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Im Benninger Ried Blüte der Riednelke

Die Riednelke gibt es nur an einem Ort auf unserem Planeten: im Benninger Ried bei Memmingen. Im größten Quellsumpf Bayerns ist jetzt die Hauptblütezeit und einst spielten diese besonderen Blumen auch an Fronleichnam eine Rolle.

Von: Georg Bayerle

Stand: 03.06.2023

Blüte der Riednelke | Bild: BR; Georg Bayerle

Der Einstieg ins Ried, den der Biologe Hubert Anwander wählt, ist ungewöhnlich.

Hubert Anwander zeigt ein Fundstück

In Gummistiefeln waten wir einen Bach entlang. Das unbekannte Schmuckstück werden wir finden, verspricht er: die Riednelke. Nur hier, in diesem gut 20 Hektar großen Sumpfgebiet, existiert die rosafarbene Blume auf unserem Planeten. Und dazu weitere 285 Arten, die auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen und Tiere stehen. Die meisten davon sind nahezu unsichtbar, denn es handelt sich um unscheinbare Wesen wie Wassermilben, Zikaden oder Kleinschmetterlinge.

Das Ried wirkt unscheinbar und grau

Es schaut eintönig aus

Die weite grasige Fläche, die sich jetzt links und rechts des Baches öffnet, wirkt erst einmal eintönig und grau: es sind vertrocknete Binsen und Gräser, die in büschelartigen Ballen wachsen. Diese Bulten sitzen auf dem schottrigen Untergrund auf und bilden eine unberechenbar wellige Oberfläche. Deswegen gehen wir auch durchs Wasser. Und weil im Ried das messerscharfe Schneidgras wächst, das dem Buben der Anwanders die Biologie madig gemacht hat, erzählt Angelika Anwander: Als Fünfjähriger hatte er sich während einer Führung durch das Schneidgras vorgearbeitet und beide Arme zerschnitten. Er wolle niemals Biologe werden, habe er dann ausgerufen. Später aber hat er immerhin Mikrobiologie studiert.

Das „Riednägele“ ist ein Geschenk der Quellen

Riednelken am Wasser

Und nun, beim genaueren Hinsehen zeigen sich überall euromünzengroße rosafarbene Blütenköpfe, die im Wind tanzen. Das „Riednägele“ wie es treffend auf schwäbisch heißt, ist zusammengesetzt aus vielen winzig kleinen Blüten – tatsächlich ein besonderes, unscheinbares Schmuckstück. Überall rieselt das Wasser. Das Benninger Ried ist das größte Quellgebiet Bayerns. Entstanden ist es in einem Schotterstrom des ehemaligen Illertalgletschers in der Eiszeit. Hier versickert das Wasser aus den Alpen und quillt in einer Art Flaschenhals im Benninger Ried an die Oberfläche.

Von der Bebauung umzingelt

Riedlandschaft

Aber wie fast überall wurde das Naturgebiet immer mehr eingeschnürt: Auf weniger als ein Fünftel ist das ursprüngliche Ried zusammengeschrumpft und wurde durch die Verbauung auch von seinen Lebensadern, den Wasserläufen im Grundwasser abgetrennt. Seit 2010 erhält es durch ein Verteilerbauwerk in Benningen das Wasser, das unter der Ortschaft durchgeleitet wird. Bereits vor 20 Jahren wurde in einem Naturschutzprojekt der EU mehr als eine Million Euro investiert, um ein verbuschtes Teilstück zu renaturieren.

Betreten nur mit dem Biologen

Unterwegs im Ried

Nur in Begleitung des Biologen, der hier seit 30 Jahren um den Erhalt des Benninger Rieds kämpft, dürfen wir ins Innere des Gebiets, das streng geschützt ist. Für Besucher wurde eigens eine Plattform in der Nähe der Riedkapelle gebaut, wo im ehemaligen Mesnerhaus an Feiertagen ein Ausflugscafé geöffnet ist. Die Prozession zur Riedkapelle gibt es noch. Eine Infotafel erzählt hier von der Geschichte des Rieds. Und nebenan auf der Plattform lässt sich diese kleine Weltsehenswürdigkeit bewundern. Jetzt stehen die Riednelken in voller Blüte.


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