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Hunde Trennungsstress: So lernt Ihr Hund, alleine zu bleiben

Viele Hunde haben ein Problem mit dem Alleinsein. Sie bellen, jaulen, kratzen an Türen und Fenstern oder zerlegen die halbe Wohnungseinrichtung. Keine leichte Situation für Hund und Halter. Hundetrainerin Anja Petrick hat Tipps, wie Sie mit Ihrem Hund das Alleinebleiben trainieren können und was gegen den Trennungsstress hilft.

Stand: 04.04.2022

Hund auf dem Sofa | Bild: BR / dpa-Bildfunk / Nicolas Armer

Wenn Sie das Haus verlassen, bellt und jault Ihr Hund und zerkratzt die Türen. Vielleicht uriniert oder kotet er sogar in die Wohnung. Andere Hunde leiden stiller und liegen so lange vor der Haustür, bis Sie wieder daheim sind. Wieder andere Hunde fangen an, sich wund zu lecken. All diese Symptome zeigen, dass Ihr Hund Trennungsstress hat.

Warum reagiert Ihr Hund so?

Für einen Hund ist es nicht natürlich, alleine zu bleiben, schon gar nicht, wenn er dabei räumlich begrenzt wird. Bei Welpen sorgt der Trennungsstress dafür, dass sie sich instinktiv nie weit von den erwachsenen Tieren oder den Wurfgeschwistern wegbewegen, da dies in der Natur tödlich enden kann. Sie lernen erst später, sich abzunabeln.

Bei unseren Haushunden ist oft das Problem, dass sie zu schnell und zu früh von der Mutter getrennt werden, was im späteren Leben den Trennungsstress begünstigt. Wenn ein junger Hund dann nicht langsam ans Alleinsein gewöhnt wird, sondern auf einmal zu lange allein zurückbleiben muss, schafft er es häufig nicht.

Gründe für den Trennungsstress können sein:

  • Zu häufiges oder zu frühes und zu langes Alleinlassen des Hundes.
  • Eine neue Umgebung oder ein neuer Halter.
  • Krankheit (beispielsweise Diabetes, Blindheit oder Taubheit)
  • Verlust eines Sozialpartners (beispielsweise durch den Tod einer Bezugsperson oder eines tierischen Gefährten).
  • Langeweile: Hunde, die komplett unterfordert sind, suchen sich ein Ventil für ihre Energie.
  • Alter: Alte Hunde möchten häufig nicht mehr alleine bleiben – das ist nicht trainierbar! Entwickelt ein Hund aufgrund seines Alters eine Trennungsangst, geht kein Weg daran vorbei, ihn mit zur Arbeit zu nehmen, einen Hundesitter zu engagieren oder Ähnliches.

Der Trainingsablauf

Das Training wird sehr kleinschrittig aufgebaut und Sie werden – je nach Hund – viel Geduld brauchen. Wichtig ist, dass Sie Ihren Hund erst alleine lassen, wenn er sauber trainiert ist. Bis dahin sollten sie ihn entweder mitnehmen oder einen Hundesitter organisieren, denn jedes Mal, wenn er wieder in den Trennungsstress fällt, werden Sie Rückschritte im Training machen.

Außerdem sollten Sie vor dem Training herausfinden, was der Grund für den Trennungsstress ist. Ist der Grund ein medizinischer, müssen Sie Ihren Hund erst einmal behandeln lassen. Ist es Langeweile oder weil Sie Ihren Hund zu oft und zu lange alleine lassen, sollten Sie Ihren Tagesablauf so ändern, dass Ihr Hund alters- und wesensgerecht ausgelastet ist und nicht länger als vier bis fünf Stunden am Tag alleine ist.

So gehen Sie vor

Als erstes sollten Sie klären, ab wann Ihr Hund erste Anzeichen von Trennungsstress zeigt. Dies kann der Fall sein, sobald Sie den Haustürschlüssel holen oder Ihre Jacke vom Haken nehmen. Wenn Ihr Hund Sie dann bereits nicht mehr aus den Augen lässt, gehen Sie wie folgt vor:

  • Mehrmals am Tag nehmen Sie die Jacke vom Haken und hängen Sie wieder zurück ohne das Haus zu verlassen. Wenn das der erste Auslöser ist, wiederholen Sie diesen Schritt über den Tag verteilt so oft, bis Ihr Hund nicht mehr reagiert. Dann wiederholen Sie es noch einige Male.
  • Bleibt Ihr Hund weiterhin entspannt, suchen Sie sich den nächsten Auslöser, häufig ist dies das Öffnen der Haustür. Also drücken sie über den Tag verteilt immer wieder die Haustürklinke herunter und machen dann mit den Dingen weiter, mit denen Sie gerade beschäftigt waren. Auch das wiederholen Sie so häufig, bis es Ihren Hund nicht mehr interessiert. Und so arbeiten sie sich langsam voran, bis Sie das Haus verlassen können, ohne dass Ihr Hund unruhig wird.
  • Ab diesem Moment führen Sie ein kurzes Signal ein, das dem Hund sagt: Ich gehe kurz weg, komme aber in jedem Fall wieder. Beispielsweise sagen Sie „Bin gleich wieder da“, verlassen dann das Haus und kommen sofort wieder. Dann können Sie ganz langsam die Zeit, die Sie nicht im Haus sind, ausdehnen. Aber nur ganz langsam um immer nur ein paar Sekunden.
  • Ab diesem Punkt lohnt sich die Investition in eine Kamera oder eine Hundemonitor-App, über die Sie Ihren Hund beobachten können. Sie sollten immer versuchen, wiederzukommen, bevor Ihr Hund wirklich unruhig wird oder sich wartend vor die Haustür legt. Sollte dies einmal der Fall sein, kommen Sie in der nächsten Übungseinheit wieder etwas früher zurück.

Das Training im Überblick:

- Finden Sie heraus, welche Auslöser es gibt.
- Trainieren Sie an den Auslösern, bis Ihr Hund nicht mehr reagiert.
- Bearbeiten Sie alle Auslöser, bis Sie das Haus verlassen können.
- Verlängern Sie die Zeit draußen ganz langsam.
- Nutzen Sie eine Videoüberwachung.
- Wenn Sie nicht trainieren, lassen Sie Ihren Hund nicht alleine.

Und wenn es nicht klappt?

Sollten Sie keinerlei Erfolge mit dem Training haben, müssen Sie entweder das Training in noch kleinere Schritte unterteilen, sich mehr Zeit dafür nehmen oder überprüfen, ob tatsächlich keine gesundheitlichen Probleme dahinterstecken.

Zusätzlich können Sie Folgendes probieren:

  • Lassen Sie den Fernseher oder das Radio laufen. Wenn es ganz still ist im Haus, wird Ihr Hund schneller auf Geräusche reagieren und schlechter zur Ruhe kommen.
  • Lassen Sie am Abend das Licht an. Viele Hunde bleiben besser alleine, wenn es nicht stockdunkel ist. Denken Sie dabei auch an die einsetzende Dunkelheit.
  • Sie können parallel ein Training über Entspannungsmusik oder einen Entspannungsduft aufbauen, das Sie dann einsetzen, wenn Sie das Haus verlassen. Dazu lassen Sie immer die gleiche Musik laufen oder legen Ihrem Hund ein duftendes Tuch neben seine Decke, wenn er sich gerade entspannt.

Machen Sie die Musik aus oder nehmen Sie das Tuch weg, wenn wieder Action angesagt ist. Das müssen Sie mindestens vier Wochen lang trainieren, damit Ihr Hund die Musik oder den Duft auch wirklich mit Entspannung verknüpft. Ist diese Einheit gut aufgebaut, können Sie diese mit ins Training einfließen lassen und zusätzlich einsetzen, wenn Sie das Haus verlassen.

Beim Duft bitte beachten

Geeignet ist ein Duft, den Ihr Hund als angenehm empfindet, probieren Sie beispielsweise Lavendel. Der Duft sollte stark verdünnt sein, damit er für die feine Hundenase nicht unangenehm wird.

Das sollten Sie auf keinen Fall tun

Bei den folgenden Methoden lernen die Hunde nicht, entspannt zu Hause auf Sie zu warten, sondern das unerwünschte Verhalten wird mittels Gewalt unterdrückt. Die Gemütslage bleibt im Stressmodus und wahrscheinlich wird Ihr Hund das Alleinebleiben als noch schlimmer empfinden als zuvor:

  • Bitte sperren Sie Ihren Hund nicht in eine Box. Da kann er zwar nichts kaputtmachen, hat aber immer noch großen Stress, wenn Sie nicht da sind. Egal wie groß die Box ist, sie bietet nicht genügend Raum, um einen Hund dort längere Zeit zu „verwahren“.
  • Versuchen Sie nicht, es auszusitzen, wenn Ihr Hund anfängt zu bellen. Ist es nur ein kurzes Hinterherwuffen, können Sie warten und beobachten, ob er sich noch entspannt. Bellt sich Ihr Hund jedoch ein, sollen Sie ihn keinesfalls alleine lassen. Bellen stresst Ihren Hund enorm und wird das Verhalten nur schlimmer machen. Haben Sie dabei immer im Kopf, dass Ihr Hund in Not ist und Sie nicht ärgern möchte!
  • Ein No Go sind sogenannte Anti-Bell-Halsbänder. Diese werden dem Hund umgeschnallt und sobald er bellt, bekommt er entweder ein Zitrusspray ins Gesicht gesprüht, erhält einen leichten Stromschlag oder ein unangenehmer Ton ertönt. Stromhalsbänder sind in Deutschland zudem verboten.

Übrigens

Dieses Thema behandelt Anja Petrick auch in ihrem Buch "Wir sind ein Team - Hunde fair trainieren", erhältlich im BRshop.

Viel Erfolg wünschen Anja Petrick und "Wir in Bayern"!


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