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Der Mythos Arlberg und die Geschichte des Rudolph Gomperz Braune Flecken im weißen Kleid

Der Skisport ist für viele untrennbar mit dem Arlberg verbunden. Hier haben die Pioniere damit begonnen, die Möglichkeiten durch das Skifahren laufend neu auszuloten. Sie waren damals, um das Jahr 1900, vor allem am Sport interessiert. Gleichzeitig haben sie aber den Grundstein für den Skitourismus am Arlberg gelegt – und jetzt befindet sich dort das derzeit größte zusammenhängende Skigebiet in ganz Österreich. Diese glanzvolle Geschichte, der Mythos Arlberg ist aber nicht frei von Schatten.

Von: Doris Bimmer

Stand: 26.02.2022 | Archiv

Der Mythos Arlberg und die Geschichte des Rudolph Gomperz | Bild: BR; Doris Bimmer

Skigeschichte ist auch immer Zeitgeschichte, sagt Monika Gärtner, die Leiterin des Lechhmuseums in Lech am Arlberg. Oft erscheint der Mythos Arlberg als bequeme, in Watte gebauschte Geschichte, die sich gut erzählen lässt: Der Arlberg ist die Wiege des Skifahrens, da gab es einen Pfarrer, der hat sich ein Paar Ski gekauft, damit hat alles angefangen und da sind unsere Olympiasieger. Wenn man aber dem Ganzen auf den Grund geht, die Dokumente zusammenträgt, mit Zeitzeugen redet, Fotos und Erzählungen sucht und sichtet, dann findet man sehr viele Kapitel, an die man vorher vielleicht nicht gedacht hat.

Rudolph Gomperz

Zweifelsohne sucht die Historie des Skisports am Arlberg seinesgleichen. Damals, als alles begonnen hat, kamen Menschen aus Süddeutschland und aus dem ganzen Alpenraum mit unterschiedlichsten Lebensläufen zusammen, die allesamt nur ein Ziel kannten: das Skifahren weiterentwickeln, die Region voranbringen. Monika Gärtner vergleicht es mit einer Labor-Situation, und daraus hat sich der Begriff „Ski.Labor.Lech“ ergeben. Feste Größen in diesem Laboratorium waren Hannes Schneider und Rudolph Gomperz. Hannes Schneider war ein begnadeter Skifahrer und Skilehrer, dazu auch Schauspieler, zum Beispiel im legendären Film „Der weiße Rausch“. Gomperz dagegen war ein talentierter und ehrgeiziger Ingenieur und Vermarkter. Beider Leben waren fest miteinander verwoben. Als Rudolph Gomperz aus Wien nach St. Anton kam, war der Ort ein kleines Dörfchen mit ein paar Häusern. Auch mit seiner Hilfe wurde daraus ein blühender Skiort gemacht.

Das Schicksal von Schneider und Gomperz entschied sich im Dritten Reich. 1938 trennten sich die Wege der beiden Freunde – und diese Trennung wirft ein Schlaglicht auf die Schattenseite der glamourösen Arlberg-Erzählung.  Darüber wird aber bis heute nicht gern geredet, resümiert Bergführer Bernd Fischer aus Lech. In der Schule hat man sowieso nichts darüber gehört. Deshalb ist es laut Fischer gut, dass Institutionen wie das Ski.Labor.Lech den Finger in die Wunde legen und auch die Einheimischen aufklären.

Die Gruppe auf dem Weg von Zürs nach Lech

Rudolph Gomperz war ein Wiener Jude. Trotz seiner Verdienste für den Arlberg wurde er im Januar 1942 zunächst von Lech nach Wien zwangsumgesiedelt und dann in ein Konzentrationslager verschleppt. Er starb wenige Monate später im Vernichtungslager Maly Trostinec. Auch Hannes Schneider half aller Ruhm nichts, als er gegen die Nazis aufbegehrte und sich weigerte, in seiner Skischule in St. Anton junge Burschen aufzunehmen, die der nationalsozialistischen Ideologie nahestanden. Schneiders Äußerung, dass der NS „menschenverachtend“ ist, brachte ihn für zwei Wochen ins Gefängnis in Landeck. Schneider fürchtete weitere Repressalien, flüchtete mit seiner Familie in die USA und begann dort eine zweite Ski-Karriere.

Diese braunen Flecken im weißen Kleid der Skigeschichte am Arlberg arbeitet nun das Ski.Labor.Lech nach und nach auf. Denn das Skifahren beinhaltet nicht nur die rein sportliche Dimension, sondern auch die Skikultur, die alle gesellschaftlichen Bereiche der Orte am Arlberg Ortes durchdringt. In einem reich bebilderten Buch mit dem Titel „Spuren“, einer gleichnamigen Ausstellung und dem aktuellen Winterwandertheater wird der Mythos Arlberg auch von seiner dunklen Seite her beleuchtet.


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