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Interpret von Zeit und Welt Ehemaliger BR-Intendant Prof. Albert Scharf gestorben

Er kämpfte für den Erhalt der ARD und setzte hohe Qualitätsstandards für Bildung und Information. Wenn es sein musste auch gegen politische Unbilden. Zudem sicherte er der ARD wichtige Sport-Übertragungsrechte. Als Intendant stand Prof. Dr. h. c. Albert Scharf zwölf Jahre an der Spitze des Bayerischen Rundfunks. Ende September 2021 ist er im Alter von 86 Jahren gestorben.

Von: Ursula Zimmermann, Unternehmenskommunikation

Stand: 28.09.2021

Überzeugter Europäer, Altbayer und Föderalist - so bezeichnete sich Albert Scharf selbst. Geboren wurde er in München, als sogenanntes "unschuldiges Kind". Das hat nichts mit seiner Herkunft oder dem Geburtsjahr 1934 zu tun. Der Sohn eines städtischen Beamten erblickte am 28. Dezember das Licht der Welt, dem Tag der unschuldigen Kinder. An diesem Tag soll der biblischen Überlieferung nach König Herodes alle männlichen Neugeborenen und Kleinkinder in Bethlehem getötet haben. "Obwohl im hohen Mittelalter dieser Tag als ein ausgesprochener Unglückstag gegolten hat, hat sich auf mein Leben dieser Geburtstag als sehr glückhaft ausgewirkt", meinte Scharf einmal in einem BR-alpha-Interview (heute ARD-alpha).

Jurist mit geisteswissenschaftlichem Faible

Als Nachfolger von Reinhold Vöth übernimmt Albert Scharf das Amt des Intendanten des Bayerischen Rundfunks.

Albert Scharf studierte an der Universität in München Jura, Geschichte und Philosophie. Nach seinem Studium arbeitete er als Regierungsrat im Bayerischen Finanzministerium. 1966 kam Scharf als Juristischer Direktor zum Bayerischen Rundfunk, wurde 1973 zum Stellvertreter des damals amtierenden Intendanten Reinhold Vöth gewählt. 1990 schließlich wurde er selbst Intendant. Zweimal im Amt wiedergewählt, stand Scharf bis 2001 an der Spitze des BR.

"Kultur rechnet sich nicht oft, aber sie zahlt sich immer aus."

Albert Scharf auf der Feier des Bayerischen Verfassungstages in München, SZ vom 2.12.2005

Medienexperte und Fachmann für den Rechteerwerb

1983 wurde Scharf zum Präsidenten der Europäischen Rundfunkunion (EBU) berufen. Die EBU ist die größte Vereinigung nationaler Rundfunkanstalten weltweit. Scharf hatte die Position 18 Jahre inne und war der erste deutsche Präsident. Er gehörte seit 1973 der Generalversammlung und dem Verwaltungsrat der Organisation an, und war dort von 1973 bis 1982 Präsident der Juristischen Kommission.

Als Präsident der EBU veröffentlichte Scharf bereits im Juni 1994 einen offenen Brief an den damaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi. Darin protestierte er entschieden gegen den Versuch Berlusconis, die RAI auf Regierungskurs zu trimmen: Anders als Staatssender in Diktaturen müssten öffentlich-rechtliche Anstalten heutiger Prägung unabhängig von Regierung und Parlament sein, zitiert die Süddeutsche Zeitung 1994 Scharf in dem Schreiben.

Visionär mit Blick auf die Kosten

Albert Scharf und Ministerpräsident Edmund Stoiber bei der offiziellen Eröffnung von BR-alpha (heute ARD-alpha).

1990 wurde der Jurist zum Intendanten des Bayerischen Rundfunks gewählt. Die Jahre seiner Amtszeit waren geprägt von innovativen, weitsichtigen und mutigen Entscheidungen, stets mit Blick auf die Finanzen.
Dem BR verschaffte Scharf ein unverwechselbares Profil, regional wie national: 1991 wurde der Informationskanal B5 aktuell (heute BR24) eingeführt, 1998 der Bildungskanal BR-alpha (heute ARD-alpha) und 1995 mit BR-online ein eigenes Internetangebot (heute br.de). "Gerade Kultur und Bildung gehören zu den Kernkompetenzen und zur Kernverpflichtung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks", erzählte Scharf im Interview zu den BR Geschichte(n).

Erfolgreicher Widerstand gegen politische Attacke

Während seiner Amtszeit als Vorsitzender der ARD (1995 bis 1996) drohte eine politische Attacke den föderalen Senderverbund zu sprengen: Federführend für die Union unternahmen Edmund Stoiber und Kurt Biedenkopf, die damaligen Ministerpräsidenten Bayerns und Sachsens, den Vorstoß, das ARD-Gemeinschaftsprogramm Erstes Deutsches Fernsehen aufzugeben und durch Zusammenschlüsse bestehender Rundfunkanstalten die ARD neu zu ordnen. Doch die Intendanten der ARD widersetzten sich erfolgreich.

Als Vorsitzender sicherte Scharf für die ARD wichtige Übertragungsrechte für sportliche Großereignisse. In seine Verantwortung fiel 1997 außerdem der Startschuss für "Phoenix". Der Ereignis- und Dokumentationskanal wurde gemeinsam mit dem ZDF auf den Weg gebracht.

Stationen

Beruf und Ämter

1963 – 1966 Regierungsrat im Bayerischen Staatsministerium der Finanzen
1966 – 1990 Juristischer Direktor des Bayerischen Rundfunks
ab 1973 Stellvertreter des Intendanten Reinhold Vöth
1973 – 1983 Vorsitzender der Juristischen Kommission der Europäischen Rundfunkunion
1980 – 1989 Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München
1983 – 2000 Präsident der Europäischen Rundfunkunion
ab 1984 Honorarprofessor für Medienrecht an der Hochschule für Fernsehen und Film (seit 1967 dort Lehrbeauftragter)
1990 – 2001 Intendant des Bayerischen Rundfunks
1995 – 1996 Vorsitzender der ARD
1996 – 2003 Präsident der Hochschule für Fernsehen und Film München
2006 Ernennung zum Berater des Vatikanischen Medienrats durch Papst Benedikt XVI.

Auszeichnungen (Auswahl)

1978 Bayerischer Verdienstorden
1999 Carl-Orff-Medaille der Bayerischen Musikschulen
2000 Romano-Guardini-Preis der Katholischen Akademie in Bayern
2005 Großes Verdienstkreuz mit Stern des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
2005 Preis der Bayerischen Volksstiftung für Verdienste um das bayerische Kulturgut und die Landespflege
Albert Scharf ist Träger der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold, des Gregoriusordens für Verdienste um die römisch-katholische Kirche sowie des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst. Er ist Offizier der Französischen Ehrenlegion.

Christliche Prägung

Albert Scharf war nicht nur Intendant des Bayerischen Rundfunks, Jurist und anerkannter Medienexperte: Er hatte einen Lehrauftrag an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film sowie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, er stand zahlreichen publizistischen Gremien vor, war Mitherausgeber der "Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht" und Verfasser von Büchern, Aufsätzen und Reden. Dafür bekam er auch zahlreiche Auszeichnungen verliehen. Eine davon dürfte ihm ganz besonders am Herzen gelegen haben: Der Romano-Guardini-Preis, der ihm 2000 von der Katholischen Akademie in Bayern verliehen wurde. Wann immer es möglich war, hatte Scharf während seines Studiums Veranstaltungen des von ihm hochverehrten italienischen Professors, Religionsphilosophen und Theologen besucht. Mit dem Preis wurde Scharf als eine Persönlichkeit gewürdigt, die sich im Sinne Romano Guardinis hervorragende Verdienste um die Interpretation von Zeit und Welt auf verschiedenen Gebieten des Lebens erworben hat.

Im September 2021 ist Prof. Dr. h. c. Albert Scharf im Alter von 86 Jahren verstorben.

"Albert Scharf war ein Visionär. Er hat in seiner Zeit als Intendant Weitsicht und Mut bewiesen und führte den Bayerischen Rundfunk auf einen neuen Weg. Sein Ziel war es immer, dem BR ein unverwechselbares Profil zu verschaffen und dabei für eine breite Öffentlichkeit attraktiv und wichtig zu sein – ein Ziel, das unserem öffentlich-rechtlichen Auftrag entspricht und das wir mit aller Kraft weiterverfolgen. Seiner Familie gilt unser Mitgefühl."

Dr. Katja Wildermuth, Intendantin des Bayerischen Rundfunks