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Polarweihnacht am Ersfjord Wo das Christkind auf Wale trifft

Woher der Weihnachtsmann genau herkommt, ist umstritten. Ziemlich einig ist man sich aber darüber, dass seine Heimat irgendwo im hohen Norden sein muss. Während er nach Ansicht der Amerikaner am Nordpol wohnt, glaubt man in Europa, dass er irgendwo im äußersten Norden Skandinaviens zu Hause ist. Wer zum Beispiel am 70. Breitengrad bei Tromsø eine vorweihnachtliche Fjordwanderung unternimmt, könnte durchaus auf seine Spuren stoßen.

Von: Andreas Pehl

Stand: 22.12.2023

Wo das Christkind auf Wale trifft  | Bild: BR; Andreas Pehl

Aus der Domkirche im nordnorwegischen Tromsø dringen vertraute Klänge: Bachs Weihnachtsoratorium.

Weihnachtliche Einkaufsstraße in Tromsö

Doch der Ort ist etwas ungewöhnlich, denn die Domkirche befindet sich 350 km nördlich des Polarkreises und der Schnee liegt gut einen Meter hoch. Die Gehsteige der Hauptstraßen sind beheizt, um sie von Eis freizuhalten. Die Straßen sind geschmückt mit bunten Lichterbögen, auf dem Marktplatz steht ein Christbaum - es weihnachtet.

Die Eismeerkathedrale in Tromsö

Überall werben Plakate für geführte Nordlicht-Expeditionen per Schiff oder per Hundeschlitten, auch Wal-Safaris stehen jeden Tag mehrfach auf dem Programm. Wir aber entscheiden uns, auf eigene Faust einen der schönsten Fjorde in der Region zu erkunden: den Ersfjord. Mit dem Tagesticket für etwa 12 Euro geht es zunächst mit dem öffentlichen Bus aus der Stadt hinaus über die lange Brücke auf die Nachbarinsel Kvaløya, die Wal-Insel. In einiger Entfernung sind wilde Rentiere im verschneiten Wald zu sehen – der Weihnachtsmann soll ja aus dieser Gegend stammen, heißt es.

Die Verbindungsbrücke zwischen Tromsö und dem norwegischen Festland

Es ist schon nach 10 Uhr morgens und gerade erst beginnt es ein wenig hell zu werden. Über den zackigen Silhouetten der Berge schimmert diffuses Licht. Gleich geht die Sonne auf – könnte man meinen – doch das tut sie natürlich nicht. Nach etwa einer knappen Stunde Fahrt ist das Ziel erreicht: Ersfjordbotn an der Spitze des Fjords. Blau schimmern die Berge im Dämmerlicht. Bis zum letzten Haus am Fjord ist die Straße geräumt, dann muss man sich den Weg durch den tiefen Schnee ans Ufer hinab bahnen.

Die Granitblöcke am Strand sind eisfrei. Über gefrorenes Seegras, Granitkies und Felsen führt eine Kletterpartie am Ufer entlang. Eine Wolfsspur zeichnet sich ab. Unter der dicken Schneedecke plätschern kleine Bäche von den Bergen in den Fjord. Stundenlang könnte man durch diese raue Landschaft dahinwandern, bis zu der Stelle, an der sich der Fjord zum Eismeer hin öffnet. Doch man muss die Lichtverhältnisse im Auge behalten. Zu dieser Jahreszeit bleibt es ungefähr 200 Minuten pro Tag dämmrig. Bereits kurz nach ein Uhr mittags beginnt schon wieder die lange Polarnacht. Da bleibt leider keine Zeit für ausgedehnte Wanderungen. Also geht es schon nach eineinhalb Stunden und einer kurzen Pause auf einem Felsvorsprung wieder zurück.

Die Berge ringsum leuchten durch die weiße Schneedecke heller als der Himmel. Langsam wird es kalt, weil es doch ein paar Grad unter null hat, da bewegt sich plötzlich das Wasser am anderen Ufer des Fjords: erst ein Schatten, dann eine Fontäne und schließlich, unverkennbar, die Schwanzflossen: Es sind Wale! Sie sind im Fjord auf der Jagd nach Heringen. Die Buckelwale halten Abstand, ebenso die beiden Orcas - Schwertwale. Nur ein Pärchen der deutlich kleineren Schweinswale taucht elegant in Ufernähe auf. Leider wird nach viel zu kurzer Zeit das Licht zu schwach. Die Umrisse der Tiere sind fast nicht mehr von den Wellen zu unterscheiden, und vor Einbruch der Dunkelheit sollte auch der Wanderer wieder zurück im Dorf sein.

In jedem Haus hängen Sterne und geschmackvolle Weihnachtsbeleuchtung in den Fenstern, vor dem Tor parken ihre Schlitten. Am kleinen Bootsanleger hat ein gemütliches Café geöffnet, das Bryggejentene, in dem wir uns nach der Wanderung aufwärmen. Ein Christbaum vor der Kulisse des Fjords begrüßt schon draußen die Besucher, drinnen duftet es nach Kaffee und frisch gebackenen Zimtschnecken. Trude Lorentzen, die Wirtin, hat nur wenig Zeit, denn es sind einige Besucher, die heute Nachmittag die feinen selbstgebackenen Kuchen und Plätzchen probieren möchten. Zum Weihnachtsfest in der dunklen Polarnacht gehören aber auch traditionell Weihnachtssterne und rote Tulpen, und man macht es sich so richtig gemütlich mit der Familie und mit Freunden. Zum Weihnachtsfest gibt es meist Rentierbraten, denn Elch wäre hier in Nordnorwegen zu gewöhnlich.

Also dann – God Jul!

Karte: Tromsø

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Karte: Tromsø


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