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Der couragierte Chefreporter Dagobert Lindlau

"Journalistische Freiheit wird einem ja nicht kostenlos in die Hosentasche gesteckt, sondern die muss man sich jeden Tag wieder holen."

Stand: 18.05.2021

Abenteuerlich und nicht ungefährlich klingen die Geschichten, die der langjährige Chefreporter des Bayerischen Fernsehens, Dagobert Lindlau, während seiner Dreharbeiten in der ganzen Welt erlebte: darunter Gefängnis in Italien oder eine Todesdrohung durch den Mafiaboss der Cosa Nostra. Als Chefreporter musste er immer einspringen, "wenn etwas total schief gelaufen oder wenn eine Sache besonders schwierig war", erzählt er im Interview mit Gerda Kuhn.

Lindlau, der bereits 1954 in der Redaktion Film- und Außenübertragung startete, erlebte noch die provisorischen Anfänge des Fernsehens in Freimann mit: "Wenn wir zum Beispiel den Kardinal zum Interview nach Freimann fuhren, musste er auf den Filmbüchsen sitzen, die wir beim Kopierwerk abgeholt haben, mit derselben Fuhre." 

Der damalige Fernsehdirektor Clemens Münster ließ ihn in die Schule des Philosophen Max Horkheimer gehen: "Sie sind Reporter, das heißt Sie sind jemand, der eine Lüge auch dann erkennen muss, wenn er keine Ahnung von der Wahrheit hat." Lindlau wurde Redaktionsleiter der Sendung "Report aus München" und 1975 Autor und Moderator im "Weltspiegel". Gemäß seiner journalistischen Devise, sich immer selbst vor Ort ein Bild zu machen, berichtete Lindlau stets eigenwillig, häufig auch anders als die anderen Medien, zum Beispiel über den Fall Mogadischu oder über die rumänische Politik von Ceausescu 1989.

Sich gegen politische Einflussnahme zur Wehr zu setzen, gehörte für ihn ebenso zur Tagesordnung wie die Kollegialität und Freiheit innerhalb des ARD-Verbundes damals. Immer wenn es zu Konflikten im Bayerischen Rundfunk kam, sagten die Kollegen von WDR oder NDR zu ihm: "Junge, setz Dich ins Flugzeug und mach das Stück bei uns."

Kurzbiografie

11. Oktober 1930
geboren in München
1954
Start beim Bayerischen Rundfunk, in der Redaktion Film- und Außenübertragung, später in der Redaktion Politik und Zeitgeschehen im Fernsehen
1960
Konzipierte die Sendung "Anno" mit, die heutige Sendung "Report aus München", Dokumentationsberichte aus dem Bereich Politik, Sozialpolitik und militärische Verteidigung
1964 bis 1968
Redaktionsleiter "Report München"
1966, 1970 und 1986
Auszeichnung mit dem Grimme-Preis
1969 bis 1992
Chefreporter beim Fernsehen des Bayerischen Rundfunks (mit Unterbrechungen)
1975 bis 1987
Moderation des "Weltspiegel"
1979 bis 1982
Moderation der "NDR Talk Show"
1982 bis 1989
Moderation von "III nach neun" bei Radio Bremen
1987 bis 1989
Leitung des Osteuropa-Büros der ARD in Wien
1990
Rückkehr zum Bayerischen Rundfunk
1991
Start der Talkshow "Veranda – Gäste bei Dagobert Lindlau" im Ersten
1992
Rückkehr zum Bayerischen Rundfunk als Chefreporter Bayerisches Fernsehen
1993
Dagobert Lindlau tritt in den Ruhestand
1993
Arbeit für den Privatsender Vox
30. November 2018
Im Alter von 88 Jahren in Vaterstetten verstorben