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Fernweh Picos de Europa in Nordspanien

Sie waren die Landmarke des europäischen Kontinents, wenn die spanischen Schiffe nach der Überfahrt vom amerikanischen Kontinent die heimatliche Biskaya erreicht hatten: die Picos de Europa, die Spitzen Europas.

Von: Georg Bayerle

Stand: 02.09.2021 | Archiv

Auf Hirtenpfaden zum Naranjo de Bulnes | Bild: BR; Georg Bayerle

Inmitten der langgestreckten kantabrischen Kordillere, die parallel zur nordspanischen Atlantikküste verläuft, ragen die wild gezackten Kalkspitzen in einem 20 x 40 Kilometer breiten Gebirgsstock auf und bilden ein kleines, aber einzigartiges Gebirge, in dem sich atlantische Nebelwälder und alpine Vegetation begegnen.

Die Hütte unter der Westwand des Picu Urriellu

Und da steht, auf 2000 Meter Höhe das Refugio Urriello, auf einer Karsthochfläche mittendrin im Zentralmassiv der Picos de Europa gleicht sein Platz dem einer Spinne im Netz. Hier ragt der Felsendom auf, der nach allen Seiten hunderte Meter senkrecht abbrechende Turm des Naranjo de Bulnes: der „Orangerote von Bulnes“, weil sich der Kalk im Abendlicht rötlich färbt und der Platz zur Pfarrei des kleinen Bergdorfs Bulnes gehört, das knapp 2000 Höhenmeter tiefer liegt.

Beim Abseilen

Bernabé Aguirre ist da, ein Haudegen, kompakt gebaut, mit beinhartem Händedruck. Der Bergführer war bis zu diesem Zeitpunkt 634 Mal oben – ein vermutlich einsamer Rekord auf einem Klettergipfel wie diesem. Lange galt der Pico Urriello als unbesteigbar. 1904 hat sich dann der spätere Gründer des Nationalparks, Pedro Pidal, der Markgraf von Villaviciosa besonders beeilt. Er hatte gehört, dass der deutsche Geologe und Bergsteiger Gustav Schulze drauf und dran war, als Erster auf diesem Gipfel zu stehen. Nach einem Spezialtraining in Chamonix, engagierte Pedro Pidal einen Gebietskenner, den Hirten „El Cainejo“ und vollbrachte diese nationale Aufgabe mit dem ersten Aufstieg durch die gegliederte Nordwand. Die leichteste Route führt heute durch die Südwand – beeindruckend durch die Steilheit in der gewölbten Felsflanke und oben oft sturmumtost, denn die Gipfelschneide ist der höchste Punkt von der 20 Kilometer entfernten Küste her.

Nicht so spektakulär wie die Kletterei, aber genauso beeindruckend ist dann der ewig lange Abstieg auf alten Hirtenpfaden hinunter ins Bergdorf Bulnes. 1900 Höhenmeter sind es vom Gipfel. Es geht unter überhängenden Wänden durch Schluchten, über grüne Terrassen und durch eine seit langem aufgegebene Alm mit verfallenen Steinhäusern. Eine Quelle gluckert aus dem Fels, dann werden Bergbäche draus, die über Kaskaden und Gumpen durchs Gelände strömen. Am verwachsenen Weg erkennt man, dass heute fast niemand mehr hier geht, weil es steil und beschwerlich ist.

Am Aussichtspunkt von Ordiales

Am Ende wird so ein Leben wie früher jeden Tag schwerer und deshalb geben die Leute die Almwirtschaft auf, erzählt David Rodriguez Mendez, der Wirt unten in Bulnes: „Touristisch hat sich das hier unglaublich entwickelt, aber im Sinne der Berglandwirtschaft und des Lebens in den Bergen ging es im Krebsgang, nämlich rückwärts, sagt David. Und damit ist das verloren gegangen, was Bulnes eigentlich ausmacht“. Und er bedauert es, dass der Ort, obwohl er äußerlich noch vollkommen so aussieht als stünde er in einer ganz anderen Zeit, im Sommer einfach nur von Touristen überflutet wird.

Ab der zweiten Julihälfte und im August herrscht während der spanischen Sommerferien Hochsaison in den Picos de Europa; ideal für einen ruhigeren Aufenthalt sind die Monate Juni und September. Aber auch Mai und Oktober sind nahezu ideal; bei den hohen und schwierigen Touren kann noch, beziehungsweise schon Schnee liegen.

Aguirre dreht die Madonna in Richtung zu seinem Dorf

Die mit Abstand beliebteste und an schönen Wochenendtagen entsprechend überlaufene Wanderung ist die „Ruta del Cares“, die Wanderung auf dem im Zuge der Bauarbeiten an einem Wasserkanal entstandenen Weg durch die stellenweise 1500 Meter tiefe Schlucht des Rio Cares zwischen den Orten Poncebos und Cain. Sie wird meistens von Norden, von Puente Poncebos ausgegangen. Hin und zurück sind es rund 25 Kilometer und 6 Stunden reine Gehzeit. Einkehrmöglichkeiten gibt es nur an den beiden Startpunkten zur Schlucht.

Das Bergdorf Bulnes

Der Weiler Bulnes ist seit dem Jahr 2001 mit einer Standseilbahn erreichbar. Deutlich eindrucksvoller ist der alte Fußweg, der ebenfalls von Puente Poncebos in 1 ½ h durch die Schlucht des Tejo nach Bulnes führt. Hier gibt es kleine Unterkünfte und Gasthäuser. Bulnes war der traditionelle Ausgangspunkt für den Weg zum „Naranjo de Bulnes“, der in cirka 5 Stunden durch den Canal de Balcosín abenteuerlich und landschaftlich großartig zum Refugio de Urriello führt. Neben dem Klettergipfel des „Naranjo de Bulnes“ gibt es hier weitere Gipfelziele, die nur stellenweise auf meist unbezeichneten Wegen erreicht werden können. Der kürzeste Zustieg zum Refugio de Urriello startet von dem vom Bergsteigerdorf Sotres aus erreichbaren Collado Pandebano aus.

Seit gut fünf Jahren gibt es die „Anillos“, die Ringwanderungen durch die Picos de Europa, die auf verschiedenen bezeichneten Routen durch meist felsiges Gelände von Hütte zu Hütte führen und dadurch sehr eindrucksvolle Durchquerungen der insgesamt drei Massive bieten.

Nebelschwaden vom Meer her

Eine eindrucksvolle Tagestour führt von den mit dem Shuttlebus erreichbaren Lagos de Covadonga im westlichen Massiv der Picos über das Refugio Vegaredonda zum Mirador de Ordiales, an dem der Gründer des Nationalparks, Pedro Pidal, seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Diese Wanderung führt über 700 Höhenmeter und rund sechs Stunden Gehzeit hin und zurück.

Karte: Naranjo de Bulnes

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Karte: Naranjo de Bulnes


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