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Doku "Sieben Winter in Teheran" Reyhaneh Jabbari wurde zum Tode verurteilt – ihre Geschichte soll weiterleben

In der Doku "Sieben Winter in Teheran" von Steffi Niederzoll geht es um die Lebensgeschichte von Reyhaneh Jabbari, einer iranischen Studentin, die sich gegen eine Vergewaltigung wehrte – und dafür hingerichtet wurde.

Von: Sandra Limoncini

Stand: 10.10.2023

Szene aus der Dokumentation "Sieben Winter in Teheran" | Bild: MIG

Frühjahr 2007 in Teheran. Die 19 Jahre alte Studentin Reyhaneh Jabbari sitzt in einem Eiscafé und telefoniert. Ein daneben sitzender Mann mittleren Alters hört, wie die junge Studentin mit einem Kunden über einen Messestand spricht, den sie designt hat. Als Reyhaneh ihr Gespräch beendet, stellt sich der Mann als Arzt vor, der seine Praxis neu gestalten lassen wolle. Er fragt, ob sie Interesse an dem Auftrag habe. Sie tauschen ihre Nummern aus. Der Mann ruft sie ein paar Tage später an und bittet sie um einen Besichtigungstermin in seinen Praxisräumen.

"5. Stock. Er schloss die Tür neben dem Fahrstuhl auf. Ich war schockiert, das war kein gewerblicher Raum. Ich ließ die Tür offen. Er sagte, leg das Kopftuch ab, ich hatte Angst. Er kam auf mich zu. Ich rannte zu Tür, ich wollte raus, aber sie war abgeschlossen. Ich wollte schreien, bekam aber keinen Ton heraus. Er sagte: Du sitzt fest, ich werde mich um dich kümmern."

Reyhaneh Jabbari

Als der Mann, sein Name ist Morteza Sarbandi, Reyhaneh bedrängt und vergewaltigen will, sticht sie ihm mit einem in der Küche liegenden Messer in die Schulter. Sie flieht, ruft aber einen Rettungswagen. Sarbandi stirbt im Krankenhaus. Reyhaneh wird noch in dieser Nacht verhaftet und verhört. Ihre Eltern erfahren zunächst nichts. Warum sie verhaftet wurde, was ihr vorgeworfen wird. Erst durch die Zeitungen die titeln: "Design-Studentin ermordet Chirurgen".

"Wir hatten Tausende von Fragen. Hat sie jemanden umgebracht? Wie hats sie es getan? Weshalb hat sie es getan? Hatte sie eine Affäre?"

Mutter von Reyhaneh

Reyhanehs Eltern durften nicht mit ihr sprechen. Die Wohnung der Familie wurde drei Mal durchsucht. Hinter vorgehaltener Hand erfahren sie, dass der Tote ein hohes Tier beim Geheimdienst gewesen sei. Die Familie und Reyhaneh wurden unter Druck gesetzt. Sie musste im Gefängnis zum Verhör erscheinen und wurde dort bedrängt, wenn sie nicht gesteht: Man würde ihre 14-jährige Schwester abholen und foltern. Also legt sie ein falsches Geständnis ab. Sie gesteht das Messer, mit dem sie Sarbandi in den Rücken gestochen hatte, gekauft zu haben – und sie gesteht eine angebliche Affäre mit ihm. Dafür wird sie sofort mit 30 Peitschenhieben bestraft. Reyhanehs Schwester Sharare sagt im Film: "Ich habe oft überlegt, was ich an Reyhanehs Stelle getan hätte in dem Alter, so unerfahren. Ich wäre nicht so stark gewesen, ich hätte mich nicht gewehrt, ich hätte mich vergewaltigen lassen. Und jetzt, wo ich noch dazu weiß, dass Selbstverteidigung im Iran zu nichts führt, würde ich mich vergewaltigen lassen."

Urteil: Tod durch den Strick

Reyhaneh Jabbari

Am 16. Dezember 2009 erging das finale Urteil im Prozess gegen Reyhaneh. Sie wird zum Tod durch den Strick, mittels Blutrache durch die nächsten Verwandten, verurteilt. Die Begründung: Die Angeklagte hätte den Wunsch des Opfers nach Geschlechtsverkehr nicht ertragen können – aufgrund ihrer angeblich narzisstischen und größenwahnsinnigen Persönlichkeit und ihrer übertriebenen Erwartungen. Und sie hätte dann, obwohl keine Gefahr für sie bestanden hätte, dem Opfer in einem Wutanfall mit einem Küchenmesser in die Schulter gestochen.

Reyhaneh Jabbari bleibt sieben Jahre in Haft, wird dort zur Aktivistin. Sie sammelt die Erlebnisse ihrer Mitinsassinnen und macht sie öffentlich: "Seit fünf Jahren höre ich die Geschichten dieser Frauen", erzählt sie im Film. "Mir war nicht klar, dass ich eines Tages eine große Verantwortung tragen würde. Mina erzählte mir, dass ihre Mutter bis zum letzten Tag ihres Lebens sie und ihre Schwester zur Prostitution zwang, damit die beiden Brüder ein bequemes Leben hätten. Mina erzählte, als ihre Mutter sie zum ersten Mal verkauft hat, war sie 12 Jahre alt."

Reyhaneh hätte nicht sterben müssen

Reyhaneh Jabbari gibt Interviews, spricht mit Journalisten und kann sogar Todesurteile abwenden – aber nicht ihr eigenes. Trotz internationaler Proteste und vieler Versuche der Familie die Hinrichtung aufzuhalten, wurde Reyhaneh Jabbari nach sieben Jahren Gefängnis am 25. Oktober 2014 gehängt. Der Sohn des Toten, der versucht hatte, sie zu vergewaltigen, Jalal Sabardi, hätte die Hinrichtung verhindert können. Er verlangte jedoch von Reyhaneh ein Geständnis nach seinen Wünschen, er meinte: "Sagt sie nicht, was ich hören will, hängt sie". Reyhaneh war dazu nicht bereit. Er hätte Reyhaneh bis zur letzten Minute vergeben können. Hat er nicht. Bei der Hinrichtung war er derjenige, der den Stuhl unter Reyhanehs Füßen weggezogen hat, wie es das Gesetz will.  

Fereydoon Jabbari

Diese Geschichte wird im Film „Sieben Winter in Teheran“ erzählt. Er basiert auf heimlich gedrehtem Film- und Ton-Material, das aus dem Iran geschmuggelt wurde. Die Interviews mit Angehörigen und ehemaligen Mitinsassinnen von Reyhaneh sind teilweise verstörend. Wie der ganze Fall. Reyhanehs Vater, Fereydoon Jabbari, lebt nach wie vor im Iran, er darf nicht ausreisen. Reyhanehs Mutter, Shole Pakravan, und ihre Schwestern leben mittlerweile in Deutschland und setzen sich gegen die Todesstrafe ein.

"Sieben Winter in Teheran" (Regie: Steffi Niederzoll) läuft seit dem 14. September 2023 im Kino.