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"Exit Racism" von Tupoka Ogette Diese Antirassismus-Expertin solltest du kennen

Rassismuskritisch denken? Muss man erstmal können, sagt Tupoka Ogette. Sie ist Expertin für Antirassismus und hat das Buch "Exit racism" geschrieben. Seit neustem betreibt sie auch einen Podcast zum Thema Empowerment. Vier Gründe, warum Du sie genauer anschauen solltest.

Von: Malcolm Ohanwe

Stand: 17.10.2019 | Archiv

Was Rassismus-Kritisches Denken betrifft, hinkt Deutschland hinterher. Das sagt die Autorin – und neuerdings auch Podcasterin – Tupoka Ogette. Doch ihre Kritik am strukturellen Rassismus in der Bundesrepublik ist nicht der einzige Grund, warum wir Tupoka Ogette mehr Aufmerksamkeit schenken sollten.

Grund eins: Man lernt viel übers Ostdeutschsein

Tupoka Ogette wird 1980 in der DDR in Leipzig geboren. Ihre Mutter ist eine weiße Ostdeutsche, ihr Vater ein Schwarzer Student aus Tansania. Als sie 8 Jahre alt ist, fliehen ihre Eltern kurz vor der Wende nach Westberlin. Sie hat also ostdeutsche Wurzeln und hat sogar die Flucht miterlebt. Außerdem hat sie in Leipzig studiert. Und dennoch: Eine ostdeutsche Identität habe sie nicht, sagt sie. Das liegt auch daran, dass sie Schwarz ist. Das bespricht sie auch mit ihrer ebenfalls schwarzen ostdeutschen Gästin und Autorin Katja Musafiri in der ersten Folge ihres Podcasts „Tupodcast“.

„Also ich merke das deutlich in Gespräch mit anderen ostdeutschen Freund*Innen, für die ihre Ostdeutsche Identität so ein starkes Thema ist. Für mich ist das irgendwie zweitrangig, weil dieses Schwarzsein und Anderssein das immer überlagert hat“, findet ihre Podcast-Gästin Musafiri. Auch Tupoka Ogette pflichtet ihr bei, dass sie unter anderem aufgrund ihres Schwarzseins nie ostdeutsch gefühlt hat. Wenn man sich also mit ihrem Lebenslauf beschäftigt, lernt man zwangsläufig viel über die ostdeutsche Geschichte – und dass es selbstverständlich auch Schwarze und migrantische Personen in der DDR gab.

Grund zwei: Viele bekannte Deutsche Schwarze Frauen feiern sie

Tupoka Ogette hat viele jüngere Schwarze Frauen in ihren Karrieren geprägt wie etwa die Vize-Landtagspräsidentin Schleswig-Holsteins Aminata Touré. „Für mich als Schwarze Politikerin bedeutet Tupoka eine Wissensquelle, durch die Expertise, die sie sich in den letzten Jahren erarbeitet hat, kann man da immer was für die eigene Arbeit herausziehen“, sagt sie. Auch Alice Hasters, die selber gerade den Bestseller “Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen“ veröffentlicht hat, sagt: „Ohne Tupoka Ogettes Buch „Exit Racism“ wäre mein Buch auf jeden Fall nicht das, was es jetzt ist. Ich bin ihr als Frau und Buchautorin sehr dankbar für ihre Arbeit und sehr froh, dass es sie gibt.“ Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Aber auch Ogette selber baut ihre Arbeit und ihre Reichweite auf der Vorarbeit von Schwarzen Frauen vor ihr auf, wie sie betont.

„Dass ich überhaupt begriffen habe, dass diese Erfahrungen die ich mache, kein individuelles Problem sind, hat angefangen mit Gesprächen mit Schwarzen Frauen. Auch Bücher von Schwarzen Frauen: „Farbe bekennen“ von May Ayim und Katharina Oguntoye, „Deutschland Schwarzweiß“ von Noah Sow, „Plantation Memories“ von Grada Kilomba und „Dinge, die ich denke, während ich höflich lächele“ von Sharon Dodua Otoo. Alles geschriebenes Wort oder reale Gespräche, von denen ich gelernt habe.“

Deswegen ist für sie ganz selbstverständlich, auch in ihrem Podcast „Gespräche unter Schwestern“ weiterhin vornehmlich anderen schwarzen Frauen mehr Bühne zu geben. Das Konzept von Medienangeboten, die sich spezifisch zum Beispiel an soziokulturelle Gruppen richten, ist in vielen Staaten schon selbstverständlich. Die britische BBC hat einen Sender, der sich auf Menschen südasiatischer Herkunft spezialisiert und in den USA gibt es Sender wie Black Entertainment Television.

Grund drei: Weiße lernen rücksichtsvoller zu sein

Gespräche mit anderen Schwarzen haben Tupoka Ogette in ihrer Jugendzeit viel Kraft gegeben. Als sie mit Anfang 20 in Leipzig Afrikanistik studiert, gibt es einige A-Ha-Momente. Zum einen sind alle Professoren weiße Männer, die ihr versuchen Schwarzsein zu erklären, zum anderen sind es in ihrer Studienzeit mitunter auch weiße Frauen. Sie stilisieren sich immer dann als Opfer, wenn sie auf Rassismus hingewiesen werden. So erzählt Ogette in ihrem Podcast von einer weißen Frau, die beginnt hysterisch zu weinen, als sie sie auf eine rassistische Bemerkung hinweist. Ogette habe der Frau klarmachen wollen, dass die Bezeichnung „Schokobaby“ für einen Liebespartner fetischisierend und rassistisch ist. Am Ende galt aber Ogette als Täterin, nicht die weiße Frau, die rassistisch gehandelt hatte.

Rückblickend weiß Tupoka Ogette: Sie wurde Opfer von weißer Zerbrechlichkeit. Den Zustand, in dem Weiße leben, bevor sie sich mit Rassismus auseinandersetzen, nennt sie das „Happyland“. Sie schreibt darüber in ihrem Buch „Exit Racism – Rassismuskritisch denken lernen“. Es gilt schnell als elementare Literatur für anti-rassistisches Denken in Deutschland.

Besonders für weiße Menschen ist das Buch „Exit Racism“ ein leicht verständliches Lehrmittel. Es hilft, sich an die eigene Nase zu fassen, wenn man sich einer Schwarzen Person gegenüber rassistisch verhalten hat – auch wenn es unbeabsichtigt war.

"Ich bin sicher, dass all die Produkte, seien es Bücher, Texte, Hörbücher in der Vermittlungsarbeit helfen. Bei Exit Racism kommen ganz oft Schwarze Menschen zu mir und sagen: Ich habe dieses Buch fünf mal gekauft für meine ganzen weißen Verwandten, damit wir an einem ganz anderen Punkt anfangen können zu reden."

Tupoka Ogette

Grund vier: Sie wird sogar im Rap zitiert

Obwohl sie normalerweise an Bildungseinrichtungen oder Redaktionen lehrt, hört man ihre Stimme jetzt schon in Songs. Die erfolgreiche Rap-Gruppe BSMG um die Rapper Megaloh, Musa und Ghanaian Stallion hat einen Ausschnitt ihres Interviews auf dem Album Platz an der Sonne gepackt: Als Skit. Tupoka Ogette freut die Zusammenarbeit mit BSMG. Für sie ist es wichtig, dass rassismuskritische Rapper und Autorinnen wie sie sich gegenseitig pushen. Dafür sei, wie sie sagt, „ihre Arbeit ja auch da.“ Und ein kleines bisschen mehr Street Credit gibt es für Tupoka Ogette oben drauf.


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