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Alpines bayerisches Bergdorf Helen, Georgia

Ein Stück Bayern finden, wenn man in der weiten Welt unterwegs ist, das klingt nett. Doch was einem da mitunter als „Wie bei Dir Daheim“ verkauft wird, ist manchmal durchaus überraschend. In den bewaldeten Bergen der Appalachen, im Nordosten des US-amerikanischen Bundesstaats Georgia liegt das Städtchen Helen. Es wirbt damit, der „alpinste bayerische Ort der USA“ zu sein. Mehr Bergidylle geht quasi nicht.

Von: Susi Weichselbaumer

Stand: 05.08.2023

Der alpinste bayerische Ort der USA | Bild: BR; Susi Weichselbaumer

Schwarze Cowboyhüte mit Lederkordel stapeln sich in den Regalen neben beigen Cowboyhüten mit gedrehtem Band. Die geblümten Modelle haben es meinen beiden Mädels besonders angetan. Der Babybruder schläft im Kinderwagen und ich wundere mich nicht mehr darüber, dass es im Hutladen des alpinsten bayerischen Dorfes der USA vor allem Cowboyhüte gibt. Dabei verspricht das Städtchen Helen, etwa 120 Kilometer von Atlanta entfernt, inmitten der Blue Ridge Mountains spektakuläre Bergkulisse und bayerisches Flair. Die Idee, den Ort „bayerisch“ zu machen, die Appalachen für die Alpen zu nehmen und ein Oktoberfest durchzufeiern von September bis November, hatte in den 1960er Jahren ein GI, der vom Militärdienst in Deutschland zurückkam. Die früher florierende Holzfällersiedlung Helen stand damals vor der Pleite. Der neue bayerische Look sollte Touristen anziehen.

Mit Yeti am bayerischen Cowboyhutladen

Dass Helen nicht mal 500 Meter hoch liegt, finden meine Kinder gleich prima. Das klingt nach wenig Anstrengung. Ich hatte eine Tour zu den Anna Ruby Falls vorgeschlagen. Mitten im Bergwald rauschen zwei Wasserfälle nebeneinander in die Tiefe und vereinen sich unten. Unglaublich romantisch, finde ich. Unfassbar heiß, sagen die Kinder, als wir am Vormittag in Helen ankommen. Die Häuser haben spitze Giebel, buntgestrichene Fensterläden und sind in beige-brauner Pappwand-Optik gehalten. An den Dachfirsten hängen weiß-blaue Wimpel und Lichterketten in Form von Eiszapfen. Schilder weisen den Weg zu alpinen Gaststätten mit bayerischem Bier. Hier braut jemand selbst einen Likör. Dort bietet ein anderer antike bayerische Kuriositäten an. Wo es zu den Anna Ruby Falls geht, müssen wir erfragen. In der Touristeninformation, einer Art Alm mit überbordenden Blumenbalkonen und blumigen Lüftlmalereien, raten die Mitarbeiterinnen angesichts der Hitze von ausgedehnten Bergtouren ab. Weil das Schwimmbad noch geschlossen ist und meine Kinder zu jung sind für Rafting oder die bayerische Bergachterbahn, schicken sie uns zum Bavarian Mountain Minigolf mit Gipfelblick.

Eine Auswahl alpiner Geschäfte

Wir müssen quer durch den Ort, der eigentlich nur aus Geschäften, Hotels und „Beergardens“ besteht. Der Abzweig zum Minigolf führt auf eine steile Straße. Unsere Kraxe ist noch im Auto. Der zweijährige Quirin lässt sich im Kinderwagen schieben. Etwa 15 Minuten marschieren wir gefühlt senkrecht in praller Sonne. Dann begrüßen uns Wimpel in allen Farben auf dem Gipfel. Zwei Reisebusse stehen da. Ein Ehepaar in Outdoor-Klamotten lässt sich mit dem Taxi vorfahren. Der Minigolfbetreiber ist ganz begeistert von uns: „They are from Germany, they walk mountains all the time!“

Beergarding wie daheim

Die bayerischen Minigolfbahnen sind moosgrün bezogen und in den Felsen gebaut. Aus Lautsprechern klingt Countrymusik. Meine Wasserfälle bekomme ich doch noch, allerdings sind sie Teil der Minigolfbahnen und blubbern knalltürkis. Ganz Helen also Fake? Nicht ganz, denn die Aussicht von hier oben ist wirklich wunderschön. Wellige Hügel ziehen sich endlos im Hintergrund. Es riecht nach Kiefern und Harz. Und plötzlich ist es doch ein bisschen wie daheim: Gipfelblick, Gemütlichkeit und kennengelernt hat man auch schon alle. Mit diesem wohligen Gefühl gehen wir zwei Stunden später runter ins Tal. Die Papphäuser sind jetzt irgendwie schon vertraut. Auf der öffentlichen Toilette am Ortskern läuft Blasmusik. Vielleicht sollte man dem Bavarian Lunch der Woche in diesem Beergarden doch eine Chance geben: Schnitzel mit Wiener und Sauerkraut und Pommes, dazu „Brezl“.


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