Kultur - Film und Serie


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Hans Steinbichler Heimat ist da, wo es weh tut

Oft tut es am Ort der Kindheit besonders weh, wie in Steinbichlers "Hierankl". Und manchmal dort, wo man alles verliert, wie in "Winterreise". Sicher ist: Heimat gewinnt aus der Distanz oft an Schärfe. In seinem jüngsten Werk treten eine Mutter und ihre Tochter eine Reise in die litauisch-deutsche Vergangenheit an.

Stand: 26.05.2011 | Archiv

Für seinen vierten Kinofilm holte Steinbichler Hannelore Elsner, Juliane Köhler und Caroline Herfurth vor die Kamera. "Das Blaue vom Himmel" erzählt die Geschichte einer schwierigen Beziehung zwischen Marga (Elsner) und ihrer Tochter Sofia (Köhler). Nach einem Aufenthalt der an Amnesie leidenden Mutter in der Psychiatrie versucht Sofia zu helfen und bereist mit Marga den wichtigsten Ort in deren Vergangenheit: Riga.

Ein Erneuerer des Heimatfilms

Szene aus "Autistic Disco"

Der Filmemacher aus dem Chiemgau gilt neben Marcus H. Rosenmüller als einer der Erneuerer des Heimatfilms. Während sein Haushamer Regiekollege seine Filme, darunter "Wer früher stirbt, ist länger tot", mit einer großen Prise Humor würzt, streut Steinbichler vielmehr Salz in die seelischen Wunden seiner Protagonisten. Gleichzeitig demontiert er alle Klischees, die mit dem Genre Heimatfilm assoziiert werden. Die Alpen dienen in seinem Debütfilm "Hierankl" lediglich als Bühne einer düsteren Inzestgeschichte.

Ein Bayer aus der Schweiz

Der Blick auf die Alpen ist Hans Steinbichler von Geburt an vertraut. Er wird 1969 in Solothurn in der Schweiz geboren, wächst aber im Chiemgau auf. Schon während seiner Schulzeit fotografiert und schreibt er, unter anderem für die "taz" und "nature". Nach einem abgebrochenen Jurastudium geht er 1995 an die Hochschule für Fernsehen und Film in München.

Ausgezeichnetes Debüt

Für "Hierankl", seine Abschlussarbeit an der Hochschule für Fernsehen und Film, verpflichtet Steinbichler Schauspieler von Rang und Namen, darunter Barbara Sukowa und Josef Bierbichler. Bereits bei seiner Uraufführung auf dem Filmfest München 2003 wird "Hierankl" als Entdeckung gefeiert und im Rahmen des Festivals in den Kategorien Regie und Schauspiel mit dem Förderpreis Deutscher Film ausgezeichnet, später mit dem Adolf-Grimme-Preis und dem Bayerischen Filmpreis.

Auf "Winterreise"

Josef Bierbichler in "Winterreise"

In seinem zweiten Film begibt sich Steinbichler auf "Winterreise". Wieder schielt er nicht nach der Gunst des Zuschauers. Auch bei diesem Film, der mehrfach für den Deutschen Filmpreis 2007 nominiert wird, arbeitet er mit Bierbichler zusammen. Sein Hauptdarsteller wird dafür mit der begehrten "Lola" ausgezeichnet. Auf dem Münchner Filmfest 2007 stellt er das Filmexperiment "Autistic Disco" vor, ein Drama über gesellschaftliche Außenseiter, das er gemeinsam mit Schauspielschülern des Salzburger Mozarteums erarbeitet hatte.

Lieblingsschauspieler Josef Bierbichler

2009 kommt der Episodenfilm "Deutschland 09" ins Kino, in dem er gemeinsam mit Tom Tykwer, Dominik Graf, Fatih Akin und anderen eine filmische Bestandsaufnahme zur Lage der Nation vorlegt. Steinbichler steuert den Kurzfilm "Fraktur" bei, für den er wieder einmal Josef Bierbichler verpflichtet.

Für "Das Blaue vom Himmel" setzt Steinbichler auf starke Frauen. Und menschliche Abgründe.

Filmografie (Auswahl):

1998 Verspiegelte Zeit - Erinnerungen von Angelika Schrobsdorff

2003 Hierankl

2006 Winterreise

2007 Autistic Disco

2009 Fraktur (Kurzfilm zu "Deutschland 09")

2011 Das Blaue vom Himmel


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