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Von der Nürnberger Hütte auf den Wilder Freiger Seven Summits in den Stubaier Alpen

Der Wilde Freiger gehört mit 3.418 Metern zu den Seven Summits in den Stubaier Alpen. Der rund fünfstündige Aufstieg von der Nürnberger Hütte des DAV führt mittlerweile nicht mehr über den Gletscher. Doch sowohl Hütte als auch Gipfel sind mehr als einen Besuch wert.

Von: Ulrike Nikola

Stand: 19.08.2023

Von der Nürnberger Hütte auf den Wilder Freiger | Bild: BR; Ulrike Nikola

Früh morgens packe ich auf der Nürnberger Hütte alles für die Tour auf den Wilden Freiger zusammen. Sicherheitshalber nehme ich auch die Grödel mit, denn beim Aufstieg werde ich mehrere Schneefelder queren. Mittlerweile führt der Normalweg nicht mehr über den Gletscher, denn durch den Klimawandel geht das Eis stetig zurück. Der letzte große Gletschervorstoß ereignete sich um 1850, der letzte kleine folgte 1920.

Seil versichert am Grad

Fünf Stunden Aufstieg liegen vor mir, rund 1100 Höhenmeter und viele Blockhalden, Geröll und Kletterei. Zunächst führt ein schmaler Weg in Serpentinen an der Urfallspitze nach oben zur Seescharte. Von dort genieße ich einen wunderbaren Ausblick auf die Feuersteine und den türkis schimmernden Freigersee. Bald darauf kann ich auch den Gletscher sehen und das leise Knacken im Eis hören. Tief unten rauscht und gurgelt das Schmelzwasser. Darüber thront majestätisch - zwischen Stubaital, dem Ridnauntal und dem Passeier Tal - der Gipfel des Wilden Freiger. Schon lange bevor man ihn erreicht, ist er gut zu sehen: ein fordernder und vielfältiger Bergriese. Allerdings muss ich mich noch rund drei Stunden über Schnee und verblocktes Gelände vorarbeiten.

Am Gipfel des Wilden Freigers

Woher der Name „Wilder Freiger“ kommt, ist nicht geklärt. Möglicherweise von den vielen, ungezähmten Wasserströmen, die früher noch viel wilder als heute ins Tal rauschten. Die Grödel brauche ich dann doch nicht, weil der Schnee eher weich und sulzig ist. Immer wieder begegne ich Bergsteigern und Bergsteigerinnen, die hadern, ob sie weitergehen oder umkehren sollen. Denn sehr fordernd ist auch die Blockkletterei, die bald folgt. An manchen Stellen sind die Markierungen zwischen Fels und Gestein schwer zu sehen, und es geht nur mithilfe der Hände voran. Oben ist eine ausgesetzte Stelle mit einem Stahlseil gesichert. Zunächst führt der Weg noch vorbei am Signal-Gipfel, dessen Name aus der Zeit der Freiheitskämpfe stammen könnte. Denn er ist auf der einen Seite bis nach Innsbruck hinaus gut sichtbar, auf der anderen Seite über das Ridnauntal hinweg bis nach Südtirol. Noch ein letztes Wegstück über den Grat und der Gipfel ist erreicht, der Ausblick auf die Ortlergruppe, die Stubaier und Zillertaler Alpen überwältigend.

Spinatstrudel auf der Hütte

Retour geht es auf derselben Route, und ich freue ich mich schon auf das Abendessen in der Nürnberger Hütte, denn sie ist von den Restaurantführern Gault Millau und Falstaff ausgezeichnet worden. Hervorgehoben wird – so wörtlich – die „formidable Qualität“ des Essens. Die Lebensmittel stammen aus der Region, vieles vom Bio-Bauernhof der Familie Siller. In ihren Händen liegt schon seit 100 Jahren die Bewirtschaftung der Nürnberger Hütte. Die derzeitigen Hüttenwirte Martina und Leo Siller feiern bereits ihr 25jähriges Wirtsjubiläum. In der Küche der DAV-Hütte verarbeitet Hauswirtschaftsmeisterin Martina Siller alles, was der Bio-Bauernhof hergibt, von Äpfeln, Beeren über Kräuter bis zum Bio-Fleisch von den eigenen Tieren. „Als Köchin freue ich mich, wenn ich genau weiß, woher die Lebensmittel kommen und dass sie keinen langen Transportweg benötigen“, sagt Martina Siller. In den Sommermonaten kümmert sich ihr Mann einerseits um den Hüttenbetrieb, andererseits macht der Landwirtschaftsmeister an manchen Tagen auch Heu unten im Tal. Auch die Eltern helfen tatkräftig mit.

Auszeichnung für die Nürnberger Hütte

Es ist nicht immer leicht eine Berghütte zu bewirtschaften. Leo Siller erzählt von schweren Zeiten der Großeltern und Eltern, ob nach dem Krieg oder nach Unwettern, die den Zustieg verschütteten und die Hütte von der Stromversorgung abschnitten. Auch für die Zukunft gibt es neue Aufgaben zu lösen, erzählt Manfred Armbrust, Hüttenreferent beim DAV Nürnberg. „Wir werden beispielsweise die 4-Kubikmeter-Speicher für das Trinkwasser verdoppeln, damit wir mehr Reserven haben“, erzählt er, „denn die Schneereste, die im Sommer verbleiben, werden immer weniger. Für die Trinkwasserversorgung und die Wasserkraftanlage besteht daher ein gewisses Risiko.“ Bereits in den vergangenen Jahren waren einige Baumaßnahmen nötig, ob für das Wasserkraftwerk, die Kläranlage oder die Trinkwasserversorgung.

Als Franke freut sich Manfred Armbrust jedoch jedes Jahr, wenn er beim ehrenamtlichen Hilfseinsatz auf 2.278 Metern mitanpacken kann. Denn für ihn ist die 136 Jahre alte Nürnberger Hütte etwas Besonderes: „Da steckt viel Geschichte drin“, sagt er. Die Hütte wurde nicht nur kulinarisch ausgezeichnet, sie trägt auch das Umweltsiegel, das Siegel „Mit Kindern auf Hütten“ und ist Teil der Kampagne „So schmecken die Berge“. Am Abend holt Hüttenwirt Leo Siller manchmal eines seiner Instrumente hervor und stimmt ein Lied an. So kann ein perfekter Tag in den Bergen ausklingen.


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