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BR-Einblicke Perfekte Illusion

Zu Besuch in den "Dahoam is Dahoam"-Studios

Author: Katharina Mutz

Published at: 6-5-2016

Über der Couch hängen Reisefotos in bunten Rahmen, im Regal schräg gegenüber stehen Bücher, CDs, ein Glas und ein kleiner Metallglobus, der das Datum anzeigt. Das Ganze wirkt wie ein ganz normales Wohnzimmer – mit all dem Klimbim, der sich über die Jahre nun mal so ansammelt. Das ist Absicht. Denn nur so gelingt die Täuschung. Was so aussieht wie die Wohnung einer jungen Familie mit Tendenz zum Fernweh ist in Wirklichkeit eine Kulisse.

Jedes Detail muss passen

Herrin über diese Scheinwelt ist Heike Holder-Niedermeier. Als Szenenbildnerin der Fernsehserie "Dahoam is Dahoam" entscheidet sie über den Look der Sendung. Dazu zählt nicht nur, was sich in den Regalen stapelt, sondern auch, welche Tapeten in den Wohnungen der Kirchleitners, Brunners und Preissingers an den Wänden hängen, wie ihre Kulturbeutel und Füllfederhalter aussehen, was sie kochen und wie die Gebäude im fiktiven Lansing konstruiert sind. Gemeinsam mit ihrem elfköpfigen Team verleiht Holder-Niedermeier jeder Rolle eine ganz persönliche Note. "Wenn man einen Roman liest, hat man Bilder vor sich", erklärt sie. "Diese Bilder versuchen wir zu realisieren." Im Fernsehen funktioniert das perfekt. Im Studiobau in Dachau zerbricht die Illusion spätestens in Anbetracht der nur drei Wände, aus denen jedes "Zimmer" besteht. Auf der vierten Seite muss Platz bleiben für die Kameras. Nur ein paar Schritte vom Regal mit dem zusammengewürfelten Inhalt entfernt wuseln Bühnenarbeiter im gegenüberliegenden Zimmer herum. Dass das nicht von denselben Protagonisten bewohnt wird, ist auf den ersten Blick klar: Hier dominieren Braun- und Cremetöne, über dem Sideboard hängt ein Ölgemälde. Alles perfekt aufeinander abgestimmt – und ziemlich bürgerlich. Kein Wunder. Schließlich ist hier der Brauereibesitzer Martin Kirchleitner zu Hause. Drei Meter hoch reicht die Illusion, dann enden die Wände. Darüber verzweigen sich Metallstangen, an denen Scheinwerfer jede Ecke des Raums ausleuchten können. So sieht es auch hoch über dem Schlafzimmer ein paar Meter weiter aus. In einer Ecke hängen indonesische Marionetten, über dem Bett prangt ein afrikanisches Tuch, vor dem Fenster steht ein Tischchen mit Nähmaschine. Kreativ-chaotisch wie Wohnzimmer Nummer eins. Heike Holder-Niedermeier bestätigt die Vermutung: "Stimmt. Das ist das Schlafzimmer von Fanny und Gregor Brunner." Er war auf Weltreisen, sie ist Köchin und näht gerne in ihrer Freizeit. Das sieht man ihrer Wohnung an, die Räume sehen aus als seien die beiden nur für einen Moment hinausgegangen.

Damit ein Ambiente so stimmig wirkt, muss Heike Holder-Niedermeier ganz schön viel Arbeit investieren. "Jedes Detail muss zu der Figur passen." Wenn im Drehbuch ein neuer Protagonist auftaucht, hat sie etwa zwei Monate Zeit, um sich zu überlegen: Wie könnte der- oder diejenige wohnen? Auf der Suche nach Antworten durchforstet Holder-Niedermeier erst einmal Zeitschriften und das Internet, um eine Bildidee zu entwickeln. Gefällt die den Produzenten, geht’s ans Einkaufen. Die Szenenbildnerin stöbert dann nicht nur in Möbelgeschäften, sondern auch in Antiquitätenläden, auf dem Flohmarkt und bei der Caritas. Manches findet sie selbst dort nicht. Wie den bunten Schrank, das Schmuckstück des Schlafzimmers. Die Redaktion habe sich einen Kleiderschrank im "Ibiza-Stil" gewünscht, erzählt Holder-Niedermeier. Tagelang suchte sie danach – und entschied dann kurzerhand, ihn einfach selbst zu machen. Sie ersteigerte einen alten Schrank im Internet, überlegte, welche Farben passen würden, und ließ ihn in den BR-Werkstätten in Unterföhring bemalen. Auch alles andere, was man nur schwer kaufen kann, basteln die Szenenbildnerin und ihre Requisiteure selbst: Geschäftsberichte, Tagebücher, verschimmelten Weihnachtsschmuck oder eingestaubte Kartons – alles, was im Drehbuch auftaucht, stellen sie mit ihren eigenen Händen her. Bei besonders komplizierten Details helfen die Handwerker aus den BR-eigenen Werkstätten.

Die Fans merken alles

Wieviel Liebe in der Arbeit der Ausstatter steckt, wird im Flur des Studiogebäudes deutlich: Die lange Küchenzeile, die vor Pfannen, Töpfen und Löffeln überquillt, dient nicht etwa dem Catering der Filmcrew. Stattdessen stellt das Ausstattungsteam auch hier Requisiten her – das Essen, das bei den "Dahoam is Dahoam"-Familien oder im Wirtshaus auf den Tisch kommt. "Natürlich muss das auch schmecken", sagt Holder-Niedermeier. "Unsere Schauspieler sind anspruchsvoll." In einem großen Regal auf der anderen Seite des Flurs türmt sich Geschirr, das feinsäuberlich sortiert ist: An der Schmalseite jedes Fachs hängt ein Zettel mit Fotos, auf dem genau dokumentiert ist, welche Teller, Tassen und Gläser zu welcher Familie gehören. Schließlich würden es Fans der Serie sofort merken, wenn die Preissingers ihren Schweinebraten plötzlich vom Geschirr der Brunners essen würden. Noch mehr Requisiten stapeln sich im "Dahoam is Dahoam"-Fundus, draußen auf dem Drehgelände, wo sich eine Lansinger Fassade an die nächste reiht. Hier lagern Möbel, Spielzeug, handgeschriebene Plakate von Bürgerversammlungen, Schilder und Plakate, die die Grafikerin des Ausstattungsteams entwirft. Bei besonders verzwickten Aufgaben hilft Heike Holder- Niedermeier aber auch diese Schatzkiste nicht. Etwa als im Drehbuch ein explodierendes Bierfass auftauchte. Wie sie das bauen könnte, tüftelte die Ausstatterin zusammen mit der Schlosserei der BR-Werkstätten aus. So etwas in der Kürze der Zeit hinzubekommen, sei manchmal gar nicht so einfach, sagt Heike Holder- Niedermeier. "Spaß macht es trotzdem. Ohne solche Herausforderungen wäre die Arbeit ja langweilig."


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