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Hilfsaktionen 20 Jahre Weihnachtshilfe

"Sternstunden – Wir helfen Kindern" ist das wohl bekannteste Hilfsprojekt des Bayerischen Rundfunks. Was viele jedoch heute nicht mehr wissen: Bereits 1948 startete der BR, damals noch als "Radio München. Ein Sender der amerikanischen Militärregierung“, als erste Rundfunkanstalt eine der umfassendsten Spendenaktionen, die "Weihnachtsfreude für Menschen in Not".

Von: Historisches Archiv

Stand: 13.10.2023

Die Mitarbeiterinnen des Frauenfunks Candida Franck (links) mit Erika Heichert (spätere Erika Saucke, 2. von rechts) mit Spenden für die "Weihnachtshilfe" | Bild: BR/Historisches Archiv

Alles beginnt im Flüchtlingslager Hof-Moschendorf

"Haben Sie 10 Minuten Zeit? Bittschön, wenns irgend geht, hören Sie mir zu! Sie wissen ja, heute ist der erste Advent und das ist nun seit Jahren der Tag, von dem an unter dem Kennwort 'Weihnachtsfreude' zwischen dem Funk und seinen Hörern ein lebhafter Austausch beginnt. […] Sie wissen, wie es begann. Wir erzählten Ihnen von denen, die Hilfe brauchten."

Ilse Weitsch, erste Leiterin des Frauenfunks

Ilse Weitsch, erste Redaktionsleiterin des Frauenfunks, an ihrem Schreibtisch

Mit diesen Worten begann Ilse Weitsch am 29. November 1953 ihren Spendenaufruf für alte, bedürftige Menschen in der BR-Hörfunkreihe "Der Funk und seine Hörer“. Zu diesem Zeitpunkt führte die damalige Leiterin des Frauenfunks bereits zum sechsten Mal mit großem Engagement die erste Hilfsaktion der Nachkriegszeit. Durch Zufall war die Idee zur "Weihnachtsfreude" Ende 1948 während einer Reportage über das größte Flüchtlingslager Bayerns, Hof-Moschendorf, entstanden. Die Erzählungen der interviewten Flüchtlinge waren so bewegend und erschütternd, dass Ilse Weitsch beschloss, die Reportage könne nur gesendet werden, wenn die Hörerinnen und Hörer die Möglichkeit bekämen, aktiv zu helfen.

Jeder gibt, was er kann

Die Weihnachtsfreude sollte nicht unbedingt aus Geld- und Kleiderspenden, Spielsachen und Süßigkeiten bestehen, auch Paten für alleingelassene Kinder und alte Menschen ohne Angehörige wurden gesucht. Nach dem ersten Aufruf 1948 wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Briefen und Paketen überhäuft. Schnell wurde klar: Um die vielen Spenden an geeignete Hilfsbedürftige zu verteilen, muss die Hilfsaktion umfassend organisiert werden.

Die damalige Leiterin des Frauenfunks, Lore Walb, überrascht ein altes Ehepaar.

Jedes Jahr sollte nun eine andere hilfsbedürftige Gruppe von den Spenden profitieren: Flüchtlinge, alte Menschen,  verarmte Familien und natürlich verwaiste Kinder. Dazu wurden jährlich rund 1.000 Fürsorgerinnen der Gesundheits- und Landesämter in ganz Bayern angeschrieben, die Menschen in Not mit konkreten Bedürfnissen und Wünschen benennen sollten. Nicht selten kamen so in wenigen Monaten mehr als 7.000 Bittbriefe und Wunschzettel zusammen, die von fleißigen Mitarbeiterinnen des Frauenfunks in zahlreichen Überstunden beantwortet und vermittelt wurden.

Geschichten, die das Leben schreibt

Lore Walb unterwegs im Auftrag der "Weihnachtshilfe"

Da gibt es zum Beispiel die bewegende Geschichte des fünfjährigen Werner K., einem begabten und intelligenten Kind, wie die Heimleitung in Niederfüllbach bei Coburg den Jungen beschreibt. Werner hat seinen Vater früh verloren, seine Mutter sitzt im Gefängnis. Er wünscht sich ein Nachthemd, eine Hose und etwas zum Spielen.

Reinhard J., neun Jahre, aus Oberschlesien, lebt dagegen mit seiner Mutter und einem jüngeren Bruder im Durchgangslager Hof-Moschendorf. Vom "Rundfunk-Christkind" wünscht er sich eine lange Hose, Schuhe oder einen Mantel. Vor allem solche praktischen Wünsche finden sich auf den Wunschzetteln der 50er Jahre.

Dankesbriefe erreichten den BR sogar aus anderen Bundesländern: "Lieber Rundfunk! Du bist der beste Rundfunk den es gibt. Ich danke dir von ganzem Herzen, denn ich habe durch dich einen lieben Weihnachtspaten bekommen." Frank S. aus Berlin schrieb diese Zeilen am 26.12.1952 an den BR, der ihm als Weihnachtsfreude einen Paten, Herrn Hamburger aus Bayreuth, vermittelte. Viele dieser Patenschaften blieben über Jahre bestehen.

20 Jahre "Weihnachtsfreude"

Mit der Zeit verlagerten sich die Bedürfnisse und Wünsche der Menschen im Land. Die "Weihnachtshilfe" beanspruchte einen immer größer werdenden personellen und organisatorischen Aufwand, dem der BR als Rundfunkanstalt nicht mehr gerecht werden konnte. Die Hilfsaktion wurde aus diesem Grund nach 20 Jahren eingestellt. Die letzte "Weihnachtsfreude" 1968 brachte mit 387.000 D-Mark die größte Spendensumme in der Geschichte der Hilfsaktion ein.


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