hund zum Schnüffeln anhält, bleiben Sie auch stehen. Und zwar hinter Ihrem Hund! Überholen Sie nicht und gehen Sie erst weiter, wenn auch Ihr Hund weitergeht. Sie werden sehen, dass Sie in kürzester Zeit deutlich langsamer unterwegs sind. Wir Menschen tendieren dazu, unsere Hunde durch unser schnelles Gehen ebenfalls schneller werden zu lassen.
  • Machen Sie Pausen: Setzen Sie sich einfach mal auf eine Bank, streuen Sie Ihrem Hund ein paar Leckerchen und machen Sie gemeinsam eine kurze Pause. Diese sollte so kurz sein, dass Ihr Hund es gut schafft, er sollte auf keinen Fall in Frust geraten. Vor allem sehr hibbeligen Hunden fällt dies zu Anfang schwer, daher achten Sie bitte gut auf Ihren Hund und fangen mit Mini-Momenten an, die Sie ganz langsam ausdehnen. Aber immer in dem Bereich bleiben, in dem Ihr Hund es schaffen kann.
  • Gehen Sie keine Runden, sondern den gleichen Weg hin und wieder zurück: Vielen Hunden tut es gut, wenn sie keine Runde drehen, sondern denselben Weg wieder zurückgehen. Der Rückweg wird dadurch deutlich ruhiger und entspannter, da die Hunde die Gerüche schon einmal aufnehmen konnten, und jetzt haben sie noch etwas mehr Zeit, alles in Ruhe abzuschnüffeln. Hier gilt Qualität statt Quantität. Sie müssen nicht in einer Stunde große Strecken schaffen.

Erregung richtig hoch- und wieder runterfahren

Vor allem nervöse Hunde haben nur gelernt, sich hochzufahren und nicht, sich wieder zu entspannen. Probieren Sie folgende Übung:

Sie spielen mit Ihrem Hund mit einem Ball oder einem Zergelspielzeug. Fangen Sie ruhig und langsam an, werfen Sie den Ball erst ein paarmal nur kurz und dann immer ein bisschen weiter oder spielen Sie erst sanft und dann immer wilder mit ihrem Hund. Nach einigen Minuten fangen Sie an, wieder weniger weit zu werfen oder sanfter zu spielen, so dass Sie Ihren Hund gezielt wieder runterfahren. Als Abschluss lassen Sie Ihren Hund eine kleine Futtersuche machen, denn Essen und Suchen sorgen ebenfalls für Entspannung.
Wenn Sie mit Ihrem Hund spielen und sofort mit hoher Energie einsteigen und den Ball oder das Zergel wieder wegtun, während Ihr Hund gerade sehr hoch im Erregungslevel ist, bleibt er sozusagen in der Luft hängen, das Adrenalin ist ganz oben und Sie brechen das Spiel ab. So kann Ihr Hund nicht lernen, sich selbst wieder runter zu regulieren.
Bei dieser Übung ist es wichtig, dass Sie gut auf Ihren Hund achten, denn gerade bei sehr hibbeligen Hunden kann es schnell zu viel werden. Hier sollten Sie sehr langsam ins wildere Spiel kommen und es nicht zu heftig werden lassen. Auch hier gilt wieder: weniger ist mehr. Tasten Sie sich lieber ran, als dass Ihr Hund nach dieser Übung noch überdrehter ist.

Übrigens: Anja Petrick hat ein Buch geschrieben, das bei wichtigen Fragen rund um den Hund hilft: "Wir sind ein Team - Hunde fair trainieren", erhältlich im BRshop.

Viel Erfolg mit diesen Tipps wünschen Anja Petrick und "Wir in Bayern"!


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