Bayern 2 - Zündfunk


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Viv Albertine im Interview "The Slits waren mehr Punk als The Clash und die Pistols"

Viv Albertine war eines der ersten Riot Grrrls der Musikgeschichte: Gitarristin der Slits. Im Zündfunk-Interview spricht sie über ihre Autobiographie "A Typical Girl" und warum ab Anfang der 80er für sie Schluss war mit der Musik.

Von: Roderich Fabian

Stand: 25.05.2016 | Archiv

Viv Albertine: A Typical Girl | Bild: Suhrkamp

Viv Albertine ist Punk-Pionierin: als Gitarristin der Slits hat sie viel Stoff für ihre Memoiren gesammelt, die gerade bei uns in Deutschland erschienen sind unter dem Titel: "A Typical Girl". Darin zu finden: zum Beispiel eine Sexszene mit Johnny Rotten, mit der sie ihre Lesung im Münchner Optimal Plattenladen beginnt und das Publikum sofort kriegt. Johnny Rotten fragt Viv Albertine, ob sie ihm einen bläst:

"Ich hab noch nie vorher jemandem einen geblasen - ehrlich nicht. Vermutlich hätte ich es längst mal gemacht haben sollen; ich bin zweiundzwanzig. (...) Ich denke: Ich versuch's mal, muss nur dran lutschen. Kann ja nicht so schwer sein. Ich rutsche an ihm runter. Er holt sein Ding raus. Es riecht nach kalter Pisse. Ich auch. Wir alle. Ich mag das - der Geruch ist mir vertraut, ich empfinde ihn als schön und behaglich. Keiner von uns wäscht sich vor oder nach dem Sex. Wir kommen gar nicht auf die Idee."

Auszug aus 'A Typical Girl' von Viv Albertine

Die 70er halt - damals normal, wenn heute eine Band wie Schnipo Schranke darüber singt, eine Sensation.

Das Punk-Ethos

Viv Albertine schreibt in ihren Memoiren offen und ehrlich über ihre Niederlagen und peinlichen Momente. Genau das macht ihre Geschichte auch so spannend und ermutigend. Im Zündfunk erklärt sie, woher diese bemerkenswerte Ehrlichkeit kommt, mit der sie ihr Buch geschrieben hat:

"Die Ehrlichkeit geht zurück auf das Punk-Ethos. So sollte es sein. Punk ist nach den 50ern und 60er entstanden, also sehr romantischen Zeiten. In den 70ern haben wir beschlossen, die Dinge ehrlich zu betrachten. Wir wollten frei sagen, was wir dachten, die Wahrheit aussprechen - egal, ob in unsere Musik oder Mode oder in unseren normalen Konversationen. Ich habe dieses Ethos ins Buch übertragen. Ich sehe keinen Sinn darin, kreativ zu sein ohne dabei ehrlich zu sein. Als ich das Buch geschrieben habe, wusste ich, dass ich Ärger kriegen könnte - weil ich sehr, sehr ehrlich war."

Viv Albertine im Zündfunk-Interview

The Slits waren sich damals ihrer Rolle als Pioniere des feministischen Rock'n'Rolls sehr bewusst.

"Ich hatte Soziologie studiert und Kunst. Unsere Frontfrau Ari Up war 15, aber ich war 22, 23 und kannte mich ziemlich gut aus mit Popkultur. Wir wussten, dass wir eine große Verantwortung hatten und dass wir die ersten waren. Wir wurden auch genau so behandelt, egal, wo wir hinkamen. Die Leute hassten uns und wir wurden ausgelacht eben aus dem Grund, dass wir die ersten waren. Wir fühlten uns aber auch anderen weiblichen Bands gegenüber verantwortlich: sie sollten es richtig machen und nicht Männer imitieren."

Viv Albertine

In den frühen 80ern hat Viv Albertine die Musik dann aufgegeben - die Zeiten änderten sich in England, als Margret Thatcher and die Macht kam.

"England ist innerhalb kurzer Zeit eine sehr kapitalistische, konsumorientierte Gesellschaft geworden. Die Leute gingen auf einmal zur Pediküre, sie wurden amerikanisiert. The Slits haben da einfach nicht mehr reingepasst. England ist eine kleine Insel. Wenn man mal seine 15 Minuten Fame hatte, ist kein Platz mehr, weiter rumzuhängen. Es muss eine neue Pop- und Subkultur her."

Viv Albertine

Andere Bands wie The Clash machten weiter - aber die waren auch alte Rock'n'Roll Bands, sagt Viv Albertine. Im Gegensatz zu The Slits, die in jeder Hinsicht neu waren.

"The Slits waren viel mehr Punk als The Clash und die Sex Pistols."

Viv Albertine


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