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Die alpine Märchenwelt von Rock City Bergwandern mit Feenglanz

Mit Kindern auf Bergtour – meistens hat wer Hunger oder muss aufs Klo oder die Füße tun weh oder der Ausflug insgesamt wird in Frage gestellt. Es kann aber auch ganz anders sein, zum Beispiel auf einer Urlaubsreise in den USA in „Rock City“. Auf den ersten Blick eine Touristenattraktion – Bergwandern mit Feenglanz. Doch die Bergmagie dort steckt alle an.

Von: Susi Weichselbaumer

Stand: 09.09.2023

Bergwandern mit Feenglanz | Bild: BR; Susi Weichselbaumer

Es ist ein Felsdurchgang wie aus „Tausend und einer Nacht“. Ein natürlicher Tunnel, einen Meter breit und etwas mehr als zwei hoch. Wasser tropft von der Decke. Es riecht nach Moos. In die Wände sind Glasornamente eingelassen, manche rund wie Handteller, andere schmal und langgezogen, in allen möglichen Farben. Im Fels versteckte Leuchter lassen die Ornamente glitzern. Meine Töchter Wally und Maxi zeigen sich gegenseitig die filigranen Glaskunstwerke. Babybruder Quirin fängt mit den Händen Lichtstrahlen.

Der Start in den felsigen Zauberwald auf dem Lookout Mountain (729 m)

Wir sind in „Rock City“, auf dem Lookout Mountain, in etwa 730 Metern Höhe, an der Grenze zwischen Georgia und Tennessee - und wir sind positiv überrascht. Am Eingang sah das Ganze nach Touristenfalle aus. Rund 30 Dollar Eintritt für mich, 20 für Kinder über drei Jahren. Von der Kasse geht es direkt in den Geschenkeladen, wo man Waldelfen-Shirts und Troll-Käppis kaufen soll. Es gibt pinke Plastikbergwerkshelme und Edelsteinschlüsselanhänger mit Namen drauf.

Schon am Eingang grüßen Zwerge

Dahinter aber führt der verschlungene Weg hinunter in eine schmale Klamm. Dezente Lampen färben einzelne Felsformationen lila, rot und blau oder malen sanft die Blätter von Farnen orange, gelb, rosa. Aus Lautsprechern rieselt Musik. Kleine Rinnsale laufen aus den Felsen. Kuhlen im Waldboden sehen aus wie Yeti-Fußabdrücke. Hier ist ein Fels in Form eines gigantischen Schwammerls, dort balanciert ein Riesenbrocken nahezu schwerelos auf einer Art Hinkelstein wie aus Asterix. Immer wieder sind Figuren eingemeißelt: Riesen, Trolle, Elfen. Manchmal finden wir winzige rote Holztüren mit runden Gucklöchern. Zugänge zu Zwergenwohnungen? 

„Lover´s Leap“ überblickt bei gutem Wetter sieben Bundesstaaten

Die Kinder sind nicht aufzuhalten – es ist die erste Bergtour, auf der keiner jammert, mehr Wurstbrot braucht, etwas Anderes trinken will, als er sich selbst morgens in die Flasche gefüllt hat. Vielleicht ist es auch gar keine Bergtour, sondern ein durchaus mal steil ansteigender Spaziergang durch einen Berggarten, mit Werken lokaler Künstler aus Glas und Metall und dazu allerlei Fabelwesen. Die Idee dazu hat in den 1920er Jahren der Geschäftsmann Garnet Carter. Er baut auf dem Lookout Mountain einen Märchenland-Minigolfplatz. Die Wirtschaftskrise macht den Plan zunichte, seine deutschstämmige Frau Frieda Utermoehlen hat eine neue Idee: Sie kombiniert zu den bizarren Felsformationen mitten im Wald Gartenanlagen, setzt Zwerge und Märchenfiguren an den Wegesrand. 1932 öffnet der Freizeitpark „Rock City Gardens“.

Auf dem Weg in die nächste - vielleicht verwunschene - Höhle

Im Laufe der Jahrzehnte kommen mehr und mehr Attraktionen dazu. Über eine 120 Meter lange Hängebrücke wackelt man über eine Schlucht hinüber zum Aussichtspunkt „Lover´s Leap“. Übersetzt „Sprung des Geliebten“. Eine Legende der Ureinwohner berichtet davon – Sprunggrund: Liebeskummer. Dabei ist der Blick so schön, dass man für immer hier leben möchte. Geschwungene Ebenen fließen in sattem Grün nach allen Seiten Richtung Horizont. Verbaut ist im Tal kaum etwas, hier fanden große Bürgerkriegsschlachten statt. Als Nationalerbe und Mahnmal bleiben diese Flächen frei. Bei klarem Wetter sieht man sieben Bundesstaaten: Tennessee, Kentucky, North und South Carolina, Georgia, Alabama und Virginia.

Kurze Pause unterm felsigen Pilzdach

Wally, Maxi und Quirin haben den nächsten Zwergenpfad entdeckt. Er führt in eine Märchenhöhle. Dort leuchten Schneewittchen, Rotkäppchen und Co. im Schwarzlicht neonbunt. Diese magische Art von „Bergtour“ gefällt uns allen. Die Kinder rennen von Farn zu Fels und wieder zurück, erfinden Geschichten. Und ich muss nichts tun: keinen Zuspruch geben wie sonst auf Bergtouren, keine Bestechungsversuche mit Eis & Co. – einfach nur ganz entspannt Bergluft atmen und die Landschaft genießen, Tourifalle hin oder her. Wenn man zügig durchläuft, schafft man den Rundweg in anderthalb Stunden. Wir brauchen den ganzen Tag für all die Geschichten, die man sich hier ausdenken kann.


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