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Deutsche Einheit im Sport Nicht alles Gold, was glänzte

November 1989. Der Fall der Mauer bedeutete auch für den deutschen Sport eine Revolution. Zwei komplett unterschiedliche Systeme prallten aufeinander. So wuchs nur langsam zusammen, was lange nicht zusammengehörte.

Stand: 06.11.2014 | Archiv

Uschi Disl und Kati Wilhelm | Bild: picture-alliance/dpa

Die Erwartungen an den gesamtdeutschen Sport waren in der ersten Zeit nach dem Mauerfall 1989 riesig. Zwei starke Sportnationen, so die Hoffnung, würden sich gemeinsam zu einer noch größeren Macht entwickeln. Nicht nur ein Reporter der New York Times prophezeite den Deutschen drei Tage nach dem Fall der Mauer: "Ihr werdet die Nummer eins werden!"

"Über Jahre hinaus unbesiegbar"?

Unmittelbar nach dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Rom (mit einer noch rein westdeutschen Mannschaft) jubilierte der damalige Teamchef Franz Beckenbauer: "Jetzt kommen die Spieler aus Ostdeutschland noch dazu. Es tut mir leid für den Rest der Welt. Aber wir werden über Jahre hinaus nicht zu besiegen sein." Und auch in den olympischen Sportarten - Winter wie Sommer - waren die Hoffnungen groß. Doch die Wirklichkeit war dann - gerade im Fußball - nicht ganz so rosig. Nicht alles, was da glänzte, war Gold.

Fußball und Mannschaftssport

Der deutsche Fußball hatte mit dem WM-Titel 1990 wider Erwarten seinen Zenit erreicht. Die Nationalmannschaft - nun auch mit Ostspielern wie Matthias Sammer, Andreas Thom, Thomas Doll oder Ulf Kirsten - erreichte zwar 1992 noch einmal das Finale der Europameisterschaft (0:2 gegen Dänemark) und holte 1996 den EM-Titel. Danach jedoch ging es international steil bergab. Die Nationalmannschaft sollte bis 2014 keinen Titel mehr gewinnen, und auch die Bundesliga verlor gegenüber Spanien, Italien und England an Boden.

Von den Ost-Traditionsklubs kicken heute die meisten in der dritten oder vierten Liga. Hansa Rostock und Dynamo Dresden, die sich als DDR-Oberligisten für die erste gemeinsame Bundesligasaison qualifiziert hatten, sind heute drittklassig. Weiter oben spielen lediglich noch der 1. FC Union Berlin, der FC Erzgebirge Aue und der neu gegründete Verein RB Leipzig.

"Die Bewertung von 25 Jahren Fußball im Osten wird leider von der Entwicklung im Profifußball dominiert. Aktuell durchlaufen wir dabei ein kleines Wellental."

NOFV-Präsident Rainer Milkoreit

In den meisten anderen Mannschaftssportarten änderte sich mit der Wende nicht viel. Im Eishockey mischten zunächst der EHC Dynamo Berlin und der ES Weißwasser in den oberen Ligen mit. Inzwischen firmieren sie als Eisbären Berlin und Lausitzer Füchse. Im Basketball schaffte es nur der Mitteldeutsche BC aus Weißenfels, sich dauerhaft in der höchsten Liga zu etablieren. Im Handball gehört von den früheren DDR-Oberligaklubs nur noch der SC Magdeburg zur nationalen Spitze. Ehemalige DDR-Topklubs wie der SC Empor Rostock oder der SC DHfK Leipzig spielen derzeit in der 2. Bundesliga.

Leichtathletik und Schwimmsport

Auch in der Leichtathletik ergab 1 + 1 nicht automatisch 2. Einige Ost-Athleten wie Sprinterin und Weitspringerin Heike Drechsler, Kugelstoßer Ulf Timmermann oder die Diskuswerfer Jürgen Schult und Lars Riedel gehörten weiter zu den Stars der Szene. Andere stürzten ab.

Ein Grund dafür dürfte gewesen sein, dass der Sport nach der Wende einfach nicht mehr so gefördert wurde, wie zuvor. Das effektive System der DDR-Talentsichtung und -förderung gehörte nun der Vergangenheit an. Eine weitere Ursache: Doping war nun nicht mehr von Staats wegen gewollt. In hohem Maße betrafen die Enthüllungen über das staatlich organisierte, flächendeckende Doping in der ehemaligen DDR die Leichtathletik und den Schwimmsport. Viele Sportler waren, wissentlich oder nicht, in Anabolika-Programmen. Kein Wunder, dass nach 1989 Fabel-Weltrekorde plötzlich ausblieben und andere Nationen aufholten.

Wintersport

Einlauf der Nationen 1992 in Albertville: Es ist die erste gesamtdeutsche Olympiamannschaft seit 1964 in Innsbruck und Rom.

Anders lief es im Wintersport: Die Kaderschmieden in Oberhof (Biathlon, Bob/Rodeln), Klingenthal (Ski Nordisch), Oberwiesental (Skispringen) oder Erfurt (Eisschnelllauf) brachten auch nach der Wende reichlich hoffnungsvolle Talente hervor. Die Leistungszentren im Osten der Republik und in Bayern befruchteten sich im besten Sinne gegenseitig und garantierten in nahezu allen Disziplinen internationale Erfolge. Zu den Protagonisten gehörten Skispringer Jens Weißflog, die Biathleten Mark Kirchner, Kati Wilhelm oder Andrea Henkel, die Bobpiloten Wolfgang Hoppe und André Lange, die Rodlerinnen Sylke Otto und Silke Kraushaar, die Langläufer René Sommerfeldt und Axel Teichmann und viele andere mehr.

Mauer in den Köpfen heute die Ausnahme

Selbst 25 Jahre nach dem Mauerfall sind noch immer nicht alle Mauern in den Köpfen eingerissen. Im Rodelsport etwa tobt ein interner "Kleinkrieg" zwischen den Trainmingsgruppen in Berchtesgaden und Oberhof. Insgesamt spielt es für die deutschen Sportfans heute aber keine Rolle mehr, ob ein Athlet aus den alten oder den neuen Bundesländern stammt. Ein Vierteljahrhundert hat's gedauert.


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