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Studienergebnis Verzehr von rotem Fleisch erhöht das Diabetesrisiko

Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und dem Risiko, einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus den USA. Die Menschen sollen deswegen besser auf pflanzliche Kost wie Hülsenfrüchte setzen.

Von: Veronika Scheidl

Stand: 26.02.2024

Andrea Ruml steht in ihrer Küche und bereitet das Mittagessen für den nächsten Tag vor: Sie gibt kleingeschnittene Karotten, Paprika und Brokkoli in die Pfanne, im dampfenden Kochtopf köcheln Dinkelnudeln vor sich hin. Die 57-jährige Ruml legt viel Wert auf frisches Gemüse und auf Vollkorn – doch vor wenigen Monaten sah ihr Speiseplan noch ganz anders aus: viele süße Getränke, Süßigkeiten, Fast Food, verarbeitetes Fleisch. „Ich habe es früher schon übertrieben. Und ich habe früher auch viel Wurst gegessen, Leberkäse, Weißwurst und Streichwurst“, sagt Ruml. Sie fühlte sich zunehmend schlecht, hatte ständig Durst, die Sehstärke ließ nach. Dann im vergangenen Herbst die Diagnose: Diabetes Typ 2. „Das war für mich ein Mega-Schlag ins Gesicht. Ich muss jetzt an mir arbeiten. Es geht einfach nimmer anders“, sagt Ruml.

Studie: Rotes Fleisch erhöht Diabetesrisiko

Die 57-Jährige hatte sich jahrelang überwiegend ballaststoffarm, fett- und zuckerreich ernährt – genau das begünstigt Diabetes Typ 2. Hinzu kommt wohl auch der Verzehr von rotem, besonders aber verarbeitetem Fleisch. Laut einer amerikanischen Studie könnten Rind-, Schwein- oder Lammfleisch das Risiko erhöhen, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.

Mehr als drei Jahrzehnte lang sammelten Forschende die Daten von 215.000 Studienteilnehmenden. Bei der Probanden-Gruppe mit dem höchsten Fleischkonsum stieg das Diabetesrisiko um 62 Prozent – verglichen mit der Teilnehmer-Gruppe, die weniger als eine halbe Portion am Tag und damit am wenigsten rotes Fleisch aß.

Rotes Fleisch kann gesundheitsschädlich sein

Für den Münchner Ernährungsmediziner Hans Hauner ist das Studienergebnis keine Überraschung, sondern eine Bestätigung bisheriger Erkenntnisse:

"Wir wissen, dass rotes Fleisch, in großen Mengen konsumiert, eher schädlich sein kann. Sowohl in Richtung Diabetes als auch in Richtung Herz-Kreislauf-Krankheiten wie zum Beispiel Herzinfarkt. Und dann auch bestimmte Krebserkrankungen. Ganz besonders der Dickdarmkrebs. Warum das so ist, wissen wir nicht genau. Aber es scheint so zu sein, dass Inhaltsstoffe auch eine Entzündung im Körper auslösen können, was diese Krankheiten begünstigt."

Prof. Dr. med. Hans Hauner, Direktor Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin, TUM-Klinikum rechts der Isar u. Wissenschaftszentrum Weihenstephan

Rotes Fleisch sei an sich ein wertvolles Lebensmittel mit guten Inhaltstoffen: Es sei ein Eiweiß-Lieferant, enthalte zudem B-Vitamine, Eisen und Zink. Doch: Im Fleisch stecken laut Hauner auch gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und Purine. Besonders in verarbeiteten Fleisch- und Wurstwaren seien oft Zusatzstoffe enthalten, auch viel Salz, Phosphate und noch mehr Fett. Diese Produkte seien deswegen besonders kritisch zu sehen.

Hülsenfrüchte statt rotem Fleisch

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, wöchentlich nicht mehr als 300 Gramm fettarmes Fleisch oder fettarme Wurst zu essen.

Die Autoren der US-amerikanischen Studie stellen sogar fest: Bereits zwei Portionen rotes Fleisch pro Woche könnten das Diabetesrisiko steigern. Eine Portion entspricht dabei entweder 45 Gramm Wurst oder 85 Gramm unverarbeitetes Fleisch. Die Studienautoren empfehlen, möglichst wenig rotes Fleisch zu essen und stattdessen auf Nüsse und Hülsenfrüchte zu setzen – das würde das Diabetesrisiko senken.

"Hülsenfrüchte haben wertvolle Aminosäuren, sind eine gute Eiweißquelle und enthalten auch sonst andere Stoffe, die der Körper braucht, die ihm gut tun und ihn schützen vor modernen Wohlstandskrankheiten."

Prof. Dr. med. Hans Hauner, Direktor Else Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin, TUM-Klinikum rechts der Isar u. Wissenschaftszentrum Weihenstephan

Langfristige Ernährungsumstellung ist essenziell

Die Diabetologin Veronika Hollenrieder aus Unterhaching hält nichts davon, bestimmte Lebensmittel komplett zu verbieten.

"Die Frage ist ja auch immer, welche Mengen essen wir von gewissen Lebensmitteln? Und wie werden sie zubereitet? Und was essen wir zu dem roten Fleisch dazu? Es ist ein Unterschied, ob Sie dazu Kroketten essen oder Salzkartoffeln. Die Menge macht das Gift, die Menge Nudeln, die Menge Reis. Hier zu portionieren und eben auszutauschen, zu ersetzen, nicht zu verbieten, so versuchen wir zu beraten."

Dr. med. Veronika Hollenrieder, Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologin DDG, Unterhaching

Das hat auch bei Diabetes-Patientin Andrea Ruml funktioniert. Unterstützt von Veronika Hollenrieder hat sie ihre Ernährung umgestellt, nimmt täglich Medikamente und spritzt sich Insulin. Hollenrieder möchte kontrollieren, wie sich Rumls Blutzucker-Werte in den vergangenen Monaten entwickelt haben. Für den Test braucht es nur einen kleinen Tropfen Blut aus der Fingerspitze. Der Spontanzucker-Wert sieht gut aus. Auch der Blutzucker-Langzeitwert hat sich im Vergleich zum Herbst deutlich gebessert und fast halbiert. Andrea Ruml ist auf einem sehr guten Weg – sie braucht nun sogar weniger Insulin.

Übergewicht als Risikofaktor für Diabetes

Es lohnt sich, dranzubleiben. Und das klappt auch im höheren Alter. „Was man früher hat sündigen können, geht im höheren Alter nimmer. Deswegen muss man sich umstellen“, sagt auch Alexander Miller aus München. Bei ihm wurde vor sieben Jahren Diabetes Typ 2 diagnostiziert. Der heute 73-Jährige, der früher gerne viel Süßes genascht und viele Kohlenhydrate und auch Innereien gegessen hat, musste sich umgewöhnen. Seine Blutzuckerwerte sind jetzt stabil, außerdem wiegt Miller mittlerweile 15 Kilo weniger.

Allgemeinarzt Markus von Specht ist zufrieden mit der Entwicklung seines Patienten. Übergewicht zähle zu den großen Risikofaktoren für Diabetes Typ 2, sagt der Allgemeinarzt. Er stelle bei seinen Patienten ein großes Interesse und auch eine große Akzeptanz für gesunde Ernährung fest.

"Deswegen renne ich gerade beim Diabetes offene Türen ein. Die Patienten fragen mich, wie kann ich mich verändern von meiner Ernährung her? Vielleicht kann ich mir damit auch Medikamente einsparen. Die Bereitschaft ist sehr hoch. Wichtig ist es zudem, sich mehr zu bewegen."

Dr. med. Markus von Specht, Facharzt für Allgemeinmedizin, Pasing

Diabetes kann Organe schwer schädigen

Typ-2-Diabetes wird laut Ernährungsmediziner Hans Hauner auch als „stiller Killer“ bezeichnet, da der hohe Blutzucker lange Zeit keine Beschwerden verursacht, solange er nicht exzessiv erhöht ist. „Man spürt die hohen Blutzuckerwerte nicht und fühlt sich in Sicherheit. Aber erhöhte Blutzuckerwerte können viele Organe schädigen. Das beginnt bei der Niere, den Augen, dem Nervensystem, auch das Herz ist betroffen“, sagt Hauner. Das führe dazu, dass Menschen mit Diabetes ein hohes Risiko haben, vorzeitig zu versterben oder schwere Komplikationen zu entwickeln.


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